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Leuchtkraft der ProsaDas Buch enthält Schriften aus mehreren Zeiträumen, darunter zweifellos einige aus meiner Jugend.Dennoch scheint mir das Buch immer wieder die gleichen Aussagen zu wiederholen, mit unterschiedlichen Vorzeichen und Farben. Es ist oder wäre gern ein kleiner Ablenkunggsversuch vom Spiel der Kräfte, "ein Bekenntnis des Unglaubens an die Allmacht des Sichtbaren".Aus diesem Grund habe ich nicht einmal die Wiederholungen getilgt. In einem von unseren alten Meistern bemalten Zimmer wiesen die verschiedenen Figuren auf den einzelnen Wänden üblicherweise mit gleicher Geste auf einen…mehr

Produktbeschreibung
Leuchtkraft der ProsaDas Buch enthält Schriften aus mehreren Zeiträumen, darunter zweifellos einige aus meiner Jugend.Dennoch scheint mir das Buch immer wieder die gleichen Aussagen zu wiederholen, mit unterschiedlichen Vorzeichen und Farben. Es ist oder wäre gern ein kleiner Ablenkunggsversuch vom Spiel der Kräfte, "ein Bekenntnis des Unglaubens an die Allmacht des Sichtbaren".Aus diesem Grund habe ich nicht einmal die Wiederholungen getilgt. In einem von unseren alten Meistern bemalten Zimmer wiesen die verschiedenen Figuren auf den einzelnen Wänden üblicherweise mit gleicher Geste auf einen Mittelpunkt, auf einen einzigen abwesenden oder gegenwärtigen Gast.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Cristina Campo war das Pseudonym der italienischen Schriftstellerin Vittoria Guerrini (1923-1977). Sie arbeitete als Übersetzerin für Lyrik, gab literarische Zeitschriften heraus und schrieb literarische Essays und Gedichte. Cristina Campo wird als Vittoria Guerrini am 28. April 1923 in Bologna als Tochter des Dirigenten Guido Guerrini geboren. Ihr Onkel mütterlicherseits ist der berühmte Chirurg Vittorio Putti. In dessen Residenz im Park des Rizzoli-Hospitals wohnt die Familie bis 1929. Vittoria war mit einem Herzfehler zur Welt gekommen, durch den sie nur eingeschränkt am kindlichen Alltag teilnehmen kann. Selbst die Schule kann sie nicht in vollem Umfang besuchen. Nachdem der Vater zum Leiter des Luigi Cherubini-Konservatoriums in Florenz ernannt wird, übersiedelt die Familie nach Florenz, wo sie die Kriegsjahre verbringt. Vittoria besucht eine Privatschule (auf der sie Deutsch und Englisch lernt) und unternimmt erste literarische Versuche. Zur Seite steht ihr dabei ihre Freundin Anna Cavallotti, die jedoch bereits 1943 bei Bombenangriffen ums Leben kommt. Vittoria verwahrt ihre Tagebücher und veröffentlicht diese später. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht sie - noch unter ihrem Taufnamen Vittoria Guerrini - ihre ersten Schriften. Über die Bekanntschaft mit Leone Traverso, dem Übersetzer aus dem Deutschen, kommt sie mit den Schriften von Hugo von Hofmannsthal in Kontakt. Hugo von Hofmannsthal wird zu einem starken Einfluss für ihre weitere literarische Arbeit. Die zweite Schriftstellerin, die sie ähnlich prägen wird, ist Simone Weil. Nach dem Weltkrieg, Anfang der 1950er-Jahre, ist Vittoria Guerrini in verschiedenen literarischen Zirkeln aktiv und schreibt viele Artikel für Zeitschriften. Teilweise ist sie auch selbst an der Gründung von Zeitschriften beteiligt. Ab 1955 lebt Guerrini in Rom, wohin sie ihren Vater begleitet, der inzwischen Leiter des Konservatoriums Santa Cecilia und Vorsitzender des Collegio di Musica geworden ist. 1956 erscheint Passo d'addio, ihr erster Gedichtband, nun unter dem Pseudonym Cristina Campo. Außerdem erscheint ein von ihr übersetzter Band mit Gedanken und Briefen Simone Weils. Schon 1955 hatte sie einen Gedichtband von William Carlos Williams übersetzt, mit dem sie auch in Briefkontakt steht. In den folgenden Jahren schreibt sie als Cristina Campo verschiedene Essays zur Literatur und übersetzt Lyrik, vor allem aus dem Englischen (u.a. John Donne). Ihre Liebe zur Liturgie führt Vittoria Guerrini, die nach dem Tod ihres Vaters 1965 sehr zurückgezogen lebt, zuerst in das Benediktinerkloster Sant Anselmo und später in das Russicum, wo die Messe auch nach dem II. Vatikanischen Konzil nicht in Volkssprache zelebriert wird. Im Januar 1977 stirbt sie an einem Herzanfall.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.1996

Heiß ist die Wüste
Cristina Campo reist in die Höhle des eigenen Herzens

Stendhal erzählt von einer italienischen Prinzessin, die bei brütender Hitze auf dem Balkon ihres Pallazo ein Fruchteis aß. "Schade, daß das keine Sünde ist", sagt sie dann, weil sie sich zum schlichten Genuß noch eine geistige Intensität erträumte. Als Nachfahrin dieser Frau könnte man sich die Essayistin Cristina Campo denken, die ihre Hauptschriften in den sechziger und siebziger Jahren verfaßte, als nichts mehr eine Sünde war. In eine "Welt der allgemeinen Auflösung" fand sie sich versetzt; auf der Tagesordnung standen die Schleifung der Traditionen, die Ausbildung der "Konsumgesellschaft" und die Reformbestrebungen, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch die Kirche erreichten.

Dagegen setzen Cristina Campos Essays die Idee des Stils, die immer neu beschrieben wird: Zeremonien, Gesten, Erzählformen, Schicksale und Liturgien werden in der strengsten, ja qualvollsten Gestalt aufgesucht. Ein komplexes Verhältnis gegenseitiger Stützung verbindet Ästhetizismus und ultrakonservative Haltung; in der Bewahrung der Form kommen beide zusammen. Aber man wird der Autorin mit bloßen Einordnungen kaum gerecht, denn ihre Texte sind niemals Abbilder eines selbstgewiß festgehaltenen Status, sondern ein fortgesetztes, höchst riskantes Spiel an den Außengrenzen ihrer Diskurse. "Gute Manieren sind am Beginn aller Heiligkeit", schreibt sie einmal, ein anderes Mal nennt sie die Anmut den "Rohstoff göttlicher Gnade". "Stil aller Stile", so lautet die radikalste Formulierung, sei die Liturgie.

Liest man diese Texte, so bemerkt man, daß sie ihre eigene Dogmatik weit hinter sich lassen. Eine grausame Note ist ihnen eigen, die sie der katholischen Dekadenz eines Huysmans vergleichbar macht; unter den Zeitgenossen der Campo darf man vielleicht an den fast gleichaltrigen Mishima denken. Wenn in einem abenteuerlichen Sprung bei der Darstellung katholischer Visionsliteratur "der Gedanke an den Gott Shiva, Zerstörer und Weltenschöpfer zugleich" sich einstellt, dann spürt man, daß es in Wirklichkeit um eine Erhöhung der geistigen Temperatur geht.

Unter den Bildern, die in den Texten wiederkehren und zwischen ihnen vermitteln, ist das der Wüste eines der zentralen; es findet sich in dem Essay über das Märchen von der Messingstadt wie in den Schriften über die frühchristlichen Väter der Wüste. Ein Ort der Hitze, des Verzichts und der Weltabsonderung, der Visionen und der Gefahren: Das war der geistige Ort von Cristina Campo. Die Sätze der Wüstenväter erscheinen ihr wie "Pfeile mit eiserner Spitze, die durch die Luft surren und sich geradewegs ins Herz des Schülers bohren", und als die schönsten Bücher denkt sie sich die, die als "Gefährten auf dem Weg zum Schafott" geeignet sind. Ein martyriologischer Akzent liegt auf der Phantasiewelt von Cristina Campo, in der vollkommene Schönheit, Qual und Todesdrohung zusammentreten; es verwundert nicht, ihre Schriften just in dem Verlag erscheinen zu sehen, dem auch die maßgebliche deutsche Sade-Ausgabe zu danken ist.

Das Märchen und die Bibel, "la novela", wie es im toskanischen Dialekt heißt, und "la bonne nouvelle": dies sind die Literaturen, aus denen Cristina Campo ihre intertextuellen Künste hervorgehen läßt. Ob sie in den Geschichten aus "1001 Nacht" die Präsenz Salomos registriert oder auf die Erlösungsvorstellungen in den Feenmärchen der Madame d'Auloy deutet - stets sind ihre Gedanken bei einer Welt der möglichen Wunder, die sie als Gegenbild zur Entzauberung formt.

Borges war der eine ihrer Lehrmeister, der andere war Hofmannsthal, an dessen "Andreas" sie Deutsch gelernt hatte und dessen "Buch der Freunde" sie zu den "unverzeihlichen", den vollendeten Kunstwerken zählte. Der Märchenheld, schreibt sie, müsse sich "das Herz aus der Brust oder die Seele aus dem Herzen lösen, weil er mit gebundenem Herzen nichts Unmögliches bewältigen kann". Das Herz ist neben der Wüste das andere Zentrum dieser Welt. "Reisen in die Höhle des eigenen Herzens" hat Cristina Campo, die mit einem Herzfehler geboren wurde, beschrieben, und an einem Herzanfall ist diese leidenschaftliche Frau und große Literatin 1977, mit dreiundfünfzig Jahren, gestorben. LORENZ JÄGER

Cristina Campo: "Die Unverzeihlichen". Mit einer Einleitung von Guido Ceronetti. Aus dem Italienischen übersetzt von Irmengard Gabler. Matthes & Seitz Verlag, München 1996. 236 S., Abb., geb., 58,- DM.

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