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Die Reise eines gescheiterten Genies in seine Vergangenheit wird zu einem raffinierten Spiel zwischen Wirklichkeit und Illusion. In einer gleißend winterlichen Landschaft spielt sich ein Drama von Ehrgeiz und Versagen ab, von Schuld und Sühne.Nach 20 Jahren kehrt der Musiker Louis Baupaume in ein abgelegenes Dorf im Norden Kanadas zurück, um eine alte Angelegenheit zu bereinigen. Der Weg dorthin erweist sich als beschwerlich, die Landschaft ist im Schnee versunken, das Auto kommt nicht mehr voran, er ist gezwungen, die Reise mit dem Hundeschlitten fortzusetzen. Als er sein Ziel endlich…mehr

Produktbeschreibung
Die Reise eines gescheiterten Genies in seine Vergangenheit wird zu einem raffinierten Spiel zwischen Wirklichkeit und Illusion. In einer gleißend winterlichen Landschaft spielt sich ein Drama von Ehrgeiz und Versagen ab, von Schuld und Sühne.Nach 20 Jahren kehrt der Musiker Louis Baupaume in ein abgelegenes Dorf im Norden Kanadas zurück, um eine alte Angelegenheit zu bereinigen. Der Weg dorthin erweist sich als beschwerlich, die Landschaft ist im Schnee versunken, das Auto kommt nicht mehr voran, er ist gezwungen, die Reise mit dem Hundeschlitten fortzusetzen. Als er sein Ziel endlich erreicht, erfährt er, dass ein Mädchen aus dem Dorf vermisst wird. Kurze Zeit später wird es tot aufgefunden. Es kommt zu verstörenden Begegnungen, die in Baupaume schmerzhafte Erinnerungen wachrufen. Schließlich steht er der jungen Frau gegenüber, nach deren erlösenden Worten er sich sehnt.
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Autorenporträt
Soucy, GaétanGaétan Soucy, 1958 in Montréal geboren, studierte Mathematik, Astrophysik und Philosophie. Lehraufträge führten ihn nach Japan, das ihm zur zweiten Heimat wurde. Bis zu seinem Tod im Jahr 2013 lebte er in Montréal und erhielt für seine Bücher, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden, zahlreiche Preise.

Jandl, AndreasAndreas Jandl, 1975 geboren, studierte Theaterwissenschaften, Anglistik und Romanistik in Berlin, London und Montréal. Seit 2000 arbeitet er freiberuflich als Redaktionsassistent, Dramaturg und Übersetzer aus dem Englischen und Französischen. Zu seinen Übersetzungen gehören Theaterstücke und Romane u.a. von Daniel Danis, Nicolas Dickner, Mike Kenny, Michael Mackenzie, Gaétan Soucy und Jennifer Tremblay.

Sievers, FrankFrank Sievers, 1974 geboren, ist freier Übersetzer aus dem Englischen und Französischen und Theater-Performer. Zusammen mit Andreas Jandl erhielt er 2017 den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis für Der Wanderfalke von J. A. Baker.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2008

Kontrapunkt und Tränenbrand
Gaétan Soucy versucht, die Künstlernovelle zu reanimieren
Ein Buch, das mit zwei Sätzen von lapidarer Wucht beginnt: „Die grundlegende Katastrophe dieser Welt ist der unausweichliche Tod derer, die man liebt. Wer das Leben für unwirklich hielte, müsste nur an die Wirklichkeit der Trauer erinnert werden.” Doch statt nun das Existentielle der Trauer zu betonen, geht Gaétan Soucy, 1958 in Montréal geboren und immerhin von Le Monde als „die größte Entdeckung der vergangenen Jahre” innerhalb der französischsprachigen Literatur gefeiert, genau gegenläufig vor. Es scheint ihm darauf anzukommen, eben jene Unwirklichkeit des Lebens künstlerisch herzustellen, die der zweite der Anfangssätze heraufbeschwört.
Schon die Szenerie, in der „Die Vergebung” beginnt, hat Elemente, die man eher Träumen zuordnet. Zwar kommt Louis Bapaume, Soucys Held, noch in einem Auto an und sinniert wie ein Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts über den Tod seines Vaters, doch dann schreckt er auf: Der erste Teil der Reise ist zu Ende, der Fahrer hat den Wagen in einen Straßengraben gefahren und kommt nicht weiter. Bapaume stapft zwei Kilometer allein durch die tief verschneite kanadische Provinzlandschaft um Saint-Aldor, ein Städtchen, in dem er vor mehr als zwanzig Jahren Organist war.
Schließlich muss er mit einem Schlitten durch eine Art Märchenwald. Maurice, ein Sohn der Familie von Croft, deren Töchter Bapaume einmal unterrichtet hat, fährt ihn, auf den in Saint-Aldor eine nicht näher bezeichnete Schuld zu warten scheint, hin. Hat die Schuld mit der Frau zu tun, die er gleich am Anfang seines Aufenthalts in dem Örtchen, aus einem Laden treten sieht? „Eine hohe, schmale und traurige Gestalt”, in einem grauen Mantel, der ihr bis zu den Knien reicht, ein Blick, „in dem ein Rest enttäuschter Jugend überdauerte”. Sie scheint Bapaume zu erkennen, aber er weiß mit ihrem Bild nichts anzufangen.
Geschickt belässt Soucy seinen Helden in der Unwirklichkeit, streut Andeutungen, ohne sie gleich oder überhaupt irgendwann einzulösen. Worin könnte seine Schuld liegen? Zwar wird Bapaume vom alten Herrn von Croft und einer der Zwillingstöchter empfangen, aber die Begrüßung fällt eher missmutig und nebenbei aus. Schon deswegen, weil das Dorf mit anderen Dingen beschäftigt ist: die Tochter des Küsters wird im Wald vermisst. Und die zweite Zwillingstochter, die Bapaume unbedingt treffen wollte, sei erstens verheiratet, zweitens nicht da.
Bapaume steht, so entziffert der Leser die Andeutungen allmählich, zwischen zwei Welten: der vergangenen, in der er sich gerade wieder zurechtzufinden versucht, und jener, in die er in den letzten Jahrzehnten geraten ist: Er war ein junger Musiker, hat in Paris gelebt, ist nach Kanada zurückgekehrt, hat geheiratet und ist Organist geworden. Ein verzweifelter Brief seiner Frau, den er vor dem Besuch in Saint-Aldor hervorzieht, beschwört Bapaume, zur Arbeit an seinem Oratorium zurück zu kehren. Das sei die einzige Möglichkeit, ihr zu helfen. Allmählich wird klar, dass Bapaume und Frau vor kurzem einen Sohn verloren haben.
Komponist und Schönheitsfleck
Soucy wollte offenkundig kein möglichst gegenwartsnahes Buch schreiben. Schon Namen wie Bapaume, Hurtuboise, Chouinard scheinen an das 19. Jahrhundert zu erinnern. Im Stil einer Künstlernovelle der Romantik versucht Soucy die Möglichkeiten der Sprache beim Verfertigen wahrscheinlicher Welten zu beweisen, lädt den Leser in diese Welten ein, um ihn wieder daraus zu vertreiben.
So wartet man mit Bapaume auf die zweite Zwillingstochter und erhofft sich von ihr die Lösung der Rätsel. Doch als sie auftaucht, ist sie bloß eine hübsche, unbeschwerte Frau, der Bapaume seltsame Sachen von Züchtigungen erzählt, die er den Zwillingsschwestern als Musiklehrer damals habe zukommen lassen. Dinge, die von der Frau lachend als unwichtig abgetan werden. Dann findet Bapaume im Zimmer des jungen Maurice von Croft ein Musikstück, das ihn begeistert: „Das Finale bestand aus einem Gebet der Vergebung. Dieses ging weit über die einfache Beherrschung des Kontrapunktes hinaus, es rührte an die göttliche Anmut, an die Reinheit des Seelenschmerzes, und Bapaume fühlte, wie die Lider ihm vor Tränen brannten.” Doch der Komponist, den Bapaume sich schwärmerisch vorstellt, ist nicht Decelles, der Lehrer von Maurice. Am Ende des Stücks findet Bapaume eine Notiz, so klein, dass er sich das Blatt unter die Nase halten muss: „Transkribiert aus den Archiven von Saint-Aldor von Bruder Adrien Decelles. Komponiert um 1927 von Monsieur Louis Bapaume.”
Liegt Bapaumes Jugend derart weit zurück, dass er sein Werk, sich vergessen hat, oder ist die Identität des Helden so unklar, wie die Welt, die ihn umgibt? Immer wieder glaubt man, die Täuschungen ließen sich aufheben. So erfährt Bapaume, als er schon aus St. Aldor wegfährt, vom jungen Maurice, dass die beiden Zwillingsschwestern und ihr Vater ihn noch einmal zum Narren gehalten haben: Die Frau mit dem Schönheitsfleck, bei der sich Bapaume entschuldigt hat, war Geneviève, nicht die verletzte, missmutige Julia, bei der er sich entschuldigen wollte. Ein klassischer Fall von Verfehlung, eine schöne, neue Schuld.
HANS- PETER KUNISCH
GAÉTAN SOUCY: Die Vergebung. Roman. Aus dem Französischen von Andreas Jandl und Frank Sievers. Matthes & Seitz, Berlin 2008. 142 Seiten, 16,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gekonnt scheint Hans-Peter Kunisch dieser Roman von Gaetan Soucy, der für ihn auch den Versuch darstellt, die "Künstlernovelle zu reanimieren". Obwohl das Buch mit existentieller Wucht einsetzt, sieht er die Intention des Autors eher darin, das Gefühl von der Unwirklichkeit des Lebens künstlerisch zu erzeugen. Die Geschichte um den Musiker Louis Bapaume, der aus Paris in die kanadische Provinzstadt Saint-Aldor zurückkehrt, wo er vor mehr als zwanzig Jahren Organist war, um dort für eine geheimnisvolle Schuld um Vergebung zu bitten, weist für Kunisch viele Elemente auf, die er der Welt der Träume zuordnet. Etwa dass Bapaumes Auto im Straßengraben landet, weshalb er mit einem Hundeschlitten durch eine Art Märchenwald fährt. Kunisch attestiert dem Autor, die Möglichkeiten der Sprache beim Verfertigen wahrscheinlicher Welten zu beweisen.

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