Produktdetails
  • Verlag: Unionsverlag
  • ISBN-13: 9783293202252
  • ISBN-10: 329320225X
  • Artikelnr.: 10311102
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2001

Robbenschau
Pablo De Santis verwechselt Fantastik mit Esoterik

Wer die eigenen Götter beerben will, tut gut daran, erst einmal ein Trankopfer darzubringen, sonst könnten sie die Anmaßung womöglich übelnehmen. Das gilt für blitzeschwingende Olympier nicht weniger als für die Bewohner des Parnaß. Pablo De Santis hat diese Weisung befolgt, indem er seinem Roman "Die Übersetzung" ein Zitat von Jorge Luis Borges als Motto vorangestellt hat. Denn ohne den Hinweis auf den großen Argentinier würden sich die folgenden etwa hundertfünfzig Seiten doch zu sehr wie ein heimliches Plagiat ausnehmen. Ausgiebig hat der Autor in den Kisten mit den bekannten Motiven gekramt und dabei mittelalterliche hermetische Schriften, erfundene Sprachen und einen uralten Fluch hervorgeholt - Dekoration für eine rätselhafte Kriminalgeschichte, der eine verblüffende Lösung gewiß ist.

Natürlich ist es kein Verbrechen, borgesk zu schreiben - Borges hat sich ja auch immer wieder selbst imitiert -, und Pablo De Santis hat durchaus eine Geschichte zu erzählen. Sie spielt in einem trostlosen argentinischen Küstenort mit dem etwas zu dick aufgetragenen Namen Puerto Esfinge. In diesem Hafen der Sphinx versammelt sich in einem nur zur Hälfte fertiggestellten Hotel ein Kongreß von Übersetzern, die über ihre Arbeit diskutieren wollen. Einer von ihnen ist Miguel De Blast, aus seinem Munde erfahren wir von den rätselhaften Begebenheiten, die den Kongreß begleiten.

De Blast, der eigentlich nur gekommen ist, um seine alte Liebe Ana wiederzusehen, beschreibt zuerst die Merkwürdigkeiten des Ortes und seiner Gäste, einer äußerst extravaganten Schar. Da ist zum Beispiel der siebzigjährige Valner, der in einer eigenen Radiosendung über Ufos spricht und den Übersetzerkongreß mit einem Vortrag über die von Engeln diktierte henochische Sprache beglückt. Kurz darauf wird er im verlassenen Teil des Hotels tot aufgefunden. Nicht weit von der Leiche entdeckt der Erzähler eine alte Münze. Ohne von seinem Fund zu berichten, nimmt er das Geldstück an sich. Schon bald wird er ein weiteres finden, diesmal unter der Zunge einer Toten, womit die mythische Dimension des Geschehens deutlich gemacht ist.

Der Einbruch des Todes in die Gemeinschaft der Übersetzer, der sich durch verendete Robben am Strand bereits ankündigte, beschäftigt den Erzähler genauso wie die anderen Kongreßteilnehmer. An die wissenschaftlichen Vorträge denkt bald niemand mehr, und das, obwohl es doch gerade die Frage nach den Sprachen wäre, die den Weg zur Lösung des Rätsels weisen könnte.

Pablo De Santis treibt mit seinen Lesern ein Versteckspiel, das sich sowohl aus Elementen der Kriminalgeschichte als auch aus literarischen und mythischen Anspielungen zusammensetzt. Den intellektuellen Mehrwert liefern sprachphilosophische Reflexionen, eingestreut in Diskussionen und Vorträge, die zwischen überraschenden Erhellungen und esoterischen Verdunklungen schwanken. So wie die Todesopfer des Buches spielt auch De Santis mit dem Feuer. Er schreibt ironisch über esoterische Theorien und geht ihnen schließlich doch auf den Leim. Dabei handelt es sich um ein Gebiet, auf dem sich der Autor, der bereits für die parapsychologische Presse gearbeitet und Drehbücher für argentinische Mystery-Serien geschrieben hat, bestens auskennt. Er sollte also wissen, daß es spannend sein kann, sich von den labyrinthischen Denkgebilden der Esoteriker erzählen zu lassen, daß aber der Spaß aufhört, wenn sie anfangen, den Glauben an sich einzufordern.

"Die Übersetzung" ist ein Roman, der letztlich der literarischen Fantastik angehört, und als solcher darf er behaupten, was er will. Doch besteht ein feiner Unterschied zwischen der Selbstironie der Fantastik und der humorlosen Gläubigkeit der Esoterik.

SEBASTIAN DOMSCH

Pablo De Santis: "Die Übersetzung". Roman. Aus dem Spanischen von Gisbert Haefs. Unionsverlag, Zürich 2000. 155 S., geb., 26,- DM.

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»Es ist amüsant zu lesen, brillant konstruiert und steht in einer illustren argentinischen Tradition.« Harald Loch Saarbrücker Zeitung