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Robert Warshow (1917 1955), Essayist, (Film-) Kritiker und Kulturtheoretiker, ist beinahe vergessen. Er lebte in New York und schrieb über Film und Massenkultur für "Commentary" und "The Partisan Review". Geprägt von den intellektuellen Debatten und ideologischen Gräben der Dreißiger, den Auseinandersetzungen zwischen den kommunistischen Volksfront-Bewegungen und der Reaktion der McCarthy-Ära, publizierte er als antikommunistischer Linker in den Vierzigern und Fünfzigern im Zweifrontenkrieg gegen den Sta li nis mus und McCarthyismus. Gemeinsamer Bezugspunkt der thematisch breitgefächerten…mehr

Produktbeschreibung
Robert Warshow (1917 1955), Essayist, (Film-) Kritiker und Kulturtheoretiker, ist beinahe vergessen. Er lebte in New York und schrieb über Film und Massenkultur für "Commentary" und "The Partisan Review". Geprägt von den intellektuellen Debatten und ideologischen Gräben der Dreißiger, den Auseinandersetzungen zwischen den kommunistischen Volksfront-Bewegungen und der Reaktion der McCarthy-Ära, publizierte er als antikommunistischer Linker in den Vierzigern und Fünfzigern im Zweifrontenkrieg gegen den Sta li nis mus und McCarthyismus. Gemeinsamer Bezugspunkt der thematisch breitgefächerten Texte zu Film (vornehmlich Gangsterfilm und Western), Massenkulturphänomenen wie Co mics, Theater und Literatur dieses außerordentlichen kritischen Temperamentes ist sein Festhalten an der "unmittelbaren Erfahrung" als Korrektiv ideologischer Verirrungen und in te gra ler Bestandteil der Kritik.Die vorliegende Anthologie vereinigt alle Film-Texte Warshows sowie weitere Essays, die er zu einer Reihe verwandter Aspekte der Populärkultur in Amerika geschrieben hat.David Denby zur amerikanischen Neuausgabe [2002] (der die deutsche Übersetzung folgt):"Auf Grundlage von genau elf [ ] kritischen Essays über den Film wird [ ] Robert Warshow seit langem zu den besten amerikanischen Film kritikern aller Zeiten gezählt. Ich habe nicht die geringste Schwierigkeit, ihn in jenen kleinen journalistischen Pantheon zu heben, zu dem Gilbert Seldes, Otis Ferguson, James Agee, Mann Farber, Pauline Kael und Andrew Sarris gehören. Sieben Jahre nach Warshows Tod wurden die elf Texte zusammen mit seinen Ar tikeln über Literatur, Theater, Comics und linke Kul tur in dem Band "The Immediate Experience" zusammengefasst. [ ]: Selten wurde je mand, der so wenig geschrieben hat, so oft zitiert und in Anthologien aufgenommen. Die vorliegende Ausgabe ergänzt den ursprüngli chen Text um acht bisher nicht enthaltene Buch besprechungen. Hinzugekommen sind da mit ein bewegender Artikel von Warshow über Kafkas Tagebücher, bissige Bemerkungen über Gertrude Stein und Ernest Hemingway so wie mit einem Stück über Scholem Aleichem eine kurze, aber enorm nützliche Definition von jü dischem Humor. Die Lektüre wird zeigen, dass Warshow erfundene Geschichten liebte, selbst ganz schlichte: die schmerzlichen Zusammenstöße von Chaplins Tramp mit der Gesellschaft um ihn he rum, die herrlich redundanten Abenteuer von Krazy Kat, die unterschwellig moralischen Grundzüge der Western und Gangster-Filme. Doch Warshows Vorliebe für Fabeln allgemein seine Liebe zu Filmen war einer historisch schwer belasteten Vorgeschichte ab ge run gen [und] verband sich mit jener düsteren Grundstimmung, die viele amerikanische Intellektuelle in den 40er und 50er Jahren teilten. War show und seine Kollegen hatten die Vernichtung der europäischen Juden erlebt und den mörderischen Verrat am Idealismus durch die Sowjetunion. Vielleicht konnte die Illusion nur von einem Autor in der Mitte des Jahrhunderts auf so kraftvoll desillusionierte Weise ge feiert werden.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Was sucht der Kritiker im Kino?
Unkonventionell und überraschend: Ein Band mit Texten von Robert Warshow lässt die Welt der "New York Intellectuals" in den Nachkriegsjahren wiederaufleben

Ein Mann sieht einen Film, und der Kritiker muss anerkennen, dass er dieser Mann ist." Mit diesem schlichten Satz hat Robert Warshow zu seiner Zeit an seinem Platz - New York, Mitte der fünfziger Jahre - für Aufsehen gesorgt und sich einen Namen gemacht; einen Namen, der allerdings längst verblasst ist. Das hat den kleinen Verlag Vorwerk 8 nicht davon abgehalten, seine Filmkritiken und Essays zur Populärkultur in einer anderen Zeit und an einem anderen Platz zu publizieren, in der und an dem diese Textsammlung fremd, wenn nicht seltsam wirken kann.

Warshow (1917 bis 1955) gehörte zu den "New York Intellectuals", einem losen Zirkel von Intellektuellen, die sich um die Zeitschriften "Partisan Review", "Commentary" und "Dissent" gruppierten. Einen Kreis bildeten sie deshalb, weil sie sich aufeinander bezogen - mal freundlich, mal feindlich, in jedem Fall mit Leidenschaft und Verve wie in einer Familie. Meist handelte es sich um die rebellischen Söhne und Töchter jüdischer Einwanderer, die sich zum Kommunismus hingezogen fühlten. In der kulturellen Arena waren sie avantgardistische Modernisten, in der politischen revolutionäre Gegner Stalins, in der Regel Trotzkisten. Nach dem Weltkrieg mutierten die einstigen Berufspartisanen und -dissidenten unter dem Eindruck des Kalten Krieges, ihrer Feindschaft zur Sowjetunion und eines McCarthy zu Hause zu einem mehr oder weniger liberalen Antikommunismus. Und aus ihren Reihen entwuchsen in den siebziger Jahren die berühmten "Neocons", kaum minder radikal als die jugendlichen Kommunisten.

Zu dieser Herde von unabhängigen Denkern gehörte als Redakteur der Zeitschrift "Commentary" jener Robert Warshow. Den Satz über den Kritiker, der anerkennen müsse, dass er ein Zuschauer ist, der nicht nur Zensuren über ein Kunstwerk erteilt, sondern von dem Film, den er schaut, in Bann gezogen ist und darüber schreiben sollte, stand quer zur damaligen Filmästhetik und Filmsoziologie. Die seriöse Filmkritik wollte entweder die Ebenbürtigkeit des Films mit den älteren Künsten unter Beweis stellen; dabei versuchte sie, einen klaren Begriff des Filmischen zu entwickeln. Oder sie hoffte, über das Medium Film sozialpsychologische Einsichten zu gewinnen; da zwischen dem Kino und dem gesellschaftlichen Leben direkte Verbindungen bestehen, konnten sich in Filmen soziale Umstände spiegeln, etwa "Tagträume der Gesellschaft" (Kracauer).

Der ästhetische Kritiker sagte: Ich sehe mir nicht Filme an, sondern Kunst. Der soziologische Kritiker sagte: Nicht ich gehe ins Kino, sondern das Publikum. Was sowohl bei Ästhetik als auch bei der Soziologie auf der Strecke blieb, war jene "unmittelbare Erfahrung", die dem Band von Warshows Essays den Namen gibt. "Es ist die eigentliche, die unmittelbare Erfahrung, Filme genauso zu sehen und auf sie zu reagieren, wie es die meisten von uns tun. Im Zentrum jeder wirklich gelungenen Kritik steht immer ein bestimmter Mann, der ein Buch liest, der ein Bild betrachtet, der sich einen Film ansieht." Filmeschauen war für Warshow wie Fischen, Trinken und Baseballspielen; und er plädierte dafür, "diesen ganzen Unsinn ernst zu nehmen".

In diesem Insistieren auf "Erfahrung" und in seinem un-, ja antiakademischen Habitus erinnert Warshow an Walter Benjamin, der den Erfahrungsverlust als zentrales Moment der modernen Gesellschaft ausgemacht hat. Obwohl Warshow Benjamin vermutlich nicht gekannt und sicher nicht gelesen hat, denn dessen Schriften wurden erst nach Warshows frühem und plötzlichem Tod neu aufgelegt. "Erfahrung" war offenbar ein Zauberwort, das Intellektuelle in den dreißiger und vierziger Jahren sowohl in Berlin als auch in Paris und New York gern beschworen.

Freilich sind es andere Ingredienzen, die für Warshow jenen Mangel an Erfahrung verursachen. Seine Verlustgeschichte beleuchtet ebenjene New Yorker Szene und die Probleme, die sie umtrieb. Erfahrungsverlust bedeutete für ihn Entfremdung von der Wirklichkeit, und damit meinte er die stalinistischen Kommunisten in Amerika, die ihre Urteilsfähigkeit zugunsten einer Parteiwahrheit, einer "organisierten Unaufrichtigkeit" aufgaben; und er hatte die Massenkultur im Auge, welche die Dinge vereinfache und unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit steuere. Beides zusammen, "stalinistische Massenkultur", sei das Erbe der dreißiger Jahre.

Neben solchen Einblicken in das versunkene Milieu der New York Intellectuals (unter anderem eine heute unheimlich anmutende Kritik der in der Todeszelle sitzenden Spione Ethel und Julius Rosenberg) bietet der Band geistreiche und humorige Essays über den amerikanischen Film, vor allem über den Gangster und den Westernhelden als tragische Figuren des modernen Lebens in Amerika. Höhepunkt sind sicherlich Warshows Texte über Charles Chaplin - im Rampenlicht dabei der Tramp und die Herren Verdoux und Calvero. Und natürlich das Publikum und der Kritiker, der die Filme sieht und den armen, liebenswerten Charlie liebt, ohne von ihm geliebt zu werden. Lesenswert sind auch Warshows Betrachtungen zum europäischen Kunstfilm und seine Reflexionen über das Judentum, nachdem es gerade beinahe vernichtet worden war.

Ein Kritiker liest ein Buch, dieser Kritiker bin ich, und meine unmittelbare Erfahrung ist ein Staunen; ein Staunen über ein fremdes, nicht mehr existierendes intellektuelles Milieu; über einen ungewohnten frischen Ton, der sofort Aufmerksamkeit weckt und jede Langeweile im Keim erstickt, und über Texte, die ein ambivalentes Lesevergnügen bieten: Denn neben aufregenden unkonventionellen Sätzen stehen immer wieder Passagen, denen man es auf den ersten Blick anmerkt, dass sie Übersetzungen sind. Dem Lektorat - so sich der kleine Verlag eines leisten konnte - sind zudem etwas zu viele Fehler durch die Lappen gegangen. Die ungewöhnliche Gestaltung weiß dagegen zu gefallen. Diese Textsammlung ist eine schöne Überraschung, ein Aufblitzen aus einer versunkenen intellektuellen Welt.

JÖRG SPÄTER

Robert Warshow: "Die unmittelbare Erfahrung". Filme, Comics, Theater und andere Aspekte der Populärkultur.

Aus dem Amerikanischen von Thekla Dannenberg. Vorwerk 8 Verlag, Berlin 2014. 256 S., br., 24,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Fritz Göttler freut sich über die gesammelten Texte des großen amerikanischen Filmkritikers Robert Warshow. Hier erfährt er, was der Autor großer Standard-Essays etwa über den Gangster, zu Chaplin, Kafka, zu Krazy Kat oder zum russischen Stummfilm zu sagen hat. Laut Göttler ist das ausnahmslos inspirierend, weil der Autor Film zuallererst als Mensch betrachtet, nicht als Kritiker, und darin reine Kultur erblickt, ähnlich wie Fischen oder Baseball. Nichts Geringeres als die Geburt der Moderne erlebt Göttler in diesen Texten.

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