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Produktdetails
  • Verlag: Hanser
  • Originaltitel: Zee-Binnen
  • 2. Aufl.
  • Seitenzahl: 192
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 314g
  • ISBN-13: 9783446198814
  • ISBN-10: 3446198814
  • Artikelnr.: 08535664
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Margriet de Moor gehört zu den bedeutendsten niederländischen Autoren der Gegenwart. Sie studierte Klavier und Gesang, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Bereits ihr erster Roman Erst grau dann weiß dann blau (Hanser, 1993) wurde ein sensationeller Erfolg. Heute sind ihre Romane und Erzählungen in alle Weltsprachen übersetzt. Ihr Werk erscheint im Hanser Verlag, zuletzt Die Verabredung (Roman, 2000), Der Jongleur (Ein Divertimento, 2008), Der Maler und das Mädchen (Roman, 2011), Mélodie d'amour (Roman, 2014), Schlaflose Nacht (2016) und Von Vögeln und Menschen (Roman, 2018). Margriet de Moor lebt in Amsterdam.

Helga van Beuningen übersetzte u.a. A.F.Th. van der Heijden, Marcel Möring und Cees Nooteboom. Sie wurde mit dem Martinus-Nijhoff-Preis, dem Helmut-M.-Braem-Preis und dem Else-Otten-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2000

Täuschung einer Strohwitwe
Wenn die Felder betörend duften: Margriet de Moors Roman "Die Verabredung" · Von Kristina Maidt-Zinke

Weshalb sollte die Hauptfigur einer Geschichte nicht auch eine Straße sein können? Die Frage, mit der Margriet de Moor uns in ihren neuen Roman hineinlockt und zugleich in die Irre führt, erinnert an eine Notiz zum Erzählband "Ich träume also", in der die niederländische Erfolgsautorin die Anfänge ihres Schreibens reflektiert. Sie berichtet dort von der prägenden Erfahrung, "dass ein ziemlich willkürlich gewähltes Thema einzig und allein durch meine Zuwendung eine obsessive Bedeutung erlangt hatte". Zuwendung wird gleichgesetzt mit "Konzentration auf Stil und Komposition"; die literarischen Themen, an denen sie erprobt werden kann, sind "im Prinzip in unendlicher Menge vorhanden". Das lässt sich entweder als geerdete Variante der klassischen Extremforderung lesen, nach der ein Kunstwerk dem Inhalt nichts, der Form aber alles verdanken soll, oder einfach als Verständnishilfe für das irritierende Schwanken zwischen Nonchalance und strengem Gestaltungswillen, das Margriet de Moors Prosa kennzeichnet.

Eine Straße also, es könnte ebensogut etwas anderes sein, wird zur Hauptfigur gekürt. Widerspruch ist zwecklos, besteht doch die Welt "wahrhaftig nicht nur aus Geschöpfen mit Augen und Händen". Die Oude Zeestraat führt durch das Gebiet der Blumenzwiebelfelder zwischen Haarlem und Leiden und verbindet einen Ort, der nach seiner Lage "Binnen" genannt wird, mit seinem maritimen Außenposten namens "Zee". In einer Landschaft von gnadenloser Offenheit und schnurgerader Geometrie verkörpert die Straße von Binnen nach Zee das Obskure, Undurchschaubare, das die Bewohner dieser Region seit je fasziniert. Wo man nach allen Seiten bis zum Horizont blickt, schafft das Gemüt sich seine eigenen Sichtblenden, legt Schleier über die Wirklichkeit und bevölkert die endlos parzellierte Fläche mit geheimnisvollen Schatten. Die Oude Zeestraat, übersichtlich, baumfrei und gepflegt, fordert mit rätselhafter Konsequenz ihre Opfer: "Es gibt keine Erklärung. Niemand hier verfügt über ein vernünftiges Argument dafür, weshalb es hier, über das Jahr gesehen, durchschnittlich jeden zweiten Tag zu einem Zusammenstoß kommt." Während der Hyazinthenblüte, wenn die Felder betäubend duften und sogar nachts farbig leuchten, nimmt die Anzahl und Schwere der Unfälle zu, doch auch außerhalb der Saison lebt man hier mit dem Schreckenston der Sirenen.

Das Mysterium wird nicht aufgedeckt, vielmehr im Lauf der Geschichte sanft in eine Selbstverständlichkeit transformiert. Schneller und radikaler wird ein anderes Motiv entzaubert, das zunächst noch spannungsträchtiger anmutet: Vincent Lukas, leidlich zufriedener Ehemann und Vater, findet bei einem Nachtspaziergang den Taschenkalender einer fremden Frau und entdeckt unter den Eintragungen der folgenden Wochen seinen eigenen Namen. Die einseitige Verabredung suggeriert Verwicklungen nach Art eines Edelthrillers, aber Vincent ist Veterinär und die Unbekannte eine Katzenbesitzerin, die schlicht einen Tierarzttermin vermerkt hat.

Der Leser darf ein wenig enttäuscht sein; die Romanfiguren beharren darauf, sich täuschen zu lassen. Getrieben von der Sehnsucht nach dem Anderen, Betörenden, Unausweichlichen konstruiert Vincent aus der harmlosen Kalendernotiz eine schicksalhafte Liebesbegegnung, auf die sich die schöne Strohwitwe Gemma, alltagsmüde wie er, sogleich einlässt. Die Affäre, aus zwei Perspektiven geschildert, gestaltet sich indes so undramatisch, wie es holländischer Pragmatismus gebietet, und endet pünktlich mit dem Ablauf des Kalenders nach acht Monaten. Sie dient nur als Straße, von der aus Margriet de Moor uns über ein ironisches System von Abzweigungen, Umleitungen und Sackgassen in immer neue Richtungen, doch stets ins Leere lenkt.

Da ist Vincents Frau Noor, "einer jener Menschen, denen die Dinge widerfahren", im Gegensatz zu jenen, die handelnd durchs Leben gehen. Ein unangenehmer Verwandter aus Neuseeland schürt mit Lügenmärchen über Seitensprünge ihres Mannes einen Verdacht, der sie krank macht. Als sie tatsächlich betrogen wird, bleibt sie arglos und ahnungslos, auf das Versprechen bauend, das sie dem Gatten abverlangt hat. Die schleichende Entfremdung zwischen einstmals Liebenden ist ein so abgedroschenes Thema, dass sich daraus nur noch schwer literarische Funken schlagen lassen: Margriet de Moor bekräftigt das auf ihre Weise, indem sie die Symptome der Zerrüttung nicht etwa zwischen den Eheleuten zur Sprache bringt, sondern im Dialog zwischen dem Tierarzt und einem alten Labrador, der auf dem Operationstisch liegt. "Warum", nörgelt der Doktor, während er einen Tumor herausschneidet, "gibt sich meine Frau so viel Mühe? Manchmal ist es geradezu so, als wolle sie eine komplette Sammlung von mir anlegen." Der Hund, auch unter Narkose des Menschen bester Freund, übernimmt die Rolle des Lebensberaters und apportiert profunde Weisheiten: "Wir sind komplizierter, als wir denken."

Da ist andererseits Gemmas Familiengeschichte, in wenigen Bildern aufgeblättert, die Chronik der von Schicksalsschlägen gebeutelten Blumenzüchterdynastie van Rijn. Der Großvater führte Hyazinthenzwiebeln aus Südfrankreich ein, machte die Firma groß und hinterließ einem Papagei seine gärtnerischen Rezepte. Gemmas Bruder Laurens, Erbprinz und Hoffnungsträger des Betriebes, verunglückte in jungen Jahren auf der Oude Zeestraat; ihre Schwester Quirine, mit der sie eine symbiotische Zuneigung verband, stürzte sich aus Schwermut vom Scheunendach; ihre Mutter nahm sich mit Tabletten und Kognak das Leben. Das alles wird in knappen Andeutungen mitgeteilt, durch Vermutungen und Fragen der Erzählerin immer wieder auf Distanz gerückt und in Zweifel gezogen. Als sicher gilt nur dies: "Alle Dinge stehen auf die eine oder andere Weise miteinander in Verbindung, und alle Erlebnisse suchen ihren Weg, ob mündlich bezeugt oder nicht."

Was die Jahrzehnte zurückliegende Todestour des Laurens van Rijn mit der mutmaßlich letzten Fahrt der Tierarztfrau Noor verbindet, muss der Leser selbst herausfinden, denn Margriet de Moor hat das Netz magischer Zwangsläufigkeit so spinnwebdünn wie weitmaschig gewoben. In den Leerstellen, den Zwischenräumen der Erzählung liegt eine atmosphärische Kraft, die über manches Banale, scheinbar Überflüssige hinwegträgt, selbst über Platitüden wie diese: "Grandioses Wetter kann je nach der Gesellschaft, in der man sich befindet, noch wesentlich grandioser werden." Der Romanhandlung und ihrem Personal eignet etwas Beliebiges, Transistorisches; was nach der Lektüre im Gedächtnis haftet, gleicht einem impressionistischen Gemälde: Hyazinthenfelder in Weiß, Blau und Rosa, Bäume, deren Laub "ganz aus blauen bis blauvioletten Tupfern" besteht, und dazwischen die Straße, "ein Nerv aus flimmerndem Asphalt", mit einer Bedeutung aufgeladen, die allein kompositorischem Kalkül entspringt.

Margriet de Moor: "Die Verabredung". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Carl Hanser Verlag, München 2000. 190 S., geb., 34,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Recht nebulös bleibt Kristina Maidt-Zinkes Besprechung von Margriet de Moors jüngstem Buch, dessen Hauptfigur eine Straße samt daran gelegener Landschaften und Geschichten ist. Die Rezensentin verfängt sich schnell im "Netz magischer Zwangsläufigkeit, so spinnwebdünn wie weitmaschig gewoben" und stürzt in die "Leerstellen und Zwischenräume der Erzählung". Krampfhaft klammert sie sich an ein paar Details, die das offensichtlich ziemlich vage Geschehen konkretisieren. Umsonst, über das Buch hat man nicht viel erfahren.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Nicht nur die Geschichte einer Liebe... Weltliteratur!" Hermann Wallmann, Süddeutsche Zeitung, 24.02.00

"Ich habe eine Schwäche für diese Autorin. Und das hat Gründe ... Sie hat einen unaufdringlichen, zarten Stil und es sind zarte Motive in ihrem Roman. Das ist eine musikalische Prosa und das hab ich sehr, sehr gern." Marcel Reich-Ranicki, Literarisches Quartett, 25.02.00

"Die Verabredung ist de Moors zartestes Buch. Um die wechselnden Tonarten zu erfassen, muss man es wie ein Musikstück wahrnehmen." Focus, 24.02.00

"Es gelingt De Moor meisterlich, die Ebenen der Realität in der schwerelosen Schwebe zu halten." Yasmine Inauen, Tages-Anzeiger, 11.02.00

"Was für ein zarter, anmutiger Roman! ... Wie Margriet de Moor das erzählt ist virtuos. Sie romantisiert nichts, sie dramatisiert nichts und vermag doch, die Gefühle und die Neugier des Lesers immer wieder zu fesseln." Uwe Wittstock, Die Welt, 26.02.00

"Betörend, verstörend und voller Magie!" Franziska Wolffheim, Brigitte, 08.03.00

"Meisterhaft: Margrit de Moors 'Die Verabredung'". Silvia Henke, Frankfurter Rundschau, 15.05.00