In unterhaltsam erklärenden Gesprächen zwischen Isaac Newton, Albert Einstein und einem fiktiven modernen Physiker kommt all das zur Sprache, was der Leser die beiden Genies zum Thema Gravitation auch selbst fragen würde.
"Das Buch ist eines der ganz wenigen, die heute verständlich an die modernsten Themen der Physik heranführen." Süddeutsche Zeitung
"Das Buch ist eines der ganz wenigen, die heute verständlich an die modernsten Themen der Physik heranführen." Süddeutsche Zeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.1996Welt, die aus der Leere kommt
Harald Fritzsch führt in die Allgemeine Relativitätstheorie ein
Jahrhundertelang beruhte das Weltbild der Physiker auf der Newtonschen Mechanik. Deren Grundpfeiler waren die Stabilität und die Unveränderlichkeit von Raum, Zeitablauf und Materie im Kosmos. Mit seiner Speziellen Relativitätstheorie gab Albert Einstein diesen Begriffen eine neue Bedeutung. Raum und Zeit erwiesen sich als zusammengehörige Phänomene, die vom Zustand des Beobachters abhängig sind, und die Masse verlor ihre Universalität durch ihre Konvertierbarkeit in Energie.
Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie ging Einstein noch einen Schritt weiter. Er verknüpfte Raum, Zeit und Materie zu einer untrennbaren Einheit, machte den Raum zu einem Medium mit eigener, von der Materie festgelegter Dynamik. Die Gravitationskraft entlarvte er als eine schlichte Folge der Raum-Zeit-Geometrie. Die Grundlagen und Konsequenzen der Allgemeinen Relativitätstheorie beschreibt der Münchner Physiker Harald Fritzsch in dem höchst lehrreichen Buch "Die verbogene Raum-Zeit".
Um die Lektüre aufzulockern, hat der Autor in dem Buch ein Treffen von Einstein, Newton und dem erfundenen Schweizer Physiker Adrian Haller arrangiert, die angeregt über die verschiedenen Aspekte des Themas diskutieren. Haller vertritt dabei die moderne Physik, insbesondere der Elementarteilchen. Zunächst geht es um grundlegende Bestandteile der Allgemeinen Relativitätstheorie und die Geschichte ihrer Bestätigung - um die Bahndrehung des Planeten Merkur und die Ablenkung von Sternenlicht an der Sonne. Doch schnell wird das Diskussionsfeld größer. Im Laufe ihrer Gespräche behandeln die drei Physiker so unterschiedliche Themen wie die elektromagnetische Kraft, deren Fernwirkung sich nur durch die Masselosigkeit des Photons erklären läßt, die Gravitation, die den Fluß der Zeit verändert, und die Ladungsgleichheit von Proton und Elektron, die auch heute noch unverstanden ist.
Ein großes Rätsel stellt für die Physiker die Masse dar, deren Natur im verborgenen bleibt, auch wenn es Ansatzpunkte zur Deutung gibt. So besteht das keineswegs leichtgewichtige Proton nur aus masselosen Quarks und Gluonen, als deren Bewegungsenergie (genauer gesagt: Feldenergie) sich die Protonenmasse darstellen ließe. 98 Prozent der Massen der Atomkerne kann man dynamisch, aus der Bewegung, erklären, für den Rest käme als Ursache ein sogenanntes Higgs-Feld in Betracht. Ob diese und andere Vorstellungen "stimmen", muß sich freilich erst noch erweisen.
Mehr als von der Masse glauben die Physiker mittlerweile vom Vakuum zu verstehen, das seine Rolle als "Nichts" längst aufgegeben hat. Schon Paul Dirac hat es als quantenphysikalisches Gebilde interpretiert, in dem alle Elektronenzustände mit negativer Energie besetzt sind. Da das Vakuum demnach ein "See" von Elektronen und deren Antiteilchen - den Positronen - ist, enthält es bereits die gesamte Physik dieser Teilchen. In der modernen Elementarteilchenphysik ist das Bild weiterentwickelt worden. Nach heutigen Vorstellungen sind alle Elementarteilchen schon im Vakuum enthalten, daneben aber auch die wesentlichen Eigenschaften unserer Welt, insbesondere die Naturgesetze, die den dynamischen Ablauf der Naturprozesse festlegen. Fritzsch bezeichnet das Vakuum sogar als das wohl wichtigste und interessanteste Phänomen in der gesamten Physik.
Dieses Vakuum spielt auch in einigen Bereichen der Astrophysik und der Kosmologie - Themen, auf die der Autor ausführlich eingeht - eine nicht unbedeutende Rolle. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Schwarzen Löcher im Universum. Das sind Materieansammlungen, die so massereich sind, daß sie sogar elektromagnetische Strahlung nicht mehr entweichen lassen und deshalb nur durch ihre Gravitationswirkung nachgewiesen werden können. Stephen Hawking meint freilich, dies sei nicht richtig. Wenn im fluktuierenden Vakuum dicht am Horizont des Schwarzen Lochs spontan ein Teilchen-Antiteilchen-Paar entstehe und eines der beiden Teilchen in das Schwarze Loch hereingezogen werde, müsse dieses aufleuchten.
Im heutigen Weltbild der Physik, an dem die Allgemeine Relativitätstheorie einen erheblichen Anteil hat, wirken die einzelnen Bestandteile des Universums auf früher ungeahnte Weise aufeinander ein. Das Vakuum beeinflußt die Schwarzen Löcher, die kleinen Elementarteilchen stellen die Weichen für die Entwicklung des großen Kosmos. Bedeutsam wäre auch die Antwort auf die Frage, ob das Neutrino eine wenn auch geringe Masse hat. Dies würde unserem Universum gleich eine ganz andere Zukunft bescheren, allerdings in einer noch fernen Zeit.
Eine der größten Herausforderungen der modernen Physik ist es, die in der Allgemeinen Relativitätstheorie neu definierte Gravitation mit der Quantenphysik zu verknüpfen. In der Gravitation drückt sich die Krümmung der Raumzeit aus, die wiederum durch die Materie bestimmt ist. Da die Materie Quanteneigenschaften besitzt, also nicht als kontinuierlich gedacht werden kann, ist man gezwungen, selbst Raum und Zeit Quanteneigenschaften zuzubilligen, wenn man die Einsteinschen Gleichungen auch auf dem Niveau der Quantenphysik aufrechterhalten will. Aber niemand weiß, wie man Raum und Zeit im Rahmen der Quantenphysik behandeln kann; denn auch die Dynamik der Quantenprozesse, etwa bei atomaren Reaktionen, findet in Raum und Zeit statt. Schriebe man auch Raum und Zeit Quanteneigenschaften zu, so läßt der Autor in dem Buch den Physiker Haller argumentieren, zerstörte man damit erst einmal die Basis dessen, auf dem man aufbauen möchte. Man sei in einer ähnlichen Situation wie ein Bauherr, dessen Haus gerade fertig geworden sei, der dann aber feststellen müsse, daß er das Gebäude auf sumpfigem Grund errichtet habe.
In dem Buch "Die verbogene Raum-Zeit" schlägt Fritzsch einen großen Bogen von den Elementarteilchen zum Universum und leuchtet auch die hintersten Ecken der modernen Physik aus. Das macht die Geschichte außerordentlich interessant. Eine solche Darstellung hat aber auch Tücken. In einigen wenigen Artikeln dürfte der Leser - das Buch ist doch wohl vor allem an den sogenannten interessierten Laien gerichtet - überfordert sein. Das gilt insbesondere bei den Fragen der Geometrie des Raums.
Der Versuch, das Thema durch die Darstellungsform der fiktiven Diskussion aufzulockern, ist lobenswert. Damit die Gesprächsabschnitte nicht zu lang werden und den Leser übermäßig belasten, hat der Autor zahlreiche Unterbrechungen eingefügt, die die drei Physiker für Mahlzeiten nutzen. Diese Idee wird allerdings durch Häufung arg strapaziert. In Einsteins Sommerhaus etwa wird Haller vom Klappern von Geschirr aus der Küche geweckt. Im Fischrestaurant am See sitzen die drei Physiker bei einem Glas Berliner Weiße. Im Café Kranzler nehmen sie einen kleinen Imbiß ein. Zum Mittagessen im "Haus am See" gibt es vorzüglichen Fisch aus dem nahen Schwielowsee. In Einsteins Haus bereitet die Haushälterin ein kleines Abendessen vor, das man auf der Terrasse einnimmt. Unmittelbar nach dem Frühstück geht es auf Segeltour auf dem Templiner See. Diese Beispiele mögen genügen. GÜNTER PAUL
Harald Fritzsch: "Die verbogene Raum-Zeit". Newton, Einstein und die Gravitation. Piper Verlag, München 1996. 411 S., Abb., geb., 44,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Harald Fritzsch führt in die Allgemeine Relativitätstheorie ein
Jahrhundertelang beruhte das Weltbild der Physiker auf der Newtonschen Mechanik. Deren Grundpfeiler waren die Stabilität und die Unveränderlichkeit von Raum, Zeitablauf und Materie im Kosmos. Mit seiner Speziellen Relativitätstheorie gab Albert Einstein diesen Begriffen eine neue Bedeutung. Raum und Zeit erwiesen sich als zusammengehörige Phänomene, die vom Zustand des Beobachters abhängig sind, und die Masse verlor ihre Universalität durch ihre Konvertierbarkeit in Energie.
Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie ging Einstein noch einen Schritt weiter. Er verknüpfte Raum, Zeit und Materie zu einer untrennbaren Einheit, machte den Raum zu einem Medium mit eigener, von der Materie festgelegter Dynamik. Die Gravitationskraft entlarvte er als eine schlichte Folge der Raum-Zeit-Geometrie. Die Grundlagen und Konsequenzen der Allgemeinen Relativitätstheorie beschreibt der Münchner Physiker Harald Fritzsch in dem höchst lehrreichen Buch "Die verbogene Raum-Zeit".
Um die Lektüre aufzulockern, hat der Autor in dem Buch ein Treffen von Einstein, Newton und dem erfundenen Schweizer Physiker Adrian Haller arrangiert, die angeregt über die verschiedenen Aspekte des Themas diskutieren. Haller vertritt dabei die moderne Physik, insbesondere der Elementarteilchen. Zunächst geht es um grundlegende Bestandteile der Allgemeinen Relativitätstheorie und die Geschichte ihrer Bestätigung - um die Bahndrehung des Planeten Merkur und die Ablenkung von Sternenlicht an der Sonne. Doch schnell wird das Diskussionsfeld größer. Im Laufe ihrer Gespräche behandeln die drei Physiker so unterschiedliche Themen wie die elektromagnetische Kraft, deren Fernwirkung sich nur durch die Masselosigkeit des Photons erklären läßt, die Gravitation, die den Fluß der Zeit verändert, und die Ladungsgleichheit von Proton und Elektron, die auch heute noch unverstanden ist.
Ein großes Rätsel stellt für die Physiker die Masse dar, deren Natur im verborgenen bleibt, auch wenn es Ansatzpunkte zur Deutung gibt. So besteht das keineswegs leichtgewichtige Proton nur aus masselosen Quarks und Gluonen, als deren Bewegungsenergie (genauer gesagt: Feldenergie) sich die Protonenmasse darstellen ließe. 98 Prozent der Massen der Atomkerne kann man dynamisch, aus der Bewegung, erklären, für den Rest käme als Ursache ein sogenanntes Higgs-Feld in Betracht. Ob diese und andere Vorstellungen "stimmen", muß sich freilich erst noch erweisen.
Mehr als von der Masse glauben die Physiker mittlerweile vom Vakuum zu verstehen, das seine Rolle als "Nichts" längst aufgegeben hat. Schon Paul Dirac hat es als quantenphysikalisches Gebilde interpretiert, in dem alle Elektronenzustände mit negativer Energie besetzt sind. Da das Vakuum demnach ein "See" von Elektronen und deren Antiteilchen - den Positronen - ist, enthält es bereits die gesamte Physik dieser Teilchen. In der modernen Elementarteilchenphysik ist das Bild weiterentwickelt worden. Nach heutigen Vorstellungen sind alle Elementarteilchen schon im Vakuum enthalten, daneben aber auch die wesentlichen Eigenschaften unserer Welt, insbesondere die Naturgesetze, die den dynamischen Ablauf der Naturprozesse festlegen. Fritzsch bezeichnet das Vakuum sogar als das wohl wichtigste und interessanteste Phänomen in der gesamten Physik.
Dieses Vakuum spielt auch in einigen Bereichen der Astrophysik und der Kosmologie - Themen, auf die der Autor ausführlich eingeht - eine nicht unbedeutende Rolle. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Schwarzen Löcher im Universum. Das sind Materieansammlungen, die so massereich sind, daß sie sogar elektromagnetische Strahlung nicht mehr entweichen lassen und deshalb nur durch ihre Gravitationswirkung nachgewiesen werden können. Stephen Hawking meint freilich, dies sei nicht richtig. Wenn im fluktuierenden Vakuum dicht am Horizont des Schwarzen Lochs spontan ein Teilchen-Antiteilchen-Paar entstehe und eines der beiden Teilchen in das Schwarze Loch hereingezogen werde, müsse dieses aufleuchten.
Im heutigen Weltbild der Physik, an dem die Allgemeine Relativitätstheorie einen erheblichen Anteil hat, wirken die einzelnen Bestandteile des Universums auf früher ungeahnte Weise aufeinander ein. Das Vakuum beeinflußt die Schwarzen Löcher, die kleinen Elementarteilchen stellen die Weichen für die Entwicklung des großen Kosmos. Bedeutsam wäre auch die Antwort auf die Frage, ob das Neutrino eine wenn auch geringe Masse hat. Dies würde unserem Universum gleich eine ganz andere Zukunft bescheren, allerdings in einer noch fernen Zeit.
Eine der größten Herausforderungen der modernen Physik ist es, die in der Allgemeinen Relativitätstheorie neu definierte Gravitation mit der Quantenphysik zu verknüpfen. In der Gravitation drückt sich die Krümmung der Raumzeit aus, die wiederum durch die Materie bestimmt ist. Da die Materie Quanteneigenschaften besitzt, also nicht als kontinuierlich gedacht werden kann, ist man gezwungen, selbst Raum und Zeit Quanteneigenschaften zuzubilligen, wenn man die Einsteinschen Gleichungen auch auf dem Niveau der Quantenphysik aufrechterhalten will. Aber niemand weiß, wie man Raum und Zeit im Rahmen der Quantenphysik behandeln kann; denn auch die Dynamik der Quantenprozesse, etwa bei atomaren Reaktionen, findet in Raum und Zeit statt. Schriebe man auch Raum und Zeit Quanteneigenschaften zu, so läßt der Autor in dem Buch den Physiker Haller argumentieren, zerstörte man damit erst einmal die Basis dessen, auf dem man aufbauen möchte. Man sei in einer ähnlichen Situation wie ein Bauherr, dessen Haus gerade fertig geworden sei, der dann aber feststellen müsse, daß er das Gebäude auf sumpfigem Grund errichtet habe.
In dem Buch "Die verbogene Raum-Zeit" schlägt Fritzsch einen großen Bogen von den Elementarteilchen zum Universum und leuchtet auch die hintersten Ecken der modernen Physik aus. Das macht die Geschichte außerordentlich interessant. Eine solche Darstellung hat aber auch Tücken. In einigen wenigen Artikeln dürfte der Leser - das Buch ist doch wohl vor allem an den sogenannten interessierten Laien gerichtet - überfordert sein. Das gilt insbesondere bei den Fragen der Geometrie des Raums.
Der Versuch, das Thema durch die Darstellungsform der fiktiven Diskussion aufzulockern, ist lobenswert. Damit die Gesprächsabschnitte nicht zu lang werden und den Leser übermäßig belasten, hat der Autor zahlreiche Unterbrechungen eingefügt, die die drei Physiker für Mahlzeiten nutzen. Diese Idee wird allerdings durch Häufung arg strapaziert. In Einsteins Sommerhaus etwa wird Haller vom Klappern von Geschirr aus der Küche geweckt. Im Fischrestaurant am See sitzen die drei Physiker bei einem Glas Berliner Weiße. Im Café Kranzler nehmen sie einen kleinen Imbiß ein. Zum Mittagessen im "Haus am See" gibt es vorzüglichen Fisch aus dem nahen Schwielowsee. In Einsteins Haus bereitet die Haushälterin ein kleines Abendessen vor, das man auf der Terrasse einnimmt. Unmittelbar nach dem Frühstück geht es auf Segeltour auf dem Templiner See. Diese Beispiele mögen genügen. GÜNTER PAUL
Harald Fritzsch: "Die verbogene Raum-Zeit". Newton, Einstein und die Gravitation. Piper Verlag, München 1996. 411 S., Abb., geb., 44,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main