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Ein Mann verschwindet - und eine Liebesgeschichte wird zum Krimi
'Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden.' Mit dieser Aussage steht die so reizvoll verhuschte Marga eines Tages vor Robert vom Morddezernat. Robert ist sich nicht sicher, was er von dieser Geschichte halten soll. Aber er ist fasziniert von Marga und verstrickt sich immer mehr in deren skurrile, poetische Lebenswelt. Und es dauert nicht lange, bis er als Mordermittler zuständiger ist, als er sich gewünscht hätte ...Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2008.

Produktbeschreibung
Ein Mann verschwindet - und eine Liebesgeschichte wird zum Krimi

'Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden.' Mit dieser Aussage steht die so reizvoll verhuschte Marga eines Tages vor Robert vom Morddezernat. Robert ist sich nicht sicher, was er von dieser Geschichte halten soll. Aber er ist fasziniert von Marga und verstrickt sich immer mehr in deren skurrile, poetische Lebenswelt. Und es dauert nicht lange, bis er als Mordermittler zuständiger ist, als er sich gewünscht hätte ...Auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2008.
Autorenporträt
Kuckart, Judith
Judith Kuckart, geboren 1959 in Schwelm/Westfalen, absolvierte eine Tanzausbildung an der Folkwang-Schule in Essen und studierte Literatur- und Theaterwissenschaften in Köln und Berlin. 1986 gründete sie das Tanztheater Skoronel in Berlin, mit dem sie bis 1998 an verschiedenen deutschen und internationalen Bühnen Stücke aufführte, an denen sie als Autorin, Tänzerin, Choreografin und Regisseurin mitwirkte. Für ihr Werk wurde Judith Kuckart vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis 2012, dem Margarete-Schrader-Preis für Literatur der Universität Paderborn 2006 und dem Deutscher Kritikerpreis 2004. Ihr Roman "Wünsche" stand 2013 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis.
Rezensionen
"Ein poetisches Buch über die Grenzen von Wirklichkeit und die Frage, wann aus einer Erfindung eine Lüge wird." kulturSPIEGEL

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit diesem Roman hat die Autorin den Kriminalroman als Märchen wieder erfunden, feiert Rezensent Roman Bucheli das neue Buch von Judith Kuckart. Und nicht nur das: auch als "vollendete" Studie über "die Melancholie des Verlassenen" hat die Geschichte von der seltsamen Marga, die ihren Geliebten in einer Geisterbahn verlor, und dem Kriminalbeamten Robert, der den Fall untersucht, den Rezensent begeistert. Die Beziehung, die sich entwickelt, fesselt Bucheli ebenso, wie der Fortgang des virtuos geschilderten Kriminalfalls. Manchmal fühlt sich der bezauberte Rezensent beim Lesen dieser Geschichte an die Kunstmärchen der Romantiker erinnert. Die fatalistische und bedingungslose Liebe, die in diesen Fabeln die Hauptrolle hatte, werde von Kuckart nicht nur wiederbelebt, sondern in eigene, ""sinnlich betörende Bilder übersetzt".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2008

Vom reflexhaften Entkleiden kurz vor dem Erfrierungstod
In Judith Kuckarts Roman weckt die traumtänzerische Marga im melancholischen Robert die Sehnsucht nach einem Neuanfang

"Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden." Mit entwaffnender Naivität trägt Marga, eine rätselhafte Enddreißigerin, dem Polizeihauptkommissar Robert ihren Fall vor. Bei dem Mann handelt es sich um Mathias Böhm, einen Filmausstatter, mit dem Marga eine flüchtige Affäre verbindet. Das seltsame Auftreten Margas, die in gewisser Weise wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint, legt aber einen anderen Verdacht nahe: Hat sich hier nicht jemand auf gewitzte Weise seiner anstrengenden Geliebten entledigt?

Die Recherchen Roberts bringen zunächst kaum Licht ins Dunkel. Er besucht die Kirmestruppe, bei der sich Marga für zwei Wochen als "kalte Hand" in der Geisterbahn verdingt hatte, sucht die verlassene Wohnung von Mathias Böhm auf und lernt Margas geistig zurückgebliebenen Bruder Andreas kennen, mit dem sie in einer Art Geschwisterehe seit dem frühen Tod der Eltern zusammenlebt. Vor allem aber übt Marga, die von kaum jemandem für voll genommen wird, eine soghafte Wirkung auf ihn aus, ist sie doch ein Spiegel seiner eigenen Wünsche und Ängste und zwingt ihn zur Auseinandersetzung mit seinem bisherigen Leben.

Nur vordergründig geht es in Judith Kuckarts Roman um Kriminalistisches. Entscheidender ist die Entfaltung personeller Konstellationen, auch die Reflexion über den prekären Status von Wirklichkeit und Gefühl. Das Bild der Geisterbahn wird in diesem Sinne zu einer Metapher für das Leben, und die Trias von Verschwinden, Angst und Kindheitserinnerung, die dem Ausgangsfall genau besehen innewohnt, wird in vielen Varianten durchgespielt: "Wir alle haben als Kinder etwas gesehen und manchen sind die Augen davon zu weit offen geblieben", heißt es bedeutungsschwer über Marga. Ein magisches Verhältnis zur Wirklichkeit zeichnet sie aus, gepaart mit einer guten Portion Lebensuntüchtigkeit, in letzter Instanz aber bleibt Marga undurchdringlich. Dies ändert sich auch nicht, als sie Robert, der auf eine Vortragsreise über das Phänomen der "Kälteidiotie" - das reflexhafte Entkleiden kurz vor dem Erfrierungstod - geht, nachreist und eine Affäre beginnt. Neben ihrer körperlichen Attraktivität fesseln Robert vor allem ihre betörenden Geschichten, deren Wirklichkeitsgehalt unklar bleibt und die den Wahrheitsfindungsspezialisten nachhaltig verunsichern.

In ihrem Hang zu Melancholie und Traurigkeit - woran nicht zuletzt Roberts Ehe gescheitert ist - passen Marga und Robert zusammen. "Glück bemerkte Robert immer erst in der Zeit nach dem Glück, als Mangel. Er war zu langsam für die großen Gefühle. Genau im Hier und Jetzt zu sein, das war für Robert Mandt immer eine Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen." Dadurch hebt sich Robert spürbar von seinen eventorientierten Mitmenschen ab, etwa von seiner karrierefixierten Kollegin Nico. Ausgelöst durch Marga, stellt sich für ihn, der seine Einsamkeit durch übertriebenen Arbeitseifer zu kompensieren versucht, die Frage eines Neuanfangs. Für dessen radikale Form steht die durchdeklinierte Metapher des Verschwindens. In diese Richtung weist etwa die beiläufig erzählte Geschichte des erfolgreichen Arztes Fernando Schwarz, der von einer Stunde zur nächsten Job und Familie aufgibt. Das Ergebnis nimmt das Ende des Romans im Kern vorweg. Der Arzt leitet wenige Jahre später eine Klinik in Ungarn, hat erneut Frau, Kind und Haus. Das neue Leben ist eine Kopie des alten, seiner Veranlagung entkommt man nicht.

Und so wird Robert im Alltag Marga mehr und mehr untreu und muss sie schließlich ins Zentrum seiner Ermittlungen rücken, zumal als er selbst von einer unbekannten Person angeschossen wird. Was der Roman dadurch auf der Plotebene gewinnt, verliert er allerdings an poetischer Suggestivkraft, die vor allem seine erste Hälfte bestimmt. Zwar ist es nicht ohne innere Logik, dass die Außenseiterfiguren Marga und Andreas Burg am Ende das Feld räumen müssen, dass für ihre Andersheit kein Platz in der Welt ist, und doch bekommt ihnen der detektivische beziehungsweise psychologische Zugriff schlecht, wird manches Rätselhaft-Dunkle doch eher trivial und genretypisch aufgelöst.

Es ist der Preis, den Judith Kuckart dafür bezahlt, dass sie ihrem Roman das Muster eines Kriminalfalls zugrunde legt. Am Ende überwiegen Aufklärung und Desillusionierung, nicht Verunsicherung und Undurchdringlichkeit. Trotzdem ist es lohnend, sich auf Kuckarts labyrinthischen Roman einzulassen, dessen einigermaßen dümmlicher Titel "Die Verdächtige" über die gedanklichen Abenteuer hinwegtäuscht, die er dem Leser über weite Strecken bietet.

THOMAS MEISSNER

Judith Kuckart: "Die Verdächtige". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 285 S., geb., 19,90 [Euro].

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