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Band 17: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der erste Weltkrieg 1914-1918Der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe, steht am Anfang einer Epoche gewaltiger Umwälzungen. In seinem Gefolge ereigneten sich politische und soziale Erschütterungen, die die überkommene bürgerliche Ordnung Europas zerstörten: Mit diesem Niedergang begann der Aufstieg von Faschismus und Nationalsozialismus und die Stabilisierung des sowjetischen Herrschaftssystems.

Produktbeschreibung
Band 17: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der erste Weltkrieg 1914-1918Der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe, steht am Anfang einer Epoche gewaltiger Umwälzungen. In seinem Gefolge ereigneten sich politische und soziale Erschütterungen, die die überkommene bürgerliche Ordnung Europas zerstörten: Mit diesem Niedergang begann der Aufstieg von Faschismus und Nationalsozialismus und die Stabilisierung des sowjetischen Herrschaftssystems.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.07.2002

Remedur
Der neuen „Gebhardt”:
von Grund auf modernisiert
Alexis de Tocqueville erkannte bereits in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, dass Vielfalt und nicht Homogenisierung in modernen Gesellschaften soziale Gleichheit erzeugt. Die Gesellschaften wurden komplexer, auch die Art sie zu betrachten musste differenzierter werden. So ist es nur folgerichtig, das 19. Jahrhundert als „Epoche, in der die klassische Moderne entstand” (Jürgen Kocka), methodisch in all seinen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen, aber auch regional unterschiedlichen Ausprägungen zu erfassen. Dieses Bemühen freilich ist postmodern, es kennzeichnet erst die Historiographie der vergangenen dreißig Jahre.
Es war vor diesem Wandel, als das traditionsreichste Handbuch der deutschen Geschichte mit Namen „Gebhardt” letztmals grundsätzlich überarbeitet wurde. Seitdem schreibt sich Geschichte anders und heißt historische Sozialwissenschaft. Der „Gebhardt” hingegen blieb seiner Tradition eines „naiven Positivismus” (Wolfgang Reinhard) treu, verstand sich als Chronist politischer Ereignisgeschichte und verlor allmählich den Kontakt zur Leser- und Studentenschaft.
Nun rollt der so Abgehängte das Feld von hinten auf. Methodisch, konzeptionell und in der Gestaltung hat die zehnte Auflage des „Gebhardt” mit ihrem Vorgänger nichts mehr gemeinsam. Statt wie bislang vier dicke Bände hat der neue „Gebhardt” 24 Teilbände, von denen im letzten Jahr die beiden ersten zur Frühen Neuzeit erschienen sind. Jetzt folgen mit Jürgen Kockas „Das lange 19. Jahrhundert” und Wolfgang Mommsens „Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg” zwei von fünf Bänden, die das lange 19. Jahrhundert umfassen.
Wie ernst es dem neuen „Gebhardt” mit seinem Wunsch ist, mit der deutschen Geschichtsschreibung wieder auf Augenhöhe zu sein, zeigt unter anderem die Tatsache, dass man mit Jürgen Kocka einen Pionier der historischen Sozialforschung als Herausgeber für die Teilbände zum 19. Jahrhundert auswählte. Im Zentrum sollen die Analyse, das Verstehen von Prozessen und Strukturen des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland stehen und nicht mehr Daten und Schlachten.
Dennoch gliedern politische Ereignisse das 19. Jahrhundert im „Gebhardt”: Mit dem Jahr 1806, dem Ende des Alten Reiches, beginnt es und setzt seine Zäsuren zwischen den einzelnen Teilbänden bei der Deutschen Revolution 1848 und der Gründung des Kaiserreichs 1871, um schließlich die Epoche mit dem Ersten Weltkrieg abzuschließen. Den Auftakt zu diesen vier Bänden macht Kockas Überblicksdarstellung über die gesamte Zeitspanne wie es sie vom jeweiligen Herausgeber zu jeder der vier Großepochen im neuen „Gebhardt” geben wird.
Geschichte von unten
Kocka seziert sein 19. Jahrhundert mit den „vier Längsschnitten” Industrialisierung, Bevölkerungsexplosion, Nationalstaat und Bürgertum. Sie bilden den Rahmen, in dem der Autor jeweils Politik-, Wirtschafts-, Sozial- und Kirchengeschichte verknüpft. Der Einfluss von Kunst, Naturwissenschaft und einzelner Persönlichkeiten kommt dabei zu kurz.
Dieser Konzentration auf die Grundlinien ist es geschuldet, dass Kockas Band kein Handbuch im eigentlichen Sinne ist, sondern Vorwissen über die wichtigsten Ereignisse des 19. Jahrhunderts voraussetzt. Die Rolle Bismarcks oder des Kaisers, das Hambacher Fest oder die Sozialistengesetze werden, wenn überhaupt, nur knapp abgehandelt. Auf sie genauer einzugehen, wird Aufgabe der folgenden Teilbände sein.
Doch gerade diese analytisch anspruchsvollen, von Chronistenpflicht freien Einleitungsbände (neben Kocka hat zur Frühen Neuzeit auch schon Wolfgang Reinhard einen solchen Band vorgelegt) versprechen die Prunkstücke des neuen „Gebhardt” zu werden. Sie bemühen sich, das Charakteristische der jeweiligen Epoche allgemeinverständlich zu erklären und systematisch einzuordnen.
Wolfgang Mommsens Band zum Ersten Weltkrieg folgt weitgehend der klassischen Kriegsgeschichtsschreibung. Neben einem kurzen und guten Überblick über die an Kontroversen reiche Kriegsforschung gliedern die Julikrise, die politischen und militärischen Ereignisse bis 1918 und ein Kapitel über die deutsche Gesellschaft im Krieg diesen Band. Leider kommt dabei das Leben in den Kriegsgräben – das Charakteristische am Ersten Weltkrieg – zu kurz, was auch einer generellen Schwäche des „Gebhardt” zuzuschreiben ist: Fotos und Karten fehlen.
Mommsens wie Kockas Verdienst ist es, neben profunder Analyse immer wieder den Blick auf Kontroversen und Tendenzen der Forschung zu lenken. Der Trend zu internationalen Vergleichen und zur so genannten Mikrogeschichte, die das Bild einer Epoche von unten anhand von Regionalstudien und Kleingruppenanalysen zeichnet, ist beiden Bänden anzumerken. So ist am neuen „Gebhardt” nur noch der Name alt.
THOMAS THIEMEYER
GEBHARDT. Handbuch der deutschen Geschichte. 10., völlig neu bearb. Auflage, 24 Bde.. Hrsg. von Alfred Haverkamp, Wolfgang Reinhard, Jürgen Kocka und Wolfgang Benz. Bd. 13: JÜRGEN KOCKA: Das lange 19. Jahrhundert. Bd. 17: WOLFGANG MOMMSEN: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001 und 2002. 187 und 188 Seiten, jeder Band 30 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2002

Versäulte Katastrophe
Wolfgang J. Mommsens Handbuch über den Ersten Weltkrieg

Wolfgang J. Mommsen: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002. XXXIX und 188 Seiten, 30,- Euro.

Es war der amerikanische Diplomat und Historiker George F. Kennan, der 1979 - eher beiläufig, in einem Buch über die russisch-französische Annäherung in der Bismarckzeit - den Ersten Weltkrieg als "Urkatastrophe" des inzwischen vergangenen 20. Jahrhunderts bezeichnete. Von Andreas Hillgruber aufgegriffen und in die deutsche Forschung eingeführt, hat sich dieser Topos hierzulande rasch durchgesetzt - jetzt auch bei Wolfgang J. Mommsen, der damit allerdings sehr eigenwillig umgeht. Im Laufe seiner Darstellung des Krieges verengt sich nämlich das Drama auf die "Urkatastrophe Europas", um schließlich im Titel als "Urkatastrophe Deutschlands" zu enden.

Das ist kein Zufall. Einmal erscheint das Buch als Band 17 der Neuauflage des inzwischen legendären "Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte"; und dann hat sich sein Autor zeitlebens vornehmlich mit der deutschen Geschichte dieser Epoche beschäftigt, also mit dem Kaiserreich und einigen seiner prominenten "Insassen", allen voran Max Weber. Schade nur, daß Mommsen dabei die Forschungszeichen der Zeit nicht erkannt beziehungsweise falsch gedeutet hat. Denn das Buch ist eine hausbackene Darstellung der politischen, militärischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im Ersten Weltkrieg.

Daß Mommsen dem - für sich genommen - banalen Befund Rechnung trägt, wonach der Krieg "nicht nur zu weitreichenden gesellschaftlichen Umschichtungen und Verwerfungen, sondern auch zu tiefgreifenden Veränderungen der deutschen und europäischen Kultur" geführt hat, ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Das entsprechende Kapitel über die "deutsche Gesellschaft im Kriege" bleibt indessen weit hinter den Erwartungen, aber auch hinter dem zurück, was inzwischen als Standard gilt, wenn man in den Themen Gesellschaft, Kultur und Mentalität die hervorragenden Erklärungsmerkmale für den "Aufstieg und Untergang des Deutschen Kaiserreichs" sehen und zugleich eine tragfähige Begründung für die These liefern will, wonach die Karriere Hitlers hier ihren Ursprung habe.

Welche Aussagekraft besitzt hingegen jenes Standardbekenntnis, das Mommsen eingangs seiner Darstellung wie den Hut an der Garderobe abgibt? Danach haben, neben anderen Faktoren, vor allem die "Versäulung der intellektuellen und kulturellen Eliten" sowie "die Entstehung eines aggressiven rassischen Nationalismus, der mit einem virulenten Antisemitismus einherging", dem Aufstieg des Nationalsozialismus den "Weg bereitet". Diese in den siebziger Jahren populäre These läßt sich in solcher Verkürzung längst nicht mehr halten. Das ahnt wohl auch Mommsen, und so macht er sich nicht einmal die Mühe, sie einzulösen.

Der "Gebhardt" wendet sich traditionell vor allem an Lehrer, Schüler und Studenten, und die wiederum erwarten, heute mehr denn je, einen kompetenten Überblick über die auch für Fachleute kaum mehr überschaubare, ungewöhnlich vielseitige Forschungslandschaft. Der Band gibt seinem Leser gleich zwei nach Themen gegliederte, im übrigen aber unkommentierte, insgesamt 30 Seiten umfassende Bibliographien in die Hand. Ein achtseitiger Bericht des Autors über "Forschungsstand und Kontroversen in der Forschung" verdient diesen Namen kaum.

Die letzte Auflage des "Gebhardt" erschien vor 30 Jahren. Autor dieses Bandes - wie übrigens auch der folgenden bis hin zum abschließenden über die Teilung Deutschlands - war Karl Dietrich Erdmann. Gewiß wird man aus heutiger Sicht bei seiner Darstellung des Ersten Weltkrieges eine gewisse Schwerpunktsetzung auf die Diplomatie- und Militärgeschichte feststellen können. Dafür war und ist der Band gerade in dieser entscheidenden Hinsicht grundsolide und durchweg zuverlässig. Von der Neuauflage läßt sich das nicht sagen. Zwar übt sich Mommsen, der lange Zeit zu den Vorreitern der Kritik an dieser Art der Geschichtsschreibung zählte, jetzt selbst in moderner Diplomatiegeschichte. Gelingen aber will ihm das nicht.

Welchen Erklärungswert hat eine Darstellung des Kriegsausbruchs 1914, die lapidar feststellt, daß nach der Kriegserklärung an Rußland, "auch" eine solche an Frankreich "erging"? Kein Wort von der in französischen Augen unerhörten Anfrage des 31. Juli, Deutschland im Falle der Neutralität die "Festungen Toul und Verdun" als "Pfand" zu überlassen; kein Hinweis auf die aus deutscher Sicht hochproblematische Antwort Frankreichs, das zu tun, "was seine Interessen geböten". Wie war das zu verstehen? Hatte die Reichsleitung mit ihrer Anfrage eine solche Auskunft provoziert? Übernahm sie damit den entscheidenden Teil der Verantwortung für das Weitere? Wer Antworten auf solche Fragen sucht, die seit jenen dramatischen Tagen im Vordergrund des politischen, wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses stehen, sollte seinen alten Erdmann-"Gebhardt" nicht entsorgen.

GREGOR SCHÖLLGEN

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Seit der 'Gebhardt', das "traditionsreichste Handbuch der deutschen Geschichte" zum letzten Mal von Grund auf überarbeitet wurde, "schreibt sich Geschichte anders und heißt historische Sozialwissenschaft", schreibt Rezensent Thomas Thiemeyer einleitend. Und so begrüßt er das Erscheinen des neuen Gebhardt, der wie Thiemeyer lobend anmerkt, mit dem alten nur noch den Namen gemeinsam hat. Nicht mehr vier, sondern 24 Bände soll der neue Gebhardt umfassen und davon sind jetzt zwei neu erschienen. Wolfgang Mommsen folge in seinem Band zum Ersten Weltkrieg jedoch eher der "klassischen Geschichtsschreibung". Dabei hätte Mommsen mehr auf das "Charakteristische am Ersten Weltkrieg" eingehen können, findet der Rezensent, nämlich auf "das Leben in den Kriegsgräben". Diese Schwäche geht nach Ansicht des Rezensenten einher mit dem allgemeinen Versäumnis des neuen Gebhardts: Fotos und Karten fehlen. Insgesamt jedoch findet Thiemeyer die Bände gelungen, da sie sowohl "profunde Analysen" liefern, als auch immer wieder die Forschung miteinbeziehen.

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