An die unmenschliche Situation, in die Salman Rushdie nach Erscheinen seines Romans "Die Satanischen Verse" geriet, kann gar nicht oft genug erinnert werden; gleichwohl ist es betrüblich, daß durch jene Vorgänge Rushdies literarisches Schaffen etwas aus dem Blick geriet. Der Mordaufruf des Teheraner Terror-Regimes zielte nicht nur auf Rushdies Person, sondern war gleichzeitig der Versuch, auf abscheuliche Weise die Lektüre der Satanischen Verse zu verhindern, und deswegen sollte es das Mindestmaß an ausgleichender Gerechtigkeit sein, daß wir Rushdies Werk lesen - dazu sollen die Beiträge dieser Winterbroschur anregen. Nicht herum kommen wir dabei um Rushdies Zentralbegriff, nämlich den der Migration. Unter Migration im engeren Sinne versteht der im multikulturellen Bombay geborene, dort und in Pakistan aufgewachsene Brite Rushdie den Verlust der Heimat und die Versetzung in einen fremden Sprachraum und unter Menschen mit fremden Sozialnormen, im weiteren Sinne aber auch andere Formen der Vermengung verschiedener Welten: auch die Wanderschaft zwischen Traum und Realität, zwischen Physis und Phantasie. Den kulturellen und politischen Sachverhalt der Migration verlängert Rushdie überaus fruchtbar in den Bereich des Ästhetischen, wo er das Ziel des radikalen Infragestellens, Umformens, Neuschaffens durch Grenzüberschreitung anvisiert. Aber mit diesem Konzept ist Rushdie nicht allein. Ähnlichkeiten bis in konkrete Formulierungen hinein lassen sich im Werk seines spanischen Kollegen Juan Goytisolo ausmachen, der deshalb im Schlußbeitrag des Bandes anhand ausgewählter Bücher vorgestellt wird.
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