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Universitäten sind mehr als Einrichtungen für Bildung und Forschung. Gesellschaftspolitisch tragen sie auch Verantwortung für die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und sozialinklusiven Strukturen. Aktuelle Hochschulreformen haben den Universitätsleitungen mehr Gestaltungsmacht verliehen. Dennoch kommt die Gleichstellung nur schleppend voran, und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen reichen nicht aus, um Universitäten nachhaltig sozial und kulturell zu öffnen. Gründe dafür sind neben etablierten Machtstrukturen die im Rahmen wissenschaftspolitischer und hochschulreformerischer Anstrengungen…mehr

Produktbeschreibung
Universitäten sind mehr als Einrichtungen für Bildung und Forschung. Gesellschaftspolitisch tragen sie auch Verantwortung für die Förderung von sozialer Gerechtigkeit und sozialinklusiven Strukturen. Aktuelle Hochschulreformen haben den Universitätsleitungen mehr Gestaltungsmacht verliehen. Dennoch kommt die Gleichstellung nur schleppend voran, und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen reichen nicht aus, um Universitäten nachhaltig sozial und kulturell zu öffnen. Gründe dafür sind neben etablierten Machtstrukturen die im Rahmen wissenschaftspolitischer und hochschulreformerischer Anstrengungen vorangetriebenen Entwicklungen wie Exzellenzpolitiken, Wettbewerbsorientierung und die Deregulierung von Beschäftigung. Diese Entwicklungen tragen zu einer Zuspitzung des Kampfs um gute Arbeit und berufliche Perspektiven an Universitäten bei. Hierbei sind wieder jene Gruppen im Nachteil, die seit jeher deutlich unterrepräsentiert waren. Das Buch nimmt auf diese Entwicklungen Bezug und führt in aktuelle hochschulbezogene Debatten zu Sexismus, Klassismus und Rassismus ein.
Autorenporträt
Sabine Hark lehrt Gender Studies an der Technischen Universität Berlin und leitet dort das Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2023

Na dann, viel Erfolg mit der wissenschaftlichen Karriere
Hier herrscht das Gleichstellungsparadox: Sabine Hark und Johanna Hofbauer analysieren, warum es an Universitäten oft so ungerecht zugeht

Die Tatsache, dass Universitäten mit der Differenz zwischen Lernenden und Lehrenden nicht nur umgehen müssen, sondern diese selbst in ihrem Alltag mit hervorbringen, dürfte auf den ersten Blick nicht zu größerer Verwunderung führen. Der Selektionsmechanismus, der die Unterschiede im Inneren wissenschaftlicher Einrichtungen dabei im Idealfall hervorbrächte, wäre ein solcher, der sich an der Überzeugungskraft des besseren Arguments und der klügeren Idee orientierte. Dass es sich bei diesem Bild einer gänzlich aus meritokratischen Prinzipien erlesenen Scientific Community nun jedoch nicht um die universitäre Wirklichkeit der Gegenwart handelt, kann wohl auch wenig Erstaunen provozieren, sehen sich doch die je individuellen Voraussetzungen und Chancen, an dieser wissenschaftsinternen Bestenauslese teilzunehmen, einer ebenso ungleichen Verteilung ausgesetzt.

Bildungsinstitutionen - das gilt für die Schule in gleichem Maße wie für die Universität - wollen ihrem eigenen Selbstverständnis und Anspruch nach an den nicht nur ungleichen, sondern vielfach eben auch ungerechten Selektions- und Ausschlussverfahren sozialer Stratifizierung nicht teilhaben, sie nicht nachahmen und reproduzieren, sie stattdessen im besten Falle sogar außer Kraft setzen. Doch die heutige Universität verhält sich gesellschaftlichen Diskriminierungsformen gegenüber nicht lediglich indifferent, sie arbeitet ihnen zu, verstärkt sie und bringt sie dadurch nochmals neu hervor. Das zumindest ist die These, die eine jüngst erschienene Streitschrift von Sabine Hark und Johanna Hofbauer antreibt. Die Universität in diesem Verständnis erscheint als eine "ungleichheitsgenerierende Institution".

Für die Fortdauer solcher Ungleichheiten werden jenseits historisch bedingter Ausschlüsse vor allem zwei gegenwärtige Entwicklungen identifiziert. Zum einen die anhaltende Ökonomisierung universitärer Bildung, die Durchsetzung des "Prinzip[s] Wettbewerb" als "zunehmender Modus hochschulischer Transformation", der nach innen und nach außen entsichernd wirke. Zum andern die in den vergangenen Monaten vom akademischen Mittelbau öffentlich skandalisierte Befristungspraxis im deutschsprachigen Hochschulwesen.

Auch wenn andere Phänomene hier und da gestreift werden (was wird gelesen, oder wem steht welches Visum zu?), interessieren sich die Autoren vor allem für die Universität in ihrer Rolle als Arbeitgeberin in Deutschland und Österreich, die eine wissenschaftliche Karriere für einige wenige ermöglicht. An diesen Stellen schafft der Text einen überzeugenden Anschluss an die wissenschaftspolitischen Debatten der vergangenen Monate: Von den durch die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen erzeugten Risiken, Ängsten und Unsicherheiten sind nicht alle gleichermaßen betroffen.

Als "Gleichstellungsparadox" umschreiben Hark und Hofbauer den Umstand, dass etliche Universitäten die Bekämpfung solcher Ungleichheiten längst auf die eigene Agenda geschrieben haben, ein Bewusstsein für die Problemlage aufseiten der Hochschulen daher nur schwer geleugnet werden kann. Woran es eben nicht mangelt sind Stellungnahmen von Universitätsleitungen, Lage- und Tätigkeitsberichte beständig neu eingerichteter Diversity-Stellen, geduldige Selbstverpflichtungen sowie, so lässt sich mit Blick auf das nicht gerade knappe Literaturverzeichnis des schmalen Bandes ergänzen, empirische Forschung zum Thema.

Dieser Analyse gegenüber eher widersprüchlich wirkt die Forderung nach noch "mehr und bessere[n] Analysen" zu den durch Rassismus, Sexismus oder soziale Herkunft erzeugten Ungleichbehandlungen an der Hochschule, wird doch damit gerade die Wiederholung jenes "gleichstellungspolitisch paradoxe[n] Musters von Reden versus Tun" heraufbeschworen, auf das zuvor noch kritisch Bezug genommen wurde und das sich häufig in der "Erstellung von Schriftstücken" erschöpft.

Welche konkreten und genuin universitären - im Chemielabor sicherlich andere als im geisteswissenschaftlichen Kolloquium - Praktiken zukünftig auf dem Weg hin zu einer inklusiveren Institution eine Veränderung erfahren könnten, hätte an vielen Stellen noch stärker fokussiert werden können, da die häufig bemühten herrschaftskritischen Großbegriffe den Eigensinn der behaupteten akademischen Ausschlussmechanismen manchmal eher verdecken als näher erhellen.

Die so aufgeworfene und kurz zum Ende hin gestreifte Frage danach, "wie die Universität zu retten ist", wird von Hark und Hofbauer dann weitestgehend unbeantwortet gelassen. Aus der Allgemeinheit, in der abschließend an die institutionelle Reform der "politischen und rechtlichen, aber auch [...] sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen" appelliert und auf die Veränderung der subjektiven "Überzeugungen und Einstellungen der Einzelnen in Bezug auf die Unter- oder Überlegenheit anderer" gehofft wird, spricht wohl eher die Unklarheit, an welchen politischen Adressaten die ja zu Recht formulierte Forderung nach einer "Universität der vielen" sich richten soll. TOBIAS SCHWEITZER

Sabine Hark und Johanna Hofbauer: "Die ungleiche Universität". Diversität, Exzellenz und Anti-Diskriminierung.

Passagen Verlag, Wien 2023. 176 S., br., 23,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Universität ist ein ungleicher Raum, sie verstärkt Diskriminierungsformen und arbeitet ihnen zu, resümiert Rezensent Tobias Schweitzer die Hauptthese von Sabine Harks und Johanna Hofbauers Streitschrift über den heutigen Universitätsbetrieb. Dafür machen die Autorinnen laut Schweitzer besonders die "Ökonomisierung universitärer Bildung" und die Befristungspraxis im deutschsprachigen Hochschulwesen verantwortlich. Gleichzeitig schreiben sich die Universitäten Gleichstellung auf die Fahnen und richten "Diversity-Stellen" ein - bringt nur nichts, lernt der Rezensent anhand der nicht zu knapp zitierten empirischer Forschung. Enttäuscht zeigt er sich, wenn die Autorinnen die Hochschulen auffordern, sich einfach noch intensiver mit Diskriminierung auseinanderzusetzen - als Lösung der angesprochenen Probleme erscheint das Schweitzer zu simpel. An wen sich das Buch überhaupt richtet - Politik oder Hochschule - ist für Schweitzer auch nicht so ganz klar.

© Perlentaucher Medien GmbH