»Ein berührender Coming-of-Age-Roman über Liebe, Sex und Schuld.« Olga Grjasnowa
»Steenfatts Ton ist einer, der sich im Ohr einnistet und von dem man unbedingt mehr hören will.« Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,
Ina hat sich eingerichtet in einer Welt, in der niemand etwas von ihr erwartet. Mit ihrem Mitbewohner Falk streift sie durch die Nächte auf St. Pauli und begnügt sich mit genug Schlaf, etwas Sex und Gin Tonic. Als ihre Mutter bei einem Autounfall stirbt, wird Ina eingeholt von einer Kindheit im Theater und den Gedanken an einen Vater, den sie nie kennengelernt hat. Ausgerechnet jetzt kehrt er zurück nach Hamburg und inszeniert Shakespeares Sommernachtstraum. Und Ina, die endlich so etwas wie einen Plan hat, nimmt einen Aushilfsjob in der Kantine des Theaters an. Doch bevor sie sich überlegen kann, ob sie sich dem Vater offenbart, trifft sie auf die Schauspielerin Paula. Ina, die ihr Herz bisher weder an Dinge noch an Menschen gehängt hat, lernt dieLiebe kennen - und den Verrat an ihr.
»Schlafwandler wissen: wenn sie die Augen öffnen, stürzen sie ab. Von einem solchen Augenöffnen erzählt Steenfatt mit schwindelerregender Sicherheit und einem spröden Witz.« Antje Rávik Strubel
»Steenfatts Ton ist einer, der sich im Ohr einnistet und von dem man unbedingt mehr hören will.« Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,
Ina hat sich eingerichtet in einer Welt, in der niemand etwas von ihr erwartet. Mit ihrem Mitbewohner Falk streift sie durch die Nächte auf St. Pauli und begnügt sich mit genug Schlaf, etwas Sex und Gin Tonic. Als ihre Mutter bei einem Autounfall stirbt, wird Ina eingeholt von einer Kindheit im Theater und den Gedanken an einen Vater, den sie nie kennengelernt hat. Ausgerechnet jetzt kehrt er zurück nach Hamburg und inszeniert Shakespeares Sommernachtstraum. Und Ina, die endlich so etwas wie einen Plan hat, nimmt einen Aushilfsjob in der Kantine des Theaters an. Doch bevor sie sich überlegen kann, ob sie sich dem Vater offenbart, trifft sie auf die Schauspielerin Paula. Ina, die ihr Herz bisher weder an Dinge noch an Menschen gehängt hat, lernt dieLiebe kennen - und den Verrat an ihr.
»Schlafwandler wissen: wenn sie die Augen öffnen, stürzen sie ab. Von einem solchen Augenöffnen erzählt Steenfatt mit schwindelerregender Sicherheit und einem spröden Witz.« Antje Rávik Strubel
»Steenfatts Ton ist einer, der sich im Ohr einnistet und von dem man unbedingt mehr hören will.« Julia Dettke Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20200223
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2020Verweigerung der Anklage
In ihrem Debütroman "Die Überflüssigkeit der Dinge" zeigt Janna Steenfatt ihr beeindruckendes Talent für die sanften Formen des Zynismus
Kann es das überhaupt noch geben, fragt man sich ja manchmal: neue Literatur, neue deutsche Gegenwartsliteratur, die tatsächlich irgendwie neu ist? Natürlich gibt es das! Im Fall von Janna Steenfatts Debütroman "Die Überflüssigkeit der Dinge" bedeutet dieses Neue: Er ist zugänglich, ohne banal zu sein. Erfinderisch, aber nicht experimentell. Anschaulich, bildstark, aber nie grell. Alltäglich, aber nicht alltagsdetailbeschreibungsneurotisch. Und, trotz all dieser vermiedenen Extreme, ganz sicher nicht durchschnittlich. Die Autorin, 1982 in Hamburg geboren, hat am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert, dem offenbar zu Unrecht nachgesagt wird, Schreibweisen anzugleichen, allzu Originelles weniger zu mögen: Steenfatt zeigt in "Die Überflüssigkeit der Dinge" eine eigene, entschiedene Sicht auf die Welt.
Der Roman erzählt von Ina (eigentlich: Katharina), Anfang dreißig, Tochter einer Schauspielerin. Den Namen trägt sie nach Kleists "Käthchen von Heilbronn", dem Stück, in dem ihre Mutter damals die Hauptrolle spielte. Ihr Vater war der Regisseur. Jetzt ist die Mutter tot, und Ina will den Vater kennenlernen. Als er zur neuen Spielzeit nach Hamburg kommt (eine Fügung, die man einem anderen, schlechteren Text nicht abnehmen würde, die hier aber ganz natürlich wirkt), nimmt sie einen Job in der Kantine des Schauspielhauses an. Und wartet auf den richtigen Moment, Wolf, den Vater, anzusprechen.
Außerdem ist da Falk, ihr Mitbewohner, der tagsüber im Leichenschauhaus als Fotograf arbeitet und abends für Ina kocht. "Ich wusste, dass er in mich verliebt war, und er wusste, dass ich es wusste, aber wir taten beide, als wüssten wir von nichts, denn kleine Lügen erhalten die Freundschaft", so beschreibt sie das, in ihrer schnellen, präzisen Sprache. Falk ist ein Beispiel für eine Figur, die in dieser Sprache so lebendig wird, dass man ihn zu kennen meint, ohne dass er irgendjemandem, den man tatsächlich kennt, irgendwie ähneln würde.
Deshalb ist die Erinnerung an das Buch, die sich nach dem Lesen einstellt, an diese kaum 24 Stunden gierigen Lesens, auch nicht vor allem eine sprachliche. Es sind Bilder, die man sich davon merkt, die in einem entstehen von den Räumen, Menschen, Situationen, die sie beschreibt. Eine Erinnerung wie an eine geteilte Erfahrung und einen gemeinsam gelebten Alltag.
"Auf der Uferpromenade spielte ein Leierkastenmann La Paloma. Die Sonne schien, man würde später einmal sagen können, dies sei ein schöner Tag gewesen": So beginnt der Roman. Steenfatt hat diese Fähigkeit, Stimmungen zugleich punktgenau und mit souveräner erzählerischer Distanz einzufangen. Erfährt man dann kurz darauf, dass es der Tag der Beerdigung ihrer Mutter ist, eine Seebestattung, erhalten die Sätze erst recht eine Doppelbödigkeit. Ihr Stil ist lakonisch, ironisch, aber nie herzlos. Steenfatt hat ein beeindruckendes Talent für die sanften Formen des Zynismus.
Noch eine Besonderheit: Obwohl all diese Erfahrungen aus der Ich-Perspektive erzählt werden, obwohl es ja sogar um die Suche dieses Ichs nach einem Teil seiner Herkunft geht, wird in "Die Überflüssigkeit der Dinge" nie eitel erzählt, nicht einmal selbstzentriert. Das erzählerische Ich ist hier eines, das, obwohl es als Erzählinstanz ja ständig präsent sein muss, eigentlich lieber verschwinden will. Ina, die schüchterne Tochter einer exzentrischen Schauspielerin, die das Kind als Zeugin der permanenten Angst um den Verlust der Aufmerksamkeit aufgezogen hat, beobachtet viel lieber, als selbst gesehen zu werden.
Das gilt auch für die wenigen Szenen, in denen es explizit um sie geht, um ihr Ego oder ihren (Miss-)Erfolg. Das Vorsprechen an der Schauspielschule, das sie als Teenagerin doch einmal ausprobieren musste, endet so: "Die Frau tippte auf ihrem Handy herum. Der ältere Mann sah mich an, er sah mich eine Weile einfach nur an und sagte dann gedehnt: ,Ich sach ma so: Wenn man kurzsichtig ist, kann man nun mal nicht Pilot werden.'"
Sehr oft gelingt dem Text diese Komik, diese perfekt getimte Lakonie. Den schärfsten Blick richtet die Hauptfigur stets auf sich selbst, anderen gegenüber ist sie milder. Im Zweifelsfall entscheidet sie sich dafür, das eigene Erleben zu relativieren. Sie scheint nicht wütend auf die Welt, sieht aber gleichwohl genau hin. Das darf man nicht verwechseln mit Kapitulation oder Unterordnung: Steenfatts Schreiben ist alles andere als das. Ihr Gestus, die Verweigerung der Anklage, geschieht aus einer starken Position heraus. Er praktiziert eine weise, menschenfreundliche Haltung in einer Welt, die das oft nicht ist. Sie weiß von ihr, weigert sich aber, sich von ihr den Ton vorgeben zu lassen. Es ist ein Schulterzucken, das vorgibt, wegzuwischen, was sich längst nicht mehr wegwischen lässt.
Steenfatts Ton ist einer, der sich im Ohr einnistet und von dem man unbedingt mehr hören will.
JULIA DETTKE
Janna Steenfatt: "Die Überflüssigkeit der Dinge". Hoffmann und Campe, 240 Seiten, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In ihrem Debütroman "Die Überflüssigkeit der Dinge" zeigt Janna Steenfatt ihr beeindruckendes Talent für die sanften Formen des Zynismus
Kann es das überhaupt noch geben, fragt man sich ja manchmal: neue Literatur, neue deutsche Gegenwartsliteratur, die tatsächlich irgendwie neu ist? Natürlich gibt es das! Im Fall von Janna Steenfatts Debütroman "Die Überflüssigkeit der Dinge" bedeutet dieses Neue: Er ist zugänglich, ohne banal zu sein. Erfinderisch, aber nicht experimentell. Anschaulich, bildstark, aber nie grell. Alltäglich, aber nicht alltagsdetailbeschreibungsneurotisch. Und, trotz all dieser vermiedenen Extreme, ganz sicher nicht durchschnittlich. Die Autorin, 1982 in Hamburg geboren, hat am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert, dem offenbar zu Unrecht nachgesagt wird, Schreibweisen anzugleichen, allzu Originelles weniger zu mögen: Steenfatt zeigt in "Die Überflüssigkeit der Dinge" eine eigene, entschiedene Sicht auf die Welt.
Der Roman erzählt von Ina (eigentlich: Katharina), Anfang dreißig, Tochter einer Schauspielerin. Den Namen trägt sie nach Kleists "Käthchen von Heilbronn", dem Stück, in dem ihre Mutter damals die Hauptrolle spielte. Ihr Vater war der Regisseur. Jetzt ist die Mutter tot, und Ina will den Vater kennenlernen. Als er zur neuen Spielzeit nach Hamburg kommt (eine Fügung, die man einem anderen, schlechteren Text nicht abnehmen würde, die hier aber ganz natürlich wirkt), nimmt sie einen Job in der Kantine des Schauspielhauses an. Und wartet auf den richtigen Moment, Wolf, den Vater, anzusprechen.
Außerdem ist da Falk, ihr Mitbewohner, der tagsüber im Leichenschauhaus als Fotograf arbeitet und abends für Ina kocht. "Ich wusste, dass er in mich verliebt war, und er wusste, dass ich es wusste, aber wir taten beide, als wüssten wir von nichts, denn kleine Lügen erhalten die Freundschaft", so beschreibt sie das, in ihrer schnellen, präzisen Sprache. Falk ist ein Beispiel für eine Figur, die in dieser Sprache so lebendig wird, dass man ihn zu kennen meint, ohne dass er irgendjemandem, den man tatsächlich kennt, irgendwie ähneln würde.
Deshalb ist die Erinnerung an das Buch, die sich nach dem Lesen einstellt, an diese kaum 24 Stunden gierigen Lesens, auch nicht vor allem eine sprachliche. Es sind Bilder, die man sich davon merkt, die in einem entstehen von den Räumen, Menschen, Situationen, die sie beschreibt. Eine Erinnerung wie an eine geteilte Erfahrung und einen gemeinsam gelebten Alltag.
"Auf der Uferpromenade spielte ein Leierkastenmann La Paloma. Die Sonne schien, man würde später einmal sagen können, dies sei ein schöner Tag gewesen": So beginnt der Roman. Steenfatt hat diese Fähigkeit, Stimmungen zugleich punktgenau und mit souveräner erzählerischer Distanz einzufangen. Erfährt man dann kurz darauf, dass es der Tag der Beerdigung ihrer Mutter ist, eine Seebestattung, erhalten die Sätze erst recht eine Doppelbödigkeit. Ihr Stil ist lakonisch, ironisch, aber nie herzlos. Steenfatt hat ein beeindruckendes Talent für die sanften Formen des Zynismus.
Noch eine Besonderheit: Obwohl all diese Erfahrungen aus der Ich-Perspektive erzählt werden, obwohl es ja sogar um die Suche dieses Ichs nach einem Teil seiner Herkunft geht, wird in "Die Überflüssigkeit der Dinge" nie eitel erzählt, nicht einmal selbstzentriert. Das erzählerische Ich ist hier eines, das, obwohl es als Erzählinstanz ja ständig präsent sein muss, eigentlich lieber verschwinden will. Ina, die schüchterne Tochter einer exzentrischen Schauspielerin, die das Kind als Zeugin der permanenten Angst um den Verlust der Aufmerksamkeit aufgezogen hat, beobachtet viel lieber, als selbst gesehen zu werden.
Das gilt auch für die wenigen Szenen, in denen es explizit um sie geht, um ihr Ego oder ihren (Miss-)Erfolg. Das Vorsprechen an der Schauspielschule, das sie als Teenagerin doch einmal ausprobieren musste, endet so: "Die Frau tippte auf ihrem Handy herum. Der ältere Mann sah mich an, er sah mich eine Weile einfach nur an und sagte dann gedehnt: ,Ich sach ma so: Wenn man kurzsichtig ist, kann man nun mal nicht Pilot werden.'"
Sehr oft gelingt dem Text diese Komik, diese perfekt getimte Lakonie. Den schärfsten Blick richtet die Hauptfigur stets auf sich selbst, anderen gegenüber ist sie milder. Im Zweifelsfall entscheidet sie sich dafür, das eigene Erleben zu relativieren. Sie scheint nicht wütend auf die Welt, sieht aber gleichwohl genau hin. Das darf man nicht verwechseln mit Kapitulation oder Unterordnung: Steenfatts Schreiben ist alles andere als das. Ihr Gestus, die Verweigerung der Anklage, geschieht aus einer starken Position heraus. Er praktiziert eine weise, menschenfreundliche Haltung in einer Welt, die das oft nicht ist. Sie weiß von ihr, weigert sich aber, sich von ihr den Ton vorgeben zu lassen. Es ist ein Schulterzucken, das vorgibt, wegzuwischen, was sich längst nicht mehr wegwischen lässt.
Steenfatts Ton ist einer, der sich im Ohr einnistet und von dem man unbedingt mehr hören will.
JULIA DETTKE
Janna Steenfatt: "Die Überflüssigkeit der Dinge". Hoffmann und Campe, 240 Seiten, 22 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main