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Tanz auf der Rasierklinge.»Meine Mutter ist stark wie eine Kakerlake«, sagte der Junge. »Eine Kakerlake zu Hause und eine in der Fremde ist nicht dasselbe«, meinte die Psychologin.
»Wir ließen unser Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Fremde.« Im Jahr 1968 beginnt Irena Breznás Roman, der auf engstem Raum Verletzung und Aufbegehren, Spott und Hohn, schwarzen Humor, Poesie, Menschlichkeit und Versöhnung vereint.
Die Erzählerin verschlägt es in die Schweiz, einen sicheren Hafen von bizarrer Saturiertheit, ein von Zäunen verstelltes Paradies voller
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Produktbeschreibung
Tanz auf der Rasierklinge.»Meine Mutter ist stark wie eine Kakerlake«, sagte der Junge. »Eine Kakerlake zu Hause und eine in der Fremde ist nicht dasselbe«, meinte die Psychologin.

»Wir ließen unser Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Fremde.« Im Jahr 1968 beginnt Irena Breznás Roman, der auf engstem Raum Verletzung und Aufbegehren, Spott und Hohn, schwarzen Humor, Poesie, Menschlichkeit und Versöhnung vereint.

Die Erzählerin verschlägt es in die Schweiz, einen sicheren Hafen von bizarrer Saturiertheit, ein von Zäunen verstelltes Paradies voller Ordnungshüter und Kehrmaschinen - zu viel Widerspruch für ein Mädchen wie sie. Schon bei der Einreise wird ihr Name vom Grenzer verstümmelt. Ab dann muss sie gezwungenermaßen unter falscher Flagge segeln und vermisst im kalten, gleißenden Licht der Fremde die unfreie, schmuddelige Geborgenheit der Heimat. Als Heranwachsende rebelliert sie gegen das Gastland, das sie unter seine Regeln zwingt undsie nicht sie selbst sein lässt. Nach vielen Zusammenstößen findet sie einen Ausweg ...

Wie Mini-Romane, Kondensate paradoxen Lebens, sind Szenen durch das gesamte Buch gestreut, in denen die Erzählerin als Dolmetscherin zwischen Emigranten und Behörden fungiert. Sie trifft auf eine Phalanx von Gestrandeten, die hoffen, etwas aus ihrem Leben machen zu können: Kleine Diebe, Depressive, Schlawiner, Kriegsflüchtlinge, Ausgebeutete, Überangepasste und Naive.

So ungeschützt und schonungslos gegen sich und andere hat noch keiner über die Emigration geschrieben - ein kleiner Roman mit großer Sprengkraft, ein Lebensbuch.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Irena Brezná, geboren 1950 in der Tschechoslowakei. 1968 Emigration in die Schweiz. Journalistin, Schriftstellerin, Slawistin, Psychologin, Menschenrechtlerin. Zuletzt erschien ihr autobiographisch gefärbter Roman Die undankbare Fremde (2012). Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den EMMA-Journalistinnenpreis und den Theodor-Wolff-Preis für ihre Kriegsreportagen aus Tschetschenien.
Rezensionen
Die brillant geschriebene Geschichte einer Identitätsfindung zwischen Anpassung und Widerstand. Die Zeit, Schweiz-Ausgabe 20130508

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Beim Lesen wurde Hans-Peter Kunisch Zeuge einer Veränderung: Wie die in Bratislava geborene Schweizer Schriftstellerin Irena Brezna sich von der aneckenden Migrantin zur buchpreiswürdigen und selbst die Schweizer Eigenheiten verteidigenden Eidgenossin wurde. Kunisch weiß, die Schweizer lieben ihre Migranten wie nie, und erst recht Migrantenprosa, bei der sie sich "nicht ohne protestantische Selbstgeißelungslust" ihre eigene Sterilität zu Gemüte führen. Kunisch erklärt die Feinheiten: Brezna sei sprachlich gelenkiger als Abonji, weniger blumig als Florescu und schärfer im Ton als beide. Zu diesem Schluss kommt der Rezensent nach Lektüre der chronologischen Bekenntnisse Breznas über die bleierne Zeit in der Schweiz der 70er und über ihre spätere Arbeit als Dolmetscherin. So aufschlussreich der Text für Kunisch auch ist, so richtig aktuell scheinen ihm die "planen Gegenüberstellungen" von Schweizern hier, Immigranten dort, dann doch nicht zu sein.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2012

Katzen füttern verboten
Irena Brezná erzählt von ihrer Ankunft in der Schweiz

Sie gehörte zur letzten Generation von Einwanderern, die in der Schweiz willkommen war. Die Fremdenfeindlichkeit traf damals die seither bestens integrierten Italiener, die als "Saisonniers" auf den Baustellen arbeiteten und abends den Frauen nachpfiffen. Aus der Angst vor "Überfremdung" durch die Südländer entstand eine "Nationale Aktion", aber vom Hass der Schweizerischen Volkspartei wie der Heftigkeit ihrer fremdenfeindlichen Kampagnen vermittelte sie allenfalls eine leise Vorahnung.

Noch war die Identität der selbstbewussten Nation intakt, der Kalte Krieg hatte das Land in seinem Griff und bestimmte das Klima, in dem die Schweizer nach den Ungarn im Jahre 1956 auch noch die Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei erfreulich zahlreich aufnahmen. Sie waren die Opfer ihrer ideologischen Feinde und vor den realen sowjetischen Panzern geflohen. In ihrer neuen Heimat pochten sie auch nie auf den demokratischen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, den sie zu Hause zu verwirklichen versucht hatten. Sie waren willkommen, schwiegen und passten sich an. Viel hat man auch seither nicht von ihnen gehört.

Fast ein halbes Jahrhundert später bricht eine Vertreterin dieser Achtundsechziger-Flüchtlingsgeneration ihr Schweigen. Irena Brezná hat sich als große Journalistin - nicht nur mit ihren preisgekrönten Kriegsreportagen aus Tschetschenien - und Schriftstellerin einen Namen gemacht, als Slawistin wie Psychologin gearbeitet und kürzlich mit "Die undankbare Fremde" einen sehr autobiographischen Roman geschrieben. Dieser Titel steht auch für das Paradies, in das sie im Alter von siebzehn Jahren mit ihren Eltern gekommen war. Denn als solches wurde ihr die Schweiz von den Schweizern, die noch immer nicht aus ihrem Nachkriegsschlaf der Selbstgerechten geweckt worden waren, nachhaltig vermittelt: Wie schön muss es sein, zu uns kommen zu dürfen.

Doch ganz so reibungslos erfolgte die Assimilierung nicht. Sie war auch eine Entfremdung. Noch immer gelingt es Irena Brezná nicht, die eine mit vielen Realitäten und Theorien vertraute Autorin geworden ist, die Ankunft in der Schweiz und die Erfahrungen der ersten Jahre in einem Guss zu schildern. Es geht nur in gebrochenen Stücken, Szenen und Skizzen.

Zum Programm des Sprachkurses gehört die Warnung vor Urlaubsreisen in "schlampige Länder", weil man dort schnell einmal die Tugenden der Schweiz verliert, laut wird, zu viel Geld ausgibt und schließlich "erschrocken über sich selbst" zurückkehrt. Im Hinterhof füttert die Jugendliche ein Kätzchen, das genauso heimatlos ist wie sie. "Katzen füttern verboten" steht nach wenigen Tagen auf einem Schild, diese "gehören jemandem oder ins Tierheim". Es geht um eine Abtreibung der Freundin Mara - im Ausland. Lob bekamen die beiden Jugendlichen, wenn sie Deutschland kritisierten.

Neben den Reminiszenzen aus der eigenen Existenz schildert Irena Brezná Beobachtungen aus ihrem Alltag als Dolmetscherin. Es sind Geschichten beim Psychiater, vor Gericht, auf Ämtern, von Schweizern und Ausländern. Nur im Krankenhaus wird die Angst vor Körperkontakt überwunden. Es ist ein "Land im Land", in dem "lockere Sitten" herrschten, ein "Schlaraffenland" mit hoch entwickelter "Behindertenpädagogik": "Den Todgeweihten ging es am besten, sie wurden auch am Kopf gestreichelt." Nach drei Tagen wurde die Tschechin im helvetischen Exil aus diesem Paradies im Paradies vertrieben und hatte Entzugserscheinungen.

Mit scharfen Strichen skizziert die Schriftstellerin das Klima in der Schweiz. Sie ist eine Augenzeugin, deren genauer Blick von den Unterschiedenen zusätzlich geschärft wird, und die es versteht, diese Szenen mit packenden Sätzen aus der Tiefe der Erinnerung herauszuholen. Jeglichen theoretischen Systemvergleich versagt sie sich. Aber die Erfahrung der Demokratie auf der Flucht vor den Besatzern aus den Bruderländern stellt den Leser unweigerlich vor die Frage, welche der beiden Gesellschaften im Kalten Krieg letztlich die totalitärere war. Die Schweizer hatten den Staat im Kopf, und gegen die Ideologisierung waren sie weniger immunisiert als die Bürger eines kommunistischen Staats, die ihr Land zumindest als Feind behandeln durften.

Die Kraft ihrer jugendlichen Revolte, die sie vor jeder Überanpassung bewahrte, mündete in eine permanente Auseinandersetzung mit dem neuen Land. Die Kritik an ihm beschränkt "Die undankbare Fremde" auf die ironische Brechung der Ansprüche des Paradieses an seine politischen Flüchtlinge - aber ohne sich auszunehmen: "Ihrer Zwangsneurose stellte ich meine Hysterie entgegen. Zu jung war ich für dieses erwachsene, vernünftige Land. Meine Versuche, es zur wilden Liebe herauszufordern, schlugen fehl."

Vierzig Jahre Erfahrung als weltoffene Reporterin und Schriftstellerin vermitteln der literarischen Aufarbeitung ein starkes Profil. Das Buch lebt von der sprachlichen Genauigkeit und dem klaren Blick. Die Frauen der Migration haben die Schweizer Literatur bereichert, vielleicht sogar erneuert. Neben Ilma Rakus und Melinda Nadj Abonji schreibt auch Irena Brezná in der höchsten Liga. In seiner Dramaturgie ist ihr Essay eher langweilig angelegt, doch aus seinen zusammenhanglosen Szenen, die sich ungemein spannend lesen, ergibt sich ein differenziertes Porträt der Schweiz. Das Puzzle entpuppt sich als großes Fresko.

JÜRG ALTWEGG

Irena Brezná: "Die undankbare Fremde". Roman.

Verlag Galiani, Berlin 2012. 144 S., geb., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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