Robert ist 39, sieht aus wie George Clooney und arbeitet im Morddezernat. Seine Frau hat er bei einer Verkehrskontrolle kennengelernt, aber die hat ihn gerade verlassen. Da kommt zu ihm aufs Kommissariat eine Frau, an der alles seltsam ist, nicht nur der Kragen ihres Mantels, der ihr wie ein Rhabarberblatt über die Schultern fällt. Marga Burg will eine Vermisstenanzeige aufgeben. Sie war mit ihrem Freund Mathias auf der Kirmes, er stieg allein in die Geisterbahn und kam nicht mehr heraus:
»Er war einfach verschwunden, wie eine Faust verschwindet, wenn man die Hand öffnet.« Robert macht sich zusammen mit seiner forschen Kollegin Nico auf die Suche. Doch überall begegnet er Marga, die umso undurchschaubarer wird, je näher er ihr kommt.
Judith Kuckart hat einen bezwingenden Roman geschrieben: Leichthändig und raffiniert entwirft sie eine Liebesgeschichte als Krimi, der seine Leser in den Bann schlägt. Dabei ist 'Die Verdächtige' so große Literatur, dass jeder einzelne Satz Vergnügen bereitet.
»Er war einfach verschwunden, wie eine Faust verschwindet, wenn man die Hand öffnet.« Robert macht sich zusammen mit seiner forschen Kollegin Nico auf die Suche. Doch überall begegnet er Marga, die umso undurchschaubarer wird, je näher er ihr kommt.
Judith Kuckart hat einen bezwingenden Roman geschrieben: Leichthändig und raffiniert entwirft sie eine Liebesgeschichte als Krimi, der seine Leser in den Bann schlägt. Dabei ist 'Die Verdächtige' so große Literatur, dass jeder einzelne Satz Vergnügen bereitet.
»Sie kann Sätze schreiben, die durch Mark und Bein fahren.«
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
»Wir werden diesen 'grandiosen Roman', der 'so große Literatur' ist, 'dass jeder einzelne Satz Vergnügen bereitet' nicht in die Krimikiste zerren.«
Uta-Maria Heim, TITEL KULTURMAGAZIN
»Eine Sprache, die souverän die Handlung vorantriebt, aber auch die darunter liegenden Räume öffnet, die nichts behauptet, aber alles zeigt.«
Detlef Grumbach, SR 2 KULTURRADIO
»Ein kühles Buch, elegisch schön und widerstreitend dazu, weil die Autorin furchtlos und gegen alles Trends auf Innerlichkeit setzt.«
Peter Henning, SPIEGEL ONLINE
»Judith Kuckart veranstaltet mit den Mitteln des Kriminalromans ein ganz großes Illusionstheater. Sie bedient sich des Genres mit Eleganz und Meisterschaft.«
Elmar Krekeler, DIE WELT
»Die Autorin [...] widmet sich grundsätzlichen Problemen und existenziellen Krisenszenarien.«
Werner Jung, NEUES DEUTSCHLAND
»Ein poetisches Buch über die Grenzen von Wirklichkeit und die Frage, wann aus einer Erfindung eine Lüge wird.«
KULTURSPIEGEL
»Ein leises Buch [...] über Liebesbedürftigkeit, Scheu und Scham.«
BRIGITTE
»Ein hinreissender Roman von zwei todtraurigen Glückskindern.«
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
»Ein kühnes Buch, elegisch schön und widerstreitend dazu.«
SPIEGEL ONLINE
»Die Hauptfigur Marga Burg [...] ist eine der faszinierendsten, erratischsten Figuren der neueren Erzählliteratur.«
TAGES ANZEIGER
»'Die Verdächtige' [ist] so große Literatur, dass jeder einzelne Satz Vergnügen bereitet.«
Bernd Kielmann, BUCH MAGAZIN
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
»Wir werden diesen 'grandiosen Roman', der 'so große Literatur' ist, 'dass jeder einzelne Satz Vergnügen bereitet' nicht in die Krimikiste zerren.«
Uta-Maria Heim, TITEL KULTURMAGAZIN
»Eine Sprache, die souverän die Handlung vorantriebt, aber auch die darunter liegenden Räume öffnet, die nichts behauptet, aber alles zeigt.«
Detlef Grumbach, SR 2 KULTURRADIO
»Ein kühles Buch, elegisch schön und widerstreitend dazu, weil die Autorin furchtlos und gegen alles Trends auf Innerlichkeit setzt.«
Peter Henning, SPIEGEL ONLINE
»Judith Kuckart veranstaltet mit den Mitteln des Kriminalromans ein ganz großes Illusionstheater. Sie bedient sich des Genres mit Eleganz und Meisterschaft.«
Elmar Krekeler, DIE WELT
»Die Autorin [...] widmet sich grundsätzlichen Problemen und existenziellen Krisenszenarien.«
Werner Jung, NEUES DEUTSCHLAND
»Ein poetisches Buch über die Grenzen von Wirklichkeit und die Frage, wann aus einer Erfindung eine Lüge wird.«
KULTURSPIEGEL
»Ein leises Buch [...] über Liebesbedürftigkeit, Scheu und Scham.«
BRIGITTE
»Ein hinreissender Roman von zwei todtraurigen Glückskindern.«
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
»Ein kühnes Buch, elegisch schön und widerstreitend dazu.«
SPIEGEL ONLINE
»Die Hauptfigur Marga Burg [...] ist eine der faszinierendsten, erratischsten Figuren der neueren Erzählliteratur.«
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»'Die Verdächtige' [ist] so große Literatur, dass jeder einzelne Satz Vergnügen bereitet.«
Bernd Kielmann, BUCH MAGAZIN
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Mit diesem Roman hat die Autorin den Kriminalroman als Märchen wieder erfunden, feiert Rezensent Roman Bucheli das neue Buch von Judith Kuckart. Und nicht nur das: auch als "vollendete" Studie über "die Melancholie des Verlassenen" hat die Geschichte von der seltsamen Marga, die ihren Geliebten in einer Geisterbahn verlor, und dem Kriminalbeamten Robert, der den Fall untersucht, den Rezensent begeistert. Die Beziehung, die sich entwickelt, fesselt Bucheli ebenso, wie der Fortgang des virtuos geschilderten Kriminalfalls. Manchmal fühlt sich der bezauberte Rezensent beim Lesen dieser Geschichte an die Kunstmärchen der Romantiker erinnert. Die fatalistische und bedingungslose Liebe, die in diesen Fabeln die Hauptrolle hatte, werde von Kuckart nicht nur wiederbelebt, sondern in eigene, ""sinnlich betörende Bilder übersetzt".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2008Zu langsam für das Glück
In „Die Verdächtige” erzählt Judith Kuckart im Gewand eines Kriminalromans von der Liebe
Nicht ganz von dieser Welt ist die Frau, die am Anfang des neuen Romans von Judith Kuckart eine Vermisstenanzeige aufgibt. „Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden”, sagt die seltsam altmodisch wirkende Erscheinung mit aufgerissenen Augen. Sie trägt einen Mantel, dessen Kragen „wie ein riesiges Rhabarberblatt” über ihre Schultern fällt. Marga Burg ist Ende dreißig. Sicher hat sie als Kind schon genauso ausgesehen, denkt sich Robert, der Kriminalhauptkommissar, dem der Kollege augenzwinkernd den Fall zuspielt. Ihm ist es recht, auch wenn er sofort merkt, dass mit dieser Frau etwas nicht stimmt. Sie gefällt ihm, ihre melancholische Unbeholfenheit spricht ihn an, zumal er gerade von seiner Ehefrau verlassen wurde, deren Geruch er jede Nacht in der Nase hat, weil er es nicht über sich bringt, ihr Bettzeug abzuziehen. Noch hofft er Nacht für Nacht, sie läge neben ihm, „wenn auch abgewandt, um selbst im Schlaf ihren Unmut über die Beziehung auszudrücken”.
Mit einem einzigen Satz kann Judith Kuckart eine ganze Geschichte erzählen. Und es steckt eine Wehmut in ihren Sätzen, die unheimlich ist. Im Gewand eines Kriminalromans evoziert die 1959 geborene Autorin Stimmungen, die nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheinen. Man fühlt sich für Momente wie in einem frühen Film von Louis Malle, „Fahrstuhl zum Schafott” beispielsweise, mit der Musik von Miles Davis und dem Gesicht von Jeanne Moreau, oder wie bei Truffaut, Godard, Antonioni oder Hitchcock. Und auch wenn man kein Nostalgiker ist und die alten Filme ihrer Langsamkeit wegen kaum noch ansehen kann, versteht man die Fragestellung dieses Romans auf Anhieb: Wo ist all das hin, was man einmal für existentiell gehalten hat?
Kein Zugang zur Wirklichkeit
Judith Kuckart lässt es sich nicht nehmen, die großen Pathos-Themen der Literatur am Leben zu erhalten. Nur wenige Autoren interessieren sich mit vergleichbarer Leidenschaft für die rätselhafte Anziehung zwischen Mann und Frau. Sie beobachtet Gesten, Glücks- und Schreckensmomente, wie sie Gesichter von einem Augenblick auf den anderen verzaubern oder entstellen können. Und sie kann Sätze schreiben, die durch Mark und Bein fahren. Natürlich läuft ein solches Schreiben immer auch Gefahr, dass die Suche nach dem besonderen Ausdruck ins Prätentiöse umschlägt. Das geschieht in ihrem neuen Roman so selten wie nie. Die somnambule Sicherheit der anverwandelten Krimi-Elemente erzeugt eine Atmosphäre, die ihrem Schreiben guttut. Die charakteristischen Kuckart-Sätze passieren wie nebenbei.
„Die Verdächtige” handelt vom Verschwinden, vom Verschwinden der Liebe und ganzer Personen, vom Tod, von Angst, Panik und Kälte, vom unwirklichen Gefühl, keinen Zugang zur Wirklichkeit zu finden, und vom Schwindel, der jene ergreift, denen das Leben den Boden unter den Füßen wegzieht. Dabei gelingt es der Autorin, die auch als Choreographin und Regisseurin arbeitet, die Retro-Atmosphäre ihres Romans in die Gegenwart zu überführen. Er spielt in einer Kleinstadt in der Nähe Wuppertals. Wer will, kann darin Schwelm erkennen, wo Judith Kuckart geboren ist. Da gibt es nicht nur eine Fußgängerzone mit einem in den siebziger Jahren „hingewürfelten” Kaufhauskasten, es gibt auch Hinterhöfe als Überbleibsel des Industriezeitalters, verlassene Fabriken mit angegliederten Wohnungen, von denen der Blick in den Hof fällt, auf dem früher die Kinder spielten. Marga Burg war so ein Kind und könnte beinahe aus Else Lasker-Schülers Drama „Die Wupper” entsprungen sein. Der Vater war Arbeiter der mittlerweile stillgelegten Fahrstuhlfabrik, die Mutter putzte dort. Seit dem frühen Tod der Eltern lebt sie mit dem drei Jahre jüngeren Bruder und einem Kater „zu dritt” in der Wohnung, an deren Tür immer noch ein Emailleschild mit der Aufschrift „Familie Burg” hängt. Sie hat Religionswissenschaften studiert, aber nie eine Stelle gefunden, nach mehreren Aushilfsjobs arbeitet sie nun im Straßenverkehrsamt. Der Mann, dessen Verschwinden sie anzeigt, scheint ihre erste große Liebe gewesen zu sein, Kulissenbauer und Teilhaber einer Filmproduktionsfirma. Kennengelernt hat sie ihn auf Sylt, bei einer vom Bruder gewonnenen und an seiner Stelle angetretenen Reise. Der fettleibige Andreas traut sich kaum noch aus dem Haus.
Im Zentrum des Romans steht der neununddreißigjährige Robert Mandt, ein intelligenter und feinfühliger Ermittler, dem die Kollegen attestieren, er sähe aus wie George Clooney. Isa, seine Noch-Ehefrau, meint allerdings, er gleiche eher einem männlichen Model, das in einer Polizeifachzeitschrift Versicherungen verkaufen soll. Und so sehr ihn das beleidigt, insgeheim stimmt er ihr zu. Er hat von seinem Vater eine Bob-Dylan-Sammlung geerbt und ist Fan von Dylans Radiosendung, die er sich aus dem Internet holt und auf CDs brennt. Sie bilden den Soundtrack seines Lebens. Als Siebzehnjähriger ist er seinem Namensvetter sogar einmal backstage begegnet. Aber er „hatte sich schon damals nicht durch irgendeinen Anfall von Glück umwerfen lassen. Glück bemerkte Robert immer erst in der Zeit nach dem Glück, als Mangel. Er war zu langsam für die großen Gefühle. Genau im Hier und Jetzt zu sein, das war für Robert Mandt immer eine Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen”. Die Figur des sympathischen und melancholischen Polizisten ist die eigentliche Findung des Romans. Ihm laufen die Frauen zu, ohne dass er es so recht bemerkt. Und so geht die Kriminalstory mehr und mehr in einen Liebesreigen über, der per Beischlaf die kühnsten Verwandtschaften stiftet.
Was am meisten für diesen Roman einnimmt, ist sein zärtlicher Blick. „Die Verdächtige” ist mit der Radiosendung von Bob Dylan verwandt, der die Musik vergangener Jahrzehnte nicht im Sinne einer Retrospektive spielt, sondern mit dem Impetus enthusiastischer Vergegenwärtigung. Mehr als einmal denkt man an die „zärtliche Gleichgültigkeit der Welt”, für die Camus’ Meursault kurz vor der Hinrichtung empfänglich wird. „Die Verdächtige” könnte auch „Die Fremde” heißen.MEIKE FESSMANN
JUDITH KUCKART: Die Verdächtige. Roman. DuMont Verlag, Köln 2008. 285 Seiten, 19,90 Euro.
Irgendwo zwischen den Figuren des Fremden und des Verdächtigen: Bob Dylan. Die Autorin Judith Kuckart (links). Foto: CORBIS (oben) / DuMont Verlag (links)
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
In „Die Verdächtige” erzählt Judith Kuckart im Gewand eines Kriminalromans von der Liebe
Nicht ganz von dieser Welt ist die Frau, die am Anfang des neuen Romans von Judith Kuckart eine Vermisstenanzeige aufgibt. „Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden”, sagt die seltsam altmodisch wirkende Erscheinung mit aufgerissenen Augen. Sie trägt einen Mantel, dessen Kragen „wie ein riesiges Rhabarberblatt” über ihre Schultern fällt. Marga Burg ist Ende dreißig. Sicher hat sie als Kind schon genauso ausgesehen, denkt sich Robert, der Kriminalhauptkommissar, dem der Kollege augenzwinkernd den Fall zuspielt. Ihm ist es recht, auch wenn er sofort merkt, dass mit dieser Frau etwas nicht stimmt. Sie gefällt ihm, ihre melancholische Unbeholfenheit spricht ihn an, zumal er gerade von seiner Ehefrau verlassen wurde, deren Geruch er jede Nacht in der Nase hat, weil er es nicht über sich bringt, ihr Bettzeug abzuziehen. Noch hofft er Nacht für Nacht, sie läge neben ihm, „wenn auch abgewandt, um selbst im Schlaf ihren Unmut über die Beziehung auszudrücken”.
Mit einem einzigen Satz kann Judith Kuckart eine ganze Geschichte erzählen. Und es steckt eine Wehmut in ihren Sätzen, die unheimlich ist. Im Gewand eines Kriminalromans evoziert die 1959 geborene Autorin Stimmungen, die nicht mehr in unsere Zeit zu passen scheinen. Man fühlt sich für Momente wie in einem frühen Film von Louis Malle, „Fahrstuhl zum Schafott” beispielsweise, mit der Musik von Miles Davis und dem Gesicht von Jeanne Moreau, oder wie bei Truffaut, Godard, Antonioni oder Hitchcock. Und auch wenn man kein Nostalgiker ist und die alten Filme ihrer Langsamkeit wegen kaum noch ansehen kann, versteht man die Fragestellung dieses Romans auf Anhieb: Wo ist all das hin, was man einmal für existentiell gehalten hat?
Kein Zugang zur Wirklichkeit
Judith Kuckart lässt es sich nicht nehmen, die großen Pathos-Themen der Literatur am Leben zu erhalten. Nur wenige Autoren interessieren sich mit vergleichbarer Leidenschaft für die rätselhafte Anziehung zwischen Mann und Frau. Sie beobachtet Gesten, Glücks- und Schreckensmomente, wie sie Gesichter von einem Augenblick auf den anderen verzaubern oder entstellen können. Und sie kann Sätze schreiben, die durch Mark und Bein fahren. Natürlich läuft ein solches Schreiben immer auch Gefahr, dass die Suche nach dem besonderen Ausdruck ins Prätentiöse umschlägt. Das geschieht in ihrem neuen Roman so selten wie nie. Die somnambule Sicherheit der anverwandelten Krimi-Elemente erzeugt eine Atmosphäre, die ihrem Schreiben guttut. Die charakteristischen Kuckart-Sätze passieren wie nebenbei.
„Die Verdächtige” handelt vom Verschwinden, vom Verschwinden der Liebe und ganzer Personen, vom Tod, von Angst, Panik und Kälte, vom unwirklichen Gefühl, keinen Zugang zur Wirklichkeit zu finden, und vom Schwindel, der jene ergreift, denen das Leben den Boden unter den Füßen wegzieht. Dabei gelingt es der Autorin, die auch als Choreographin und Regisseurin arbeitet, die Retro-Atmosphäre ihres Romans in die Gegenwart zu überführen. Er spielt in einer Kleinstadt in der Nähe Wuppertals. Wer will, kann darin Schwelm erkennen, wo Judith Kuckart geboren ist. Da gibt es nicht nur eine Fußgängerzone mit einem in den siebziger Jahren „hingewürfelten” Kaufhauskasten, es gibt auch Hinterhöfe als Überbleibsel des Industriezeitalters, verlassene Fabriken mit angegliederten Wohnungen, von denen der Blick in den Hof fällt, auf dem früher die Kinder spielten. Marga Burg war so ein Kind und könnte beinahe aus Else Lasker-Schülers Drama „Die Wupper” entsprungen sein. Der Vater war Arbeiter der mittlerweile stillgelegten Fahrstuhlfabrik, die Mutter putzte dort. Seit dem frühen Tod der Eltern lebt sie mit dem drei Jahre jüngeren Bruder und einem Kater „zu dritt” in der Wohnung, an deren Tür immer noch ein Emailleschild mit der Aufschrift „Familie Burg” hängt. Sie hat Religionswissenschaften studiert, aber nie eine Stelle gefunden, nach mehreren Aushilfsjobs arbeitet sie nun im Straßenverkehrsamt. Der Mann, dessen Verschwinden sie anzeigt, scheint ihre erste große Liebe gewesen zu sein, Kulissenbauer und Teilhaber einer Filmproduktionsfirma. Kennengelernt hat sie ihn auf Sylt, bei einer vom Bruder gewonnenen und an seiner Stelle angetretenen Reise. Der fettleibige Andreas traut sich kaum noch aus dem Haus.
Im Zentrum des Romans steht der neununddreißigjährige Robert Mandt, ein intelligenter und feinfühliger Ermittler, dem die Kollegen attestieren, er sähe aus wie George Clooney. Isa, seine Noch-Ehefrau, meint allerdings, er gleiche eher einem männlichen Model, das in einer Polizeifachzeitschrift Versicherungen verkaufen soll. Und so sehr ihn das beleidigt, insgeheim stimmt er ihr zu. Er hat von seinem Vater eine Bob-Dylan-Sammlung geerbt und ist Fan von Dylans Radiosendung, die er sich aus dem Internet holt und auf CDs brennt. Sie bilden den Soundtrack seines Lebens. Als Siebzehnjähriger ist er seinem Namensvetter sogar einmal backstage begegnet. Aber er „hatte sich schon damals nicht durch irgendeinen Anfall von Glück umwerfen lassen. Glück bemerkte Robert immer erst in der Zeit nach dem Glück, als Mangel. Er war zu langsam für die großen Gefühle. Genau im Hier und Jetzt zu sein, das war für Robert Mandt immer eine Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen”. Die Figur des sympathischen und melancholischen Polizisten ist die eigentliche Findung des Romans. Ihm laufen die Frauen zu, ohne dass er es so recht bemerkt. Und so geht die Kriminalstory mehr und mehr in einen Liebesreigen über, der per Beischlaf die kühnsten Verwandtschaften stiftet.
Was am meisten für diesen Roman einnimmt, ist sein zärtlicher Blick. „Die Verdächtige” ist mit der Radiosendung von Bob Dylan verwandt, der die Musik vergangener Jahrzehnte nicht im Sinne einer Retrospektive spielt, sondern mit dem Impetus enthusiastischer Vergegenwärtigung. Mehr als einmal denkt man an die „zärtliche Gleichgültigkeit der Welt”, für die Camus’ Meursault kurz vor der Hinrichtung empfänglich wird. „Die Verdächtige” könnte auch „Die Fremde” heißen.MEIKE FESSMANN
JUDITH KUCKART: Die Verdächtige. Roman. DuMont Verlag, Köln 2008. 285 Seiten, 19,90 Euro.
Irgendwo zwischen den Figuren des Fremden und des Verdächtigen: Bob Dylan. Die Autorin Judith Kuckart (links). Foto: CORBIS (oben) / DuMont Verlag (links)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2008Vom reflexhaften Entkleiden kurz vor dem Erfrierungstod
In Judith Kuckarts Roman weckt die traumtänzerische Marga im melancholischen Robert die Sehnsucht nach einem Neuanfang
"Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden." Mit entwaffnender Naivität trägt Marga, eine rätselhafte Enddreißigerin, dem Polizeihauptkommissar Robert ihren Fall vor. Bei dem Mann handelt es sich um Mathias Böhm, einen Filmausstatter, mit dem Marga eine flüchtige Affäre verbindet. Das seltsame Auftreten Margas, die in gewisser Weise wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint, legt aber einen anderen Verdacht nahe: Hat sich hier nicht jemand auf gewitzte Weise seiner anstrengenden Geliebten entledigt?
Die Recherchen Roberts bringen zunächst kaum Licht ins Dunkel. Er besucht die Kirmestruppe, bei der sich Marga für zwei Wochen als "kalte Hand" in der Geisterbahn verdingt hatte, sucht die verlassene Wohnung von Mathias Böhm auf und lernt Margas geistig zurückgebliebenen Bruder Andreas kennen, mit dem sie in einer Art Geschwisterehe seit dem frühen Tod der Eltern zusammenlebt. Vor allem aber übt Marga, die von kaum jemandem für voll genommen wird, eine soghafte Wirkung auf ihn aus, ist sie doch ein Spiegel seiner eigenen Wünsche und Ängste und zwingt ihn zur Auseinandersetzung mit seinem bisherigen Leben.
Nur vordergründig geht es in Judith Kuckarts Roman um Kriminalistisches. Entscheidender ist die Entfaltung personeller Konstellationen, auch die Reflexion über den prekären Status von Wirklichkeit und Gefühl. Das Bild der Geisterbahn wird in diesem Sinne zu einer Metapher für das Leben, und die Trias von Verschwinden, Angst und Kindheitserinnerung, die dem Ausgangsfall genau besehen innewohnt, wird in vielen Varianten durchgespielt: "Wir alle haben als Kinder etwas gesehen und manchen sind die Augen davon zu weit offen geblieben", heißt es bedeutungsschwer über Marga. Ein magisches Verhältnis zur Wirklichkeit zeichnet sie aus, gepaart mit einer guten Portion Lebensuntüchtigkeit, in letzter Instanz aber bleibt Marga undurchdringlich. Dies ändert sich auch nicht, als sie Robert, der auf eine Vortragsreise über das Phänomen der "Kälteidiotie" - das reflexhafte Entkleiden kurz vor dem Erfrierungstod - geht, nachreist und eine Affäre beginnt. Neben ihrer körperlichen Attraktivität fesseln Robert vor allem ihre betörenden Geschichten, deren Wirklichkeitsgehalt unklar bleibt und die den Wahrheitsfindungsspezialisten nachhaltig verunsichern.
In ihrem Hang zu Melancholie und Traurigkeit - woran nicht zuletzt Roberts Ehe gescheitert ist - passen Marga und Robert zusammen. "Glück bemerkte Robert immer erst in der Zeit nach dem Glück, als Mangel. Er war zu langsam für die großen Gefühle. Genau im Hier und Jetzt zu sein, das war für Robert Mandt immer eine Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen." Dadurch hebt sich Robert spürbar von seinen eventorientierten Mitmenschen ab, etwa von seiner karrierefixierten Kollegin Nico. Ausgelöst durch Marga, stellt sich für ihn, der seine Einsamkeit durch übertriebenen Arbeitseifer zu kompensieren versucht, die Frage eines Neuanfangs. Für dessen radikale Form steht die durchdeklinierte Metapher des Verschwindens. In diese Richtung weist etwa die beiläufig erzählte Geschichte des erfolgreichen Arztes Fernando Schwarz, der von einer Stunde zur nächsten Job und Familie aufgibt. Das Ergebnis nimmt das Ende des Romans im Kern vorweg. Der Arzt leitet wenige Jahre später eine Klinik in Ungarn, hat erneut Frau, Kind und Haus. Das neue Leben ist eine Kopie des alten, seiner Veranlagung entkommt man nicht.
Und so wird Robert im Alltag Marga mehr und mehr untreu und muss sie schließlich ins Zentrum seiner Ermittlungen rücken, zumal als er selbst von einer unbekannten Person angeschossen wird. Was der Roman dadurch auf der Plotebene gewinnt, verliert er allerdings an poetischer Suggestivkraft, die vor allem seine erste Hälfte bestimmt. Zwar ist es nicht ohne innere Logik, dass die Außenseiterfiguren Marga und Andreas Burg am Ende das Feld räumen müssen, dass für ihre Andersheit kein Platz in der Welt ist, und doch bekommt ihnen der detektivische beziehungsweise psychologische Zugriff schlecht, wird manches Rätselhaft-Dunkle doch eher trivial und genretypisch aufgelöst.
Es ist der Preis, den Judith Kuckart dafür bezahlt, dass sie ihrem Roman das Muster eines Kriminalfalls zugrunde legt. Am Ende überwiegen Aufklärung und Desillusionierung, nicht Verunsicherung und Undurchdringlichkeit. Trotzdem ist es lohnend, sich auf Kuckarts labyrinthischen Roman einzulassen, dessen einigermaßen dümmlicher Titel "Die Verdächtige" über die gedanklichen Abenteuer hinwegtäuscht, die er dem Leser über weite Strecken bietet.
THOMAS MEISSNER
Judith Kuckart: "Die Verdächtige". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 285 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In Judith Kuckarts Roman weckt die traumtänzerische Marga im melancholischen Robert die Sehnsucht nach einem Neuanfang
"Der Mann, den ich liebe, ist am Sonntag vor zwei Wochen in der Geisterbahn verschwunden." Mit entwaffnender Naivität trägt Marga, eine rätselhafte Enddreißigerin, dem Polizeihauptkommissar Robert ihren Fall vor. Bei dem Mann handelt es sich um Mathias Böhm, einen Filmausstatter, mit dem Marga eine flüchtige Affäre verbindet. Das seltsame Auftreten Margas, die in gewisser Weise wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint, legt aber einen anderen Verdacht nahe: Hat sich hier nicht jemand auf gewitzte Weise seiner anstrengenden Geliebten entledigt?
Die Recherchen Roberts bringen zunächst kaum Licht ins Dunkel. Er besucht die Kirmestruppe, bei der sich Marga für zwei Wochen als "kalte Hand" in der Geisterbahn verdingt hatte, sucht die verlassene Wohnung von Mathias Böhm auf und lernt Margas geistig zurückgebliebenen Bruder Andreas kennen, mit dem sie in einer Art Geschwisterehe seit dem frühen Tod der Eltern zusammenlebt. Vor allem aber übt Marga, die von kaum jemandem für voll genommen wird, eine soghafte Wirkung auf ihn aus, ist sie doch ein Spiegel seiner eigenen Wünsche und Ängste und zwingt ihn zur Auseinandersetzung mit seinem bisherigen Leben.
Nur vordergründig geht es in Judith Kuckarts Roman um Kriminalistisches. Entscheidender ist die Entfaltung personeller Konstellationen, auch die Reflexion über den prekären Status von Wirklichkeit und Gefühl. Das Bild der Geisterbahn wird in diesem Sinne zu einer Metapher für das Leben, und die Trias von Verschwinden, Angst und Kindheitserinnerung, die dem Ausgangsfall genau besehen innewohnt, wird in vielen Varianten durchgespielt: "Wir alle haben als Kinder etwas gesehen und manchen sind die Augen davon zu weit offen geblieben", heißt es bedeutungsschwer über Marga. Ein magisches Verhältnis zur Wirklichkeit zeichnet sie aus, gepaart mit einer guten Portion Lebensuntüchtigkeit, in letzter Instanz aber bleibt Marga undurchdringlich. Dies ändert sich auch nicht, als sie Robert, der auf eine Vortragsreise über das Phänomen der "Kälteidiotie" - das reflexhafte Entkleiden kurz vor dem Erfrierungstod - geht, nachreist und eine Affäre beginnt. Neben ihrer körperlichen Attraktivität fesseln Robert vor allem ihre betörenden Geschichten, deren Wirklichkeitsgehalt unklar bleibt und die den Wahrheitsfindungsspezialisten nachhaltig verunsichern.
In ihrem Hang zu Melancholie und Traurigkeit - woran nicht zuletzt Roberts Ehe gescheitert ist - passen Marga und Robert zusammen. "Glück bemerkte Robert immer erst in der Zeit nach dem Glück, als Mangel. Er war zu langsam für die großen Gefühle. Genau im Hier und Jetzt zu sein, das war für Robert Mandt immer eine Geschwindigkeitsüberschreitung gewesen." Dadurch hebt sich Robert spürbar von seinen eventorientierten Mitmenschen ab, etwa von seiner karrierefixierten Kollegin Nico. Ausgelöst durch Marga, stellt sich für ihn, der seine Einsamkeit durch übertriebenen Arbeitseifer zu kompensieren versucht, die Frage eines Neuanfangs. Für dessen radikale Form steht die durchdeklinierte Metapher des Verschwindens. In diese Richtung weist etwa die beiläufig erzählte Geschichte des erfolgreichen Arztes Fernando Schwarz, der von einer Stunde zur nächsten Job und Familie aufgibt. Das Ergebnis nimmt das Ende des Romans im Kern vorweg. Der Arzt leitet wenige Jahre später eine Klinik in Ungarn, hat erneut Frau, Kind und Haus. Das neue Leben ist eine Kopie des alten, seiner Veranlagung entkommt man nicht.
Und so wird Robert im Alltag Marga mehr und mehr untreu und muss sie schließlich ins Zentrum seiner Ermittlungen rücken, zumal als er selbst von einer unbekannten Person angeschossen wird. Was der Roman dadurch auf der Plotebene gewinnt, verliert er allerdings an poetischer Suggestivkraft, die vor allem seine erste Hälfte bestimmt. Zwar ist es nicht ohne innere Logik, dass die Außenseiterfiguren Marga und Andreas Burg am Ende das Feld räumen müssen, dass für ihre Andersheit kein Platz in der Welt ist, und doch bekommt ihnen der detektivische beziehungsweise psychologische Zugriff schlecht, wird manches Rätselhaft-Dunkle doch eher trivial und genretypisch aufgelöst.
Es ist der Preis, den Judith Kuckart dafür bezahlt, dass sie ihrem Roman das Muster eines Kriminalfalls zugrunde legt. Am Ende überwiegen Aufklärung und Desillusionierung, nicht Verunsicherung und Undurchdringlichkeit. Trotzdem ist es lohnend, sich auf Kuckarts labyrinthischen Roman einzulassen, dessen einigermaßen dümmlicher Titel "Die Verdächtige" über die gedanklichen Abenteuer hinwegtäuscht, die er dem Leser über weite Strecken bietet.
THOMAS MEISSNER
Judith Kuckart: "Die Verdächtige". Roman. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 285 S., geb., 19,90 [Euro].
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