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Die Jüdin Lillian Leyb ist Mitte zwanzig, als sie ihren russischen Heimatort nach einem schrecklichen Massaker verlässt, um in Amerika Fuß zu fassen. Die Lower East Side in New York wird zu ihrem neuen Zuhause, und das Schicksal scheint es gut mit ihr zu meinen - bis sie erfährt, dass ihre totgeglaubte Tochter vielleicht noch am Leben ist.Als Lillian 1924 in New York ankommt, weiß sie eines ganz genau: Sie will es schaffen in diesem großen, neuen, verheißungsvollen Land. Schon bald hat sie nicht nur eine Arbeit als Näherin, sondern auch einen vermögenden Liebhaber. Ihr Aufstieg scheint…mehr

Produktbeschreibung
Die Jüdin Lillian Leyb ist Mitte zwanzig, als sie ihren russischen Heimatort nach einem schrecklichen Massaker verlässt, um in Amerika Fuß zu fassen. Die Lower East Side in New York wird zu ihrem neuen Zuhause, und das Schicksal scheint es gut mit ihr zu meinen - bis sie erfährt, dass ihre totgeglaubte Tochter vielleicht noch am Leben ist.Als Lillian 1924 in New York ankommt, weiß sie eines ganz genau: Sie will es schaffen in diesem großen, neuen, verheißungsvollen Land. Schon bald hat sie nicht nur eine Arbeit als Näherin, sondern auch einen vermögenden Liebhaber. Ihr Aufstieg scheint unaufhaltsam, bis eines Tage eine Verwandte vor ihrer Tür steht und behauptet, Lillians Tochter habe das Massaker in Russland überlebt und sei möglicherweise nach Sibirien gebracht worden. Von da an gibt es für Lillian kein Halten mehr. Wider alle Vernunft verlässt sie New York und macht sich völlig mittellos auf eine abenteuerliche Reise. Quer durch Nordamerika, entlang dem legendären Yukon Telegraph Trail, reist sie unbeirrt ihrem Ziel, Sibirien, entgegen.

"Mit seiner Mischung aus lebhaften Charakteren, detailreichen Beschreibungen und poetischer Sprache weckt dieser Roman eine Lesefreude, wie es nur guter Literatur gelingt." Los Angeles Times
Autorenporträt
Adelheid Dormagen, geboren in Madrid, lebt in Frankfurt am Main. Sie übersetzte u.a. Bücher von Doris Lessing, Jane Bowles, Michael Ondaatje, David Malouf und Virginia Woolf.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2008

Wo gehst du hin, my lovely?

Ziellos wie das Leben: In Amy Blooms Roman begibt sich eine rätselhafte Frau auf eine noch rätselhaftere Reise, liebt viele Männer, tötet andere und findet das Glück.

Am Ende ihres Buches merkt die Autorin an, dass es sich um ein reines Werk der Fiktion handelt. Dieser Hinweis wäre nicht nötig gewesen. Denn erstens steht auf dem Buchdeckel das Wörtchen "Roman", und zweitens hält das Leben bei allen Wechselfällen selten eine solche Dichte von Scheinschwangerschaften, verwaisten Kindern, Schneestürmen und Raubmorden bereit. Der Roman der amerikanischen Autorin Amy Bloom lockt mit Sensationen, erhebt aber gleichzeitig den Anspruch, große Erzähltraditionen fortzuschreiben.

Die Heldin dieses Buches ist ein eigensinniges, vom Leben hart geprüftes jüdisches Mädchen, das 1924 aus der russischen Heimat nach New York flieht. Dort bewegt sich Lillian Leyb im Immigrantenmilieu und verschafft sich mit unbedingtem Durchsetzungswillen eine Arbeit als Näherin am Goldfadn Theatre. Schon bald wird sie vom Star des Hauses entdeckt und trägt keinerlei Bedenken, zur Doppelgeliebten des Schauspielers und seines vitalen Vaters zu werden. Der Intendant des Theaters zieht sie in der Wohnung des Sohnes mit jiddischen Koseworten an die Brust, und Lillian erweist sich moralisch als biegsam genug, um auf diese Weise ihren Platz in der Neuen Welt zu behaupten. Sie liegt im Negligé auf burgunderroten Kissen, aber das ist nur die eine Seite. Öffnet sich der Morgenmantel, sieht man eine Narbe, die quer über ihren Körper läuft.

Eingestreute Rückwendungen erzählen von einem Pogrom, dem Vater, Mutter, Mann und Kind in der russischen Heimat zum Opfer gefallen sind. Sie schildern den Tag, an dem Nachbarn über die jüdischen Familien herfielen und der Protagonistin die Bilder von abgehackten Händen, einer Axt im Nacken, einem hilflos fliehenden Kind einbrannten. Die Schilderungen des Schreckens schwimmen im Blut. Amy Bloom ist keine Freundin der Andeutung und Aussparung, und den Leser beschleicht die Angst, sie würde das Ungeheuerliche für die Wirkung ihrer Geschichte nutzen. Neben diesem Unbehagen irritiert auch die Erschütterung der Hauptfigur. Sie bleibt merkwürdig oberflächlich, so wie die Träume, die Lillian heimsuchen - immer in der Farbe Rot und mit einem lauten Aufschrei am Ende. Das erfahrene Leid macht aus ihr keinen komplexen Charakter, sondern bleibt ein Sediment am Grunde der Person, die wir mit einem sommerlichen Eis durch den Central Park spazieren sehen.

Eines Tages erreicht diese Frau das Gerücht, ihre verlorene Tochter sei gar nicht tot, sondern nur nach Sibirien verschleppt. Sofort verlässt sie New York und macht sich zu Fuß, mit dem Zug und Schiff auf den Weg durch Kanada und Alaska, um über die Beringstraße nach Russland zu gelangen. Dabei bekommt der Leser einiges geboten: Roadmovie, Abenteuerroman, Liebesgeschichte, mythologische Welten und die Weite der Natur, ein Gang zu den Grenzen des eigenen Selbst. Diese Vielfalt wird aber vom melodramatischen Hang der Autorin verdeckt, der sie fortwährend spektakuläre Ereignisse aneinanderreihen und emotional aufladen lässt. So steckt die Heldin bereits im ersten Teil der Reise als blinde Passagierin im Wandschrank einer Eisenbahn. In die stundenlange Dunkelheit der Kammer dringen Gerüche und Geräusche der Reisenden und der Bahnhöfe. Das ist ästhetisch reizvoll, muss aber durch eine Szene gesteigert werden, in der die Heldin den Schaffner mit Sex bezahlt. Das widrige Leben zwingt sie oft, sich zu verkaufen - schon damit der Leser alle zwanzig Seiten lustvoll erschaudern kann.

Dazu hat er auch Gelegenheit, als die junge Frau den Bahnhof in Seattle durch den falschen Ausgang verlässt. Sie landet im dunkelsten Viertel der Stadt und liegt niedergestreckt in der Gosse, bis eine aparte Prostituierte sie rettet und als Mädchen für alles engagiert. Wir erleben an der Seite der weißen Heldin ein schwarzes Milieu, dessen Abende in zwielichtigen Bars wenige Überraschungen bieten. Als es Ärger mit dem Zuhälter gibt, ist schon zur Hälfte des Handlungsstranges klar, wie das alles enden wird: Mord und Totschlag, die Frauen fliehen und Amy Bloom lässt das weitere Leben der schwarzen Schönen mit einem Blick in die Zukunft am Leser vorüberziehen. Fast alle Nebenfiguren werden mit einem solchen Blick bedacht, denn sie sind nicht nur Begleiter auf Lillians Weg, sondern ihre durchweg ungewöhnlichen Schicksale sollen das Buch zu einem Panorama weiten.

Die Sehnsucht treibt die Protagonistin durch die Welt, zuletzt in die Wildnis, in der schon viele amerikanische Helden zu sich gefunden haben. Mit einer Maultierkarawane reist sie am Yukon entlang des berühmten Telegraph Trail. Später sehen wir sie ganz allein in einem schäbigen Mantel durch die Einsamkeit stapfen. Beim Anblick der gewaltigen Natur kommt Lillian ins Nachdenken und zu dem Schluss, dass sie an keinen Gott glaubt, aber an die Gier, die den Menschen beherrscht, an seine Angst und seinen Willen. Worin der ihre besteht, wird dem Leser im Laufe der Geschichte immer rätselhafter. Will sie wirklich zu ihrem Kind? Flieht sie vor der Vergangenheit oder sucht sie ein neues Leben? Fest steht, dass sie in einer Blockhütte ihre große Liebe findet; ihr Antrieb bleibt jedoch im Dunkeln. Der Roman signalisiert mit dieser Offenheit, dass er mehr sein möchte als die wilde Story, die er dem Leser über weite Strecken der Reise bietet.

SANDRA KERSCHBAUMER

Amy Bloom: "Die unglaubliche Reise der Lillian Leyb". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Adelheid Dormagen. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008. 320 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Verhalten äußert sich Sandra Kerschbaumer über diesen Roman von Amy Bloom. Ziemlich "wild" scheint ihr die Story um eine jüdische Frau, die bei einem Pogrom in der russischen Heimat ihre Familie verloren hat und in New York erfährt, dass ihre Tochter in Sibirien noch am Leben sein soll, woraufhin sie sich auf eine lange Reise begibt. Die Schilderungen der schrecklichen Erlebnisse fallen nach Kerschbaumers Ansicht übertrieben blutig aus, was bei ihr ein Gefühl des Unbehagens auslöst. Auch dass die Hauptfigur trotz des erfahrenen Leids kein "komplexer Charakter" wird, findet sie irritierend. Sie konstatiert Blooms Anspruch, große Erzähltraditionen fortzusetzen. Allerdings stellt sich die Autorin ihres Erachtens selbst ein Bein, trägt sie für Kerschbaumers Geschmack doch viel zu dick auf. Überfülle von spektakulären, hochemotionalen Ereignisse und "melodramatischer Hang" aber machen noch keinen großen Roman.

© Perlentaucher Medien GmbH