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Netze halten, verbinden und fangen. Sie verfangen, binden und verstricken. Unsere sozialen Netzwerke verdanken ihren Namen einem denkbar merkwürdigen und zwiespältigen Objekt. Wie aber kam das Netz ins Netzwerk? Warum kann es für ein Verbundensein von Menschen, Dingen, Institutionen, Zeichen, Infrastrukturen, ja selbst der Natur einstehen?
Mit der 'Verbundenheit der Dinge' liegt erstmals eine Kulturgeschichte vor, in der die überwältigende Vielfalt von Netzwerken ausgebreitet wird. Sie beginnt mit den Geschicken von Fischer- und Spinnennetz in den alten Hochkulturen. Das Buch erzählt von
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Produktbeschreibung
Netze halten, verbinden und fangen. Sie verfangen, binden und verstricken. Unsere sozialen Netzwerke verdanken ihren Namen einem denkbar merkwürdigen und zwiespältigen Objekt. Wie aber kam das Netz ins Netzwerk? Warum kann es für ein Verbundensein von Menschen, Dingen, Institutionen, Zeichen, Infrastrukturen, ja selbst der Natur einstehen?

Mit der 'Verbundenheit der Dinge' liegt erstmals eine Kulturgeschichte vor, in der die überwältigende Vielfalt von Netzwerken ausgebreitet wird. Sie beginnt mit den Geschicken von Fischer- und Spinnennetz in den alten Hochkulturen. Das Buch erzählt von den entscheidenden Momenten, in denen sich aus Vernetzungen eine veritable Kulturtechnik entwickelt. Es nimmt die Leser mit in die Pariser Kanalisation und an den Suez-Kanal, in die Telefonzentralen Nordostamerikas und lädt ein, mit der Londoner Untergrundbahn zu fahren. Sebastian Gießmanns fulminante Geschichte erklärt, warum soziale Netzwerke erst spät entdeckt wurden, wie sich der rasante Aufstieg der mathematischen Netzwerktheorie vollziehen konnte, wie unwahrscheinlich die Erfindung des Internets eigentlich war und was Diagramme und Verschwörungstheorien mit alldem zu tun haben.

Vorsicht! Nicht alles, was verbunden ist, ist auch vernetzt. Schon jetzt haben Netzwerke ihre Grenzen. Von ihnen handelt das Ende der 'Verbundenheit der Dinge'.
Autorenporträt
Dr. Sebastian Gießmann, geb. 1976, forscht als Kultur- und Medienwissenschaftler an der Universität Siegen. Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Kulturtechniken der Kooperation, Netzwerkgeschichte, materielle Kultur, Rechtsanthropologie und Internetforschung. Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Kulturwissenschaften und von ilinx, Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft. Sebastian Gießmann ist Sprecher der Arbeitsgruppe 'Daten und Netzwerke' in der Gesellschaft für Medienwissenschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2015

Heiße Kartoffeln in der Leitung
Mit Bedacht gewebt: Sebastian Gießmann navigiert durch die lange Geschichte der Netze und Netzwerke

Ein Netz ist kein Baum. Ein Netz ist ein unbegrenztes Territorium." Was Umberto Eco 1989 als spezifisches Potential vernetzten Denkens formulierte, ist zugleich dessen zentrales Problem: Wo nach seinem Grund suchen? Wie seine Strukturen kenntlich machen? Fünfundzwanzig Jahre später hat sich daran ein ebenso grenzenloser Diskurs entsponnen. Er reicht von der Philosophie Gilles Deleuzes und seiner "Rhizome" über die Akteur-Netzwerk-Theorie Bruno Latours zu ganzen Disziplinen wie der Netzwerkforschung. Und er verquickt Globalgeschichten der "Netzwerkgesellschaft" (Manuel Castells) mit einer Vielzahl medien- und kulturwissenschaftlicher Geschichten digitaler Netzwerke - erst mit Fokus auf die virtuellen Realitäten des "Cyberspace", später auf Social-Media-Plattformen. Sebastian Gießmann gelingt es in seinem Buch, diese Allgegenwart von Netzwerken - als tagtägliche Praktiken wie als wissenschaftliche Beschreibungsversuche komplexer Zusammenhänge - kultur- und medienhistorisch in seltener Präzision zu erden.

Ausgangspunkt der Studie ist die Suche nach einer verlorenen Materialität von Netzwerken: "Die vielfältigen Formen des Netzes", so Gießmann, "verschwinden zugunsten der Praktiken des networking - es sein denn, man ist als Akteur mit der Realisierung eines physischen Netzes beschäftigt." Solange man nicht wieder im Funkloch steckt und sobald zu Hause die Schrecken der Installation eines DSL-Routers überstanden sind, kann man sich also gelassen als sozialer Netzwerker betätigen. Doch was sind die Möglichkeitsbedingungen dieser Technikvergessenheit? Wie geraten dingliche Netze zu relationalen und unsichtbaren Netzwerken und damit zu jenen Konstellationen, deren systemische Offenheit und Flexibilität erst ihre ubiquitäre Anwendung generiert?

Der Autor sucht Antworten in Fallstudien, Gründungsszenen und Zäsuren, die bisherigen Netzwerkgeschichten zumeist entgangen sind. Die Studie verknüpft dabei geschickt kulturhistorische, bildwissenschaftliche und mediengeschichtliche Perspektiven. Sie beginnt mit Tiefenbohrungen in netzumwobenen Mythen früher Hochkulturen - mit der Materialität von Fangnetzen und einer antiken Faszination für die Geometrie von Spinnennetzen. Mit fast schon überbordender Gelehrtheit verfolgt Gießmann dabei anhand der Rezeption des griechischen Mythos von Arachne und Minerva die Transformation eines vormodernen, negativ konnotierten Netzverständnisses zu einem modernen Funktionsbild für Gemeinschaft.

Daran schließen sich Geschichten an, die stets auch die politischen und ökonomischen Effekte einer zwischen Zentralisation und Dezentralisierung oszillierenden, "netzigen" Regierungskunst oder Gouvernementalität (Michel Foucault) im Auge haben. Hier finden sich etwa die "Kanalphantasien" der Saint-Simonisten, hier siedeln Medien- und Technikgeschichten der Verbreitung von Telefon- und Computernetzwerken, die ungehobene Aspekte scharfstellen: den Übergang zum automatisierten Switching in Telefonzentralen der Zwischenkriegszeit ebenso wie die Optimierung von Kommunikationsprotokollen zur zeitkritischen Weitergabe von Datenpaketen (bei Paul Baran "Hot Potatoes" genannt) oder die Bedeutung von IMPs (Internet Message Processors) als Hardwareschicht unter diesen Protokollen. Und hier findet man eine "Bildgeschichte des Netzwerkdiagramms", die einen überraschend großen Teil des Materials ausmacht.

Doch wo sich Netze zunehmend immaterialisieren, werden ihre Diagramme und Pläne zum eigentlichen "Medium der Netzwerkgesellschaft": einerseits als diagrammatische, zwischen Schrift und Bild liegende Strukturen, etwa in den Notationen von Mathematik, Chemie und Soziometrie. Augenfälliger aber noch am Beispiel der London Tube Map und der Netzwerkplanungs-Tools von Unternehmen.

Das Buch endet historisch kurz vor dem World Wide Web samt vernetztem Heimcomputer. So entgeht es zwar methodisch der Gefahr eines Fortschreibens der von ihm kritisierten Universalisierungstendenzen. Jedoch verschenkt es inhaltlich zugleich die Thematisierung jener Geopolitiken und Ökonomien, die die weltweiten Netzinfrastrukturen von heute bedingen. Und es verwundert, dass Schlagworte wie "Internet of Things" und "Industrie 4.0" unerwähnt bleiben.

Das ist jedoch zu verschmerzen, so verbleibt Platz für netzkritische Chuzpe. Denn abschließend widmet sich Gießmann ausgewählten Verschwörungstheoretikern als den "besten Netzwerkanalytikern". Die Diagramme etwa eines Mark Lombardi ließen sich als Gegenentwurf lesen zu den dominierenden Ansätzen der Netzwerkforschung. Ihre Paranoia eröffne Räume für wirkungsvolle Netzkritik und antihegemoniale Theorien.

Dieser Schlussteil bezeugt eine die ganze Studie durchziehende Lust am Querdenken; und dass die von Edward Snowden enthüllten Verflechtungen manche Verschwörungstheorie noch übersteigen, unterstreicht die Treffsicherheit dieser Schauplatzwahl. Und so gilt zwar auch weiterhin Walter Benjamins Spruch: "Wir können das Netz, in dem wir stehen, nicht zuziehen." Doch nach dieser Lektüre hat man das klarer vor Augen denn je.

SEBASTIAN VEHLKEN

Sebastian Gießmann: "Die Verbundenheit der Dinge". Eine Kulturgeschichte der Netze und Netzwerke.

Kulturverlag Kadmos, Berlin 2014. 500 S., Abb., geb., 29,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit dem unter dem Titel "Die Verbundenheit der Dinge" erschienenen Buch Sebastian Gießmanns hat Rezensent Sebastian Vehlken einen ebenso faszinierenden wie gelehrten Diskurs von Netzen, Netzwerkgesellschaften und digitalen Netzwerken gelesen. Der Kritiker folgt in Gießmanns philosophisch fundierter Studie interessiert der Frage, wie die Materialität von Netzwerken verlorenging, erfährt anhand von Fallstudien und Gründungsszenen, aber auch durch brillant verbundene kulturhistorische, bildwissenschaftliche und mediengeschichtliche Exkurse worin die Bedingungen der neuen Technikvergessenheit liegen und liest nicht zuletzt eine fundierte "Bildgeschichte des Netzwerkdiagramms". Auch wenn Vehlken die Untersuchung der die Netzinfrastrukturen bedingenden Geopolitiken und Ökonomien vermisst, kann er diese reichhaltige, "querdenkende" und Augen öffnende Studie nur unbedingt empfehlen.

© Perlentaucher Medien GmbH