Deutschland, Russland, Ukraine - das war immer und ist eine schwierige Ménage à trois. Eingeklemmt zwischen Habsburg und Russland war der Ukraine eine eigenständige Existenz meist verwehrt. Dabei haben - durch die Schuld des Zweiten Weltkrieges und dann durch den Eisernen Vorhang - die Deutschen viele enge Beziehungen wie auch Verstrickungen zur Ukraine und Galizien fast gänzlich vergessen. Welch komplexes Beziehungsgeflecht zwischen diesen drei Territorien existiert, dämmert erst jetzt durch die Katastrophe des Krieges. Franziska Davies komponiert einen Essayband, der Geschichte und Gegenwart dieser Beziehungen aufzeigt: Die imperiale Überheblichkeit von Russen wie Habsburgern, nationalistische Sünden aller Akteure, die Phantomschmerzen Putins nach einem untergegangenen Imperium, die Fehler und Fehleinschätzungen des Westens, der NATO und Deutschlands. Versammelt werden mit dem Thema engstens verbundene, hoch engagierte Historikerinnen und Publizisten aus Deutschland und der Ukraine.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensent Christian Thomas schätzt überwiegend die Beiträge im von Franziska Davies herausgegebenen Sammelband, der ein weiteres Mal eine "nicht abreißende Gewaltgeschichte" der Ukraine dokumentiert. Dabei geht es, etwa mit der Idealisierung Russlands vs. der Degradierung der Ukraine, um psychologische Kurzschlüsse und "mentale Knackse", die leider immer noch fortbestehen, vermittelt Thomas. Aber auch in die konkrete Historie tauchen die Beiträge von Fachleuten wie Jurko Prochasko, Martin Aust, Julia Herzberg oder Jana Osterkamp ein: So gehe es etwa um die Ähnlichkeit zwischen Russland und Deutschland bzgl. ihrer "imperialen Vergangenheit", wie der Kritiker Martin Aust zitiert, um den Vertrag von Perejaslaw 1654 als Schlüsseldatum, um das "aufreibend komplizierte" Verhältnis zu Polen, und, vor allem, um die Ausrichtung der Ukraine gen Europa, wie der Kritiker wiedergibt. Dabei findet er die Mehrzahl der Aufsätze "historisch aufschlussreich und argumentativ anregend", bis auf ein paar Ausnahmen, auf die er aber nicht genauer eingeht. Insgesamt scheint er Davies' Band für eine Bereicherung zu halten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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