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Die beiden Hauptkontrahenten des Kalten Krieges in Berlin, CIA-Chef David Murphy und sein Gegenspieler vom KGB, Sergej Kondraschow, haben sich zusammengesetzt und die dramatische Spionagegeschichte jener Jahre rekonstruiert. Die Geheimdienste der Amerikaner und Sowjets bekämpften sich mit allen Mitteln der Spionage und Gegenspionage. Hier erfährt der Leser aus erster Hand, wie alles wirklich gewesen ist.

Produktbeschreibung
Die beiden Hauptkontrahenten des Kalten Krieges in Berlin, CIA-Chef David Murphy und sein Gegenspieler vom KGB, Sergej Kondraschow, haben sich zusammengesetzt und die dramatische Spionagegeschichte jener Jahre rekonstruiert. Die Geheimdienste der Amerikaner und Sowjets bekämpften sich mit allen Mitteln der Spionage und Gegenspionage. Hier erfährt der Leser aus erster Hand, wie alles wirklich gewesen ist.
Autorenporträt
George Bailey, geb. 1919, nahm als U.S.-Dolmetscher an den deutschen Kapitulationsverhandlungen teil. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Journalist und Buchautor u.a. in Berlin und München. Zuletzt leitete er Radio Liberty, das die Bürger der Sowjetunion mit Nachrichten versorgte. Er schrieb u.a. eine Biographie Andrej Sacharows.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.1997

Berlin im Kalten Krieg
Drei Veteranen der Geheimdienste erinnern sich

George Bailey/Sergej A. Kondraschow/ David E. Murphy: Die unsichtbare Front. Der Krieg der Geheimdienste im geteilten Berlin. PropyläenVerlag, Berlin 1997. 589 Seiten, 16 Seiten Abbildungen, 58,- Mark.

Als in den frühen Morgenstunden des 22. April 1956 KGB-Offiziere in den 450 Meter langen Spionagetunnel eindrangen, den der amerikanische Geheimdienst CIA in Zusammenarbeit mit dem britischen SIS unter der Berliner Sektorengrenze von Neukölln nach Treptow getrieben hatte, war eine sich über Jahre erstreckende Geheimdienstoperation beendet. Genau elf Monate und elf Tage lang waren unterirdische Telefonkabel der Sowjetarmee angezapft und abgehört worden.

Was wie ein Überraschungscoup schien, war sorgfältig vorbereitet: Durch George Blake, ihren "Maulwurf" im SIS, waren die Sowjets seit Oktober 1953 von den Plänen zum Tunnelbau ebenso informiert wie später über seinen Bau, der im Februar 1955 fertig war. Um ihre "Spitzenquelle" nicht durch Rückschlüsse auf die Herkunft der Information zu gefährden, hatten die Russen vorläufig auf Gegenoperationen verzichtet und bewußt in Kauf genommen, daß ein Teil ihres Fernsprechverkehrs abgehört wurde. Als die Quelle nicht mehr gefährdet war, inszenierte das KGB nun die "zufällige Entdeckung" des Tunnels.

Die ausführliche Schilderung dieser Operation ist eines der spannendsten Kapitel in dem vorliegenden Buch, in dem das Gegeneinander der Geheimdienste im geteilten Berlin zwischen 1945 und 1961 nachgezeichnet wird. Seine Besonderheit beruht nicht nur darauf, daß es sich auf Akten und Analysen aus den geheimen Archiven von CIA und KGB stützen kann. Auch seine Autoren, Schlüsselfiguren aus der westöstlichen Spionage, lassen aufhorchen: Der heute sechsundsiebzigjährige David Murphy war von 1954 bis 1961 Chef der Berliner Operationsbasis der CIA und danach bis 1968 Leiter der Abteilung Sowjetunion im Hauptquartier des amerikanischen Geheimdienstes. Sein Gegenspieler Sergei Kondraschow, heute 74, blickt zurück auf eine Karriere als General im KGB, in dem er von 1955 bis 1957 sowie von 1963 bis 1967 die Deutschland-Abteilung der Auslandsaufklärung leitete. Und George Bailey, mit 78 der Älteste der drei, war im Krieg Verbindungsoffizier der US-Army zur Roten Armee. 1956 übernahm er Aufgaben als Journalist, zeitweilig als Leiter von Radio Liberty in München. Schon dieser Autoren wegen zieht das Buch, dessen amerikanische Originalausgabe Battleground Berlin von Ralf Friese ins Deutsche übersetzt wurde, Interesse auf sich.

Wer das Kompendium liest, wird nicht enttäuscht. Die Autoren führen zurück in die Zeit des Kalten Krieges, als Berlin zum schicksalhaften Brennpunkt des Ost-West-Konflikts wurde. Schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit ging der sowjetische Geheimdienst daran, seine Strukturen in der alten Reichshauptstadt aufzubauen. Als die westlichen Alliierten im Juli 1945 in die Vier-Sektoren-Stadt einrückten, waren die Russen bereits arbeitsfähig. Es dauerte seine Zeit, ehe auch die Gegenseite ihre Operationsbasis geschaffen hatte, ehe die alliierten Dienste ihre Aktivitäten aufnehmen konnten - von Kompetenzgerangel ganz zu schweigen. Erst die 1947 neugeschaffene CIA bekam die Berliner Operationsbasis der amerikanischen Nachrichtendienste fest in den Griff.

Auch der sowjetische Geheimdienst war nicht frei von Streit um Zuständigkeiten und Einfluß. Lange Zeit bot er ein verwirrendes Bild. Neben der Residentur des MGB, des Ministeriums für Staatssicherheit der UdSSR, in Berlin-Karlshorst und seinen Operativ-Sektoren in der SBZ existierte von 1947 bis 1951 dort eine Residentur des Komitees für Information (KI), eines geheimen Auslandsnachrichtendienstes des Moskauer Außenministeriums, die von Ost-Berlin und der SBZ aus ebenfalls operativ tätig war. Schließlich wurde das KI dem MGB - seit 1954 KGB - eingegliedert.

Die Autoren stellen ihre Darstellung in den Zusammenhang der Zeitgeschichte. Mit Recht heben sie hervor, wie sich die Berliner Blockade und der Koreakrieg verschärfend und verhärtend auf das Gegeneinander der Geheimdienste auszuwirken begannen - und wie sich die Gegensätze zusätzlich infolge des Widerstands der Bevölkerung in der SBZ/DDR gegen die aufkommende SED-Diktatur zuspitzten.

Institutionen wie die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) und der Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) rücken ins Blickfeld. Uneingeschränkt bestätigen die Autoren die amerikanischen Geldquellen, auf die sich beide Institutionen lange Zeit stützen konnten.

Die Charakterisierung des UFJ als ein Netzwerk, "das sowohl über Unrechtshandlungen des SED-Regimes berichtete als auch Beweise sammelte, aufgrund deren in einem künftigen nichtkommunistischen Deutschland Strafverfahren hätten eingeleitet werden können", trifft den Kern. Sachlich richtig sind auch Enthüllungen über zeitweilige, im UFJ selbst umstrittene Pläne der CIA, dieses Netzwerk "in paramilitärische Untergrundaktivitäten in Ostdeutschland einzubeziehen", das heißt, aus seinen Kräften mit Funkgeräten und Waffen ausgerüstete Widerstandsgruppen zu bilden, die allerdings nur im Fall eines Krieges aktiv werden sollten. Über Anfänge in den frühen fünfziger Jahren sind diese Bestrebungen nie hinausgekommen. Sie erklären aber den erbarmungslosen Kampf gegen den UFJ bis hin zur gewaltsamen Entführung des Rechtsanwalts Walter Linse, Abteilungsleiter im UFJ, 1952, die zwar vom MfS durchgeführt, aber, wie die Autoren schreiben, "von den Sowjets initiiert" wurde. Anderthalb Jahre danach wurde Walter Linse in Moskau erschossen.

Vielsagend ist auch, was die Autoren - hier wohl Kondraschow - über die Kontrolle der MfS durch das MGB/KGB enthüllen. Das russische Mißtrauen gegenüber den "deutschen Freunden" ging so weit, daß sie die offizielle Tätigkeit ihrer Instrukteure, später Berater, im MfS durch "inoffizielle Mitarbeiter" flankierten: Vertrauen gut, Kontrolle besser. Zudem erstreckte sich der sowjetische Zugriff auf die DDR-Staatssicherheit bis auf die Bestallung des Chefs. Erich Mielke, von Walter Ulbricht schon 1950 als Minister favorisiert, konnte erst 1957 in dieses Amt gehievt werden - nach zweimaligem sowjetischen Veto.

Ausführlich werden einzelne Operationen dargestellt. Der Fall Otto John etwa, zu dem die Autoren eine Auflösung anbieten, die überzeugt. Der Verfassungsschutz-Präsident hätte den Kontakt zu den Russen gesucht, und zwar über den KGB-Agenten Max Wonsig und durch Vermittlung des West-Berliner Arztes Wolfgang Wohlgemuth, der aber möglicherweise, als John alkoholisiert in seiner Praxis erschien, durch ein Betäubungsmittel nachgeholfen habe. "John hätte in letzter Minute noch anderen Sinnes werden können." Erst einmal in Ost-Berlin, mischte John eine Zeitlang im politischen Spiel der Geheimdienste und der SED mit.

Oder der Fall Pjotr Popow, eines Offiziers der neben dem KGB von Ost-Berlin operierenden Militärischen Aufklärung der Sowjetarmee, dessen jahrelange Zusammenarbeit mit der CIA vom KGB aufgedeckt wurde - wahrscheinlich durch Blake. Am 7. Januar 1960 wurde er in Moskau zum Tode verurteilt und ein halbes Jahr später erschossen.

Viele Wahrheiten werden ausgesprochen, viele Fragen aufgeworfen. War der Aufstand vom 17. Juni 1953 in Ost-Berlin und der DDR vom amerikanischen Geheimdienst entfacht? Natürlich nicht, aber die Autoren bestätigen das nun aus ihrer Erinnerung und ihrer Aktenkenntnis. Nicht nur die westlichen Dienste, auch der sowjetische Geheimdienst und die Stasi wurden im übrigen von dem spontanen Geschehen total überrascht.

Freilich, ehemalige Geheimdienstler sind keine Geschichtswissenschaftler. Die Akribie des Historikers kann den Autoren nicht nachgerühmt werden. Der Fundus ihres Wissens beruht im wesentlichen auf Geheimdienstakten, die sie erstmals auswerten durften, auf Zeitzeugen-Interviews mit Ex-Geheimdienstlern und vor allem auf persönlichen Erinnerungen. Das führt unvermeidlich zu subjektiven, nicht immer unumstrittenen Deutungen. Gelegentlich ist ihre Analyse unscharf und im Detail ungenau. Manche Kapitel hätten durch Straffung gewonnen. Kritisch ist auch anzumerken, daß die in Deutschland zum Thema erschienene Fach- und Memoirenliteratur nur zu einem geringen Teil herangezogen wurde. Ein Blick in die Quellenhinweise und Literaturangaben legt Defizite bloß. Wichtige Arbeiten über die KgU, den UFJ, das Ostbüro der SPD oder das MfS wurden von den Autoren nicht zur Kenntnis genommen, obwohl sie seit Jahren vorliegen.

Gleichwohl ist das Buch eine Fundgrube für Zeithistoriker. Die Autoren nennen viele Namen, die bislang unbekannt waren, sie vermitteln Innenansichten und Fakten aus dem Spionagemilieu, die zum Verständnis der Geschichte des Kalten Krieges in Berlin und speziell der Konfrontation der Geheimdienste beitragen. Sie stiften keine Legenden, sondern räumen ein, daß die geheimen Nachrichtendienste vieles damals nicht oder nicht rechtzeitig erkannt haben und daß sie ihre Informationen nicht selten geschönt oder der politischen Führung bewußt vorenthalten haben, zumal im Apparat des KGB. Sie bestätigen nicht zuletzt die erstaunliche Begrenztheit politischer Einflußnahme der Geheimdienste auf politische Entscheidungen, und zwar auf beiden Seiten.

KARL WILHELM FRICKE

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