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Dolf ist kein Idiot - auch wenn ihn manche dafür halten. Er arbeitet in der Pathologie als Gehilfe von Doktor Sander, wohnt bei der Mitsch zur Untermiete und ist mit Walter befreundet. Glück bei den Frauen hat er nicht, dafür aber eine große Passion: Dolf jagt und sammelt Schmetterlinge. Während er bei Doktor Sander für grobe Tätigkeiten zuständig ist, kann er beim Präparieren der Insekten sein Fingerspitzengefühl unter Beweis stellen. Zart und behutsam richtet er die zerbrechlichen Flügel und spannt die Falter mit einer Nadel auf. Nur das Töten ist ihm zuwider. Dabei geht es ganz schnell, ein…mehr

Produktbeschreibung
Dolf ist kein Idiot - auch wenn ihn manche dafür halten. Er arbeitet in der Pathologie als Gehilfe von Doktor Sander, wohnt bei der Mitsch zur Untermiete und ist mit Walter befreundet. Glück bei den Frauen hat er nicht, dafür aber eine große Passion: Dolf jagt und sammelt Schmetterlinge. Während er bei Doktor Sander für grobe Tätigkeiten zuständig ist, kann er beim Präparieren der Insekten sein Fingerspitzengefühl unter Beweis stellen. Zart und behutsam richtet er die zerbrechlichen Flügel und spannt die Falter mit einer Nadel auf. Nur das Töten ist ihm zuwider. Dabei geht es ganz schnell, ein paar Tropfen Gift, ein paar Sekunden, und die Tiere hören auf zu zappeln. Dolf weiß: Mit den Toten muß man noch vorsichtiger umgehen als mit den Lebenden. Bis ihm eines Tages Natalie begegnet: "eine Frau, so schön, daß es sie gar nicht gibt". Besessen von der Vorstellung, Natalie zu lieben, begibt sich Dolf auf eine Jagd, die in der Katastrophe endet.
Autorenporträt
Martin Gülich, Jahrgang 1963, studierte Wirtschaftsingenieurwesen. Nach verschiedenen Anstellungen als Planungs- und Softwareingenieur lebt er seit 1997 in Freiburg/Breisgau als freier Schriftsteller.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2005

Ich bin kein Idiot
Martin Gülichs romanhafte Himmelfahrt / Von Walter Hinck

Den "kleinen Doktor" nennt ihn einmal eine Witwe, die dankbar ist für seinen Trost. Aber ein Doktor ist er nun wirklich nicht, nur Gehilfe fürs Grobe in der Pathologie beim Doktor Sander, der die Leichen öffnet, seziert und wieder zunäht. In einer gespenstischen Halle und einem unheimlichen Gewerbe tut er seinen Dienst. Vor lebenden Frauen verläßt ihn jeglicher Mut, frei fühlt er sich nur gegenüber Frauenleichen. Es riecht in diesem Roman von Martin Gülich nach Nekrophilie. Aber Dolf, der Ich-Erzähler des Romans, ist kein Besessener. Für die grobe Arbeit im Seziersaal entschädigt ihn ein Hobby, in dem sich seine Fingerfertigkeit, sein Sinn fürs Feine beweisen kann. Die Sammlung aufgespannter Falter ziert seine Zimmerwände. Doch nicht nur mit dem Schmetterlingsnetz geht Dolf auf Jagd. Seine Gedanken schwärmen aus, er fängt bunte Träume ein, schafft sich in der Vorstellung eine eigene Welt, sucht Erfüllung in Halluzinationen und Wachträumen. So ist er das genaue Gegenbild zu seinem Freund Walter, einem Don Juan der Unterklasse, bei dem nur zählt, was er in den Händen oder den Armen hält. Ein altes Gegensatzpaar feiert fröhliche Urständ; in dieser Freundschaft begegnen sich der Romantiker und der Realist.

Dolf besitzt die Naivität eines Kindes, und seine immer wiederholte Versicherung "Ich bin kein Idiot" verstärkt rasch den Verdacht, daß er mit Geistesgaben nicht gerade gesegnet ist. Das verrät auch sein Kurzsatz-Stil, eine Prosa, die sich auf kein Wagnis eines komplizierteren Satzes einläßt. Damit entsteht allerdings ein erzählerisches Problem. Gülich muß in der Figur des Ich-Erzählers Dolf ständig unter sein Niveau gehen. Was dem Leser eine Zeitlang als gelungene Mimikry des Autors Gülich erscheint, beginnt als Trick durchsichtig zu werden. Und es ist, als flüstere der Autor zwischen den Zeilen dem Leser die Dampfmaschinen-Formel aus der "Feuerzangenbowle" zu: "Da stelle mer uns mal janz dumm."

In schüchterner, aber von ihm selbst ganz Besitz ergreifender Liebe zu Natalie ist Dolf entbrannt. An sie schreibt er den ersten Brief seines Lebens überhaupt. Und über sieben Seiten hinweg werden wir nun nicht etwa über die "Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit", sondern über die Schwierigkeiten beim Schreiben eines Briefes unterrichtet. Der Leser ist geneigt, sich aus diesen Bekenntnissen des Tiefstaplers Dolf zu verabschieden.

Doch nun holt Gülich Spannung in den Text zurück. Zufällig stößt Dolf, der in Walters Wohnung mit eingezogen ist, auf seinem Fahrrad mit einem fliehenden Bankräuber zusammen. Die Presse hat ihre Sensation: "Bankräuber mit Schmetterlingsnetz gefangen". Dolf ist berühmt geworden; die Leute drängen sich, um ihn zu sehen. Der Realist Walter versilbert die Bankräuber-Story und erhebt Eintrittsgeld. Der Romantiker Dolf aber hat den Sturz nicht ohne schwere Folgen überstanden, die Kopfschmerzen werden ärger. Im Männerwohnheim, in dem er inzwischen untergekommen ist, nennt man den "kleinen Doktor" nun den "Schmetterlingsprofessor". Seine Halluzinationen werden ausschweifender, er sieht die ganze Stadt voller Schmetterlinge, und vollends zur Fata Morgana wird ihm Natalie.

Am Schluß liegen beide, wie Mann und Frau, nebeneinander auf dem Seziertisch und schauen in den Himmel. Vielleicht sehen sie, wie das sterbende Kind in Gerhart Hauptmanns Traumdichtung "Hanneles Himmelfahrt", ins Paradies. Solche rührenden Visionen geraten leicht in die Nähe des Kitsches. Aber in Gülichs zunehmend traumhaftem Roman hält die makabre Poesie alles Sentimentale fern.

Martin Gülich: "Die Umarmung". Roman. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2005. 146 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dolf, der Held des Romans, ist Gehilfe in der Pathologie. Im Privatleben hat er ein Faible für das Sammeln von Schmetterlingen, seine "Gedanken schwärmen" und ihm als Romantiker wird mit Walter, dem "Don Juan der Unterklasse" ein Realist gegenübergestellt. Dolf verliebt sich, er schreibt einen Brief und das Problem des Romans tritt da ganz deutlich zu Tage: Dem Autor gelingt die Mimikry an den eher schlichten Geist seines Helden so gut, dass auch das Buch irgendwann von eher schlichtem Geist scheint. Dann aber wird es, so der Rezensent Walter Hinck erleichtert, noch einmal spannend. Dolf fängt einen Bankräuber mit dem Schmetterlingsnetz, es kommt in der Folge zu ausschweifenden Hallluzinationen. Hinck schwingt sich nach zwischendurch anklingender Skepsis zuletzt doch zum Lob auf: Martin Gülich nähere sich dem "Kitsch", halte ihn sich zuletzt aber durch "makabre Poesie" vom Leib.

© Perlentaucher Medien GmbH