Nordirland, 1983.
Als an einem Septembertag 38 IRA-Terroristen aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausbrechen, herrscht höchste Alarmbereitschaft: Unter den Flüchtlingen befindet sich der in Libyen ausgebildete Bombenspezialist Dermot McCann. Inspector Sergeant Sean Duffy drückte mit McCann die Schulbank, weshalb mit einem Mal der MI5 vor seiner Tür steht. Duffy soll McCann finden. Er weiß: Jeden Moment könnten Bomben hochgehen, doch McCann bleibt von der Bildfläche verschwunden. Plötzlich wendet sich McCanns Ex-Schwiegermutter an Duffy. Sie will ihm helfen, allerdings nur unter einer Bedingung: Zuerst muss er das Rätsel um den Tod ihrer Tochter lösen.
Vier Jahre zuvor war die Leiche der jungen Frau in einem von innen verriegelten Pub gefunden worden. Alles deutete auf einen Unfall hin, und doch ist die Mutter überzeugt, dass es Mord war. Aber wie sollte der Täter entwischt sein - bei verschlossenen Türen? Duffy ist ratlos, und die Uhr tickt ...
Atemlose Verfolgungsjagden, düstere Bombenszenarien und ein schier unlösbarer, Jahre zurückliegender Todesfall. Ein absolutes Muss - nicht nur für Fans von Sean Duffy, dessen Nonchalance ihm diesmal gleich zwei aussichtslose Aufträge beschert!
Als an einem Septembertag 38 IRA-Terroristen aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausbrechen, herrscht höchste Alarmbereitschaft: Unter den Flüchtlingen befindet sich der in Libyen ausgebildete Bombenspezialist Dermot McCann. Inspector Sergeant Sean Duffy drückte mit McCann die Schulbank, weshalb mit einem Mal der MI5 vor seiner Tür steht. Duffy soll McCann finden. Er weiß: Jeden Moment könnten Bomben hochgehen, doch McCann bleibt von der Bildfläche verschwunden. Plötzlich wendet sich McCanns Ex-Schwiegermutter an Duffy. Sie will ihm helfen, allerdings nur unter einer Bedingung: Zuerst muss er das Rätsel um den Tod ihrer Tochter lösen.
Vier Jahre zuvor war die Leiche der jungen Frau in einem von innen verriegelten Pub gefunden worden. Alles deutete auf einen Unfall hin, und doch ist die Mutter überzeugt, dass es Mord war. Aber wie sollte der Täter entwischt sein - bei verschlossenen Türen? Duffy ist ratlos, und die Uhr tickt ...
Atemlose Verfolgungsjagden, düstere Bombenszenarien und ein schier unlösbarer, Jahre zurückliegender Todesfall. Ein absolutes Muss - nicht nur für Fans von Sean Duffy, dessen Nonchalance ihm diesmal gleich zwei aussichtslose Aufträge beschert!
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.04.2015Terror und Tüftelei
Cool, selbstironisch: Adrian McKintys dritter Sean-Duffy-Roman
Am Ende, die Toten sind noch nicht begraben, sitzt Sean Duffy an der Atlantikküste, legt eine Kassette mit Led Zeppelins „Houses of the Holy“ in seinen Walkman, spult vor bis zu „No Quarter“ und dreht sich einen Joint. Es ist Feierabend, aber es gibt nichts zu feiern. „No Quarter“ ist die Tonspur zu dem Job, den Sean Duffy gerade erledigt hat, ein Song über die Gnadenlosigkeit gegenüber besiegten Feinden.
Sean Duffy hat feine Ohren, und die braucht er auch. Er ist Polizist in Nordirland, Katholik inmitten protestantischer Kollegen, die schon mal was über ihn murmeln. Und wenn er in katholischen Familien ermittelt, werden die Stimmen scharf, aus denen ihm die Verachtung des Bullen im Dienst der Engländer entgegenschlägt. Feindschaft gibt es reichlich im Nordirland der Achtzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Außerdem Arbeitslosigkeit, leere Fabriken, Tote bei Hungerstreiks, Plastikbomben und Verräter-Exekutionen und Leute, die wegziehen aus dem Land der „Troubles“.
Auf den letzten Seiten dieses dritten Romans, in dem er auftritt, ist Sean Duffy ziemlich geschafft und nah daran, auch zu verschwinden. Aber er hat einen überzeugenden Grund, das dann doch nicht zu tun: Einen so guten Autor wie Adrian McKinty verlässt man nicht. Auch wenn man weiterhin jedesmal unter seinem BMW nach Quecksilberzündern suchen muss, ehe man den Schlüssel in die Zündung steckt.
Adrian McKinty ist 1968 in Carrickfergus unweit von Belfast geboren, ging zum Studium nach Oxford, später in die Vereinigten Staaten und lebt seit 2008 mit seiner Familie in Melbourne, Australien. Beim „Blutsonntag“ in Derry 1972, der Sean Duffy, Jahrgang 1950, Einzelkind bürgerlicher Eltern, fast zu einem Kämpfer der IRA gemacht hätte, war McKinty noch keine vier Jahre alt. Beim Bombenanschlag der IRA auf die Suite von Margaret Thatcher im Grand Hotel in Brighton 1984, von dem Sean Duffy, als der Zeitzünder schon tickt, Wind bekommt, ist er gerade mal sechzehn.
Selber das Kind liberaler Protestanten, hat Adrian McKinty die Romanwelt seines katholischen Detective Inspector, der schon mal zum einfachen Sergeant degradiert wird, aus dem Nordirland seiner Kindheit und Jugend herausdestilliert. Sie ist am Gegenpol jener Kriminalromane angesiedelt, bei denen der Mord eine scheinbare Idylle aufkündigt und demaskiert. In der Welt der hochprozentig verdichteten nordirischen „Troubles“ werden die Toten und die tödlichen Gefahren verlässlich vom Alltag angeliefert.
In „Die verlorenen Schwestern“, der im Original wie alle Sean-Duffy-Romane eine Verszeile von Tom Waits im Titel führt („In the morning I’ll be gone“), steht der Ausbruch von 38 IRA-Häftlingen aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Maze am Beginn. Dermot McCann, einer der intellektuellen Köpfe und führender Bombenbauer der IRA, ist dabei. Und weil McCann sein Schulkamerad war, wird Sean Duffy vom britischen Geheimdienst reaktiviert.
Er ist nicht nur hellhörig für Dialektfärbungen und Zwischentöne, er ist auch scharfsichtig beim Blick in Wohnungen, auf die Kleidung der Leute, auf ihre kleinen Gesten. In der Zeit seiner Degradierung und Ausmusterung hat er diesen Blick nicht verloren: „Ich wanderte durch die Straßen. Beobachtete. Beobachtete wie ein Detektiv. Kinder, die Fußball spielten. Kinder, die Totenköpfe an Giebelwände malten.“ Cool, mit sarkastischen Sprüchen, geht Sean Duffy durch den Handlungsstrang, in dem es sein Job ist, an der Seite einer britischen Agentin Dermot McCann aufzuspüren und den Anschlag, den er plant, zu verhindern. Dass er für Action-Szenen kein Double braucht (und das Herz auf dem rechten Fleck hat), zeigt er unterwegs, als er lässig einem fiesen Kleinganoven und Zuhälter das Handwerk legt.
Aber Sean Duffy hat als Ich-Erzähler wie als Ermittler in nunmehr drei Romanen so viel Statur gewonnen, dass Adrian McKinty sich (und dem Leser) den Spaß macht, ihm einen zweiten Fall aufzubürden. Auch der entspringt zwar den düsteren Seiten Nordirlands, aber er folgt nicht den Erzählmustern des Action-Thrillers. Um an Informationen über Dermot McCann zu kommen, muss Sean Duffy herausfinden, wie die Tochter einer katholischen Familie mit überaus guten Beziehungen zur IRA zu Tode kam. Der angebliche Unfalltod liegt einige Jahre zurück, und er ist ein Rätsel von der Art, wie sie Miss Marple in Agatha-Christie-Romanen zu lösen pflegt: ein „locked room mystery“, bei dem die Leiche in einem von innen verriegelten Raum aufgefunden wird.
Es ist ziemlich witzig (und knirscht ein wenig in den Plot-Scharnieren), wie Adrian McKinty dieses Lieblingsutensil des Kriminalromans als Tüftelaufgabe für die „grauen Zellen“, als Widerpart in die Welt des Hard-boiled-Krimis hineinnimmt. Das „locked room mystery“ nimmt als Affäre mit der Logik den Platz ein, den sonst die Frauen und der Sex beanspruchen. Sie müssen sich diesmal mit kleinen Flirts bescheiden.
McKinty kann sich dieses selbstironische Doppelspiel leisten, weil er Sean Duffy nicht nur eine gehörige Portion Haltlosigkeit, Gefährdung durch Depression und Drogen mitgegeben hat, sondern auch ein ausgesprochen intellektuelles Interesse an der Welt. In seinem Psychologiestudium hat er eine Arbeit über den Zusammenhang zwischen dem Regen und den Unruhen in Belfast zwischen 1870 und 1970 geschrieben. Sie ist nicht nur eine Parodie von Wissenschaft, sondern Teil einer universitären Ausbildung, durch die sich Sean Duffy von seinen Kollegen ebenso abhebt wie durch seine katholische Herkunft. Er hat einen soziologisch genauen Blick auf Klassenverhältnisse und Hierarchien. Zum Showdown mit dem Super-Bombenbauer der IRA gehört eine kleine Lehrstunde über Thomas Hobbes.
Auf der Tonspur, die Sean Duffys Weg durch die „Troubles“ untermalt, läuft neben Led Zeppelin und Velvet Underground & Nico auch Musik von Arvo Pärt, György Ligeti, Richard Wagner und Steve Reich, dazu italienische Opern, Schubert oder Haydn. Und wenn es ganz ernst wird, Leonard Cohen. Wenn am Ende der Haupthandlung im „No Quarter“-Song das Echo eines Gnadenschusses nachhallt, ist Sean Duffy nach ziemlich viel Action zu Recht erschöpft. Aber er hat zuvor auch das „locked room“-Rätsel gelöst, den Mörder hinter dem angeblichen Unfall überführt und ihm dabei eine jener logisch zwingenden Aufklärungsansprachen gehalten, für die Agatha Christie berühmt ist. Der Täter wird das bemerkt haben. Er hat nicht nur ein klassisches Motiv (Erbschaft), er hat auch eine Bibliothek voller Romane mit „locked room“-Plots, die ihn bei seinem Mord inspiriert haben.
Schade nur, dass Sean Duffy den Täter zwar – übrigens nicht durch die Logik, sondern durch Drohung mit der Waffe – zum Geständnis zwingt, ihm aber die Beweise fehlen, um ihn vor Gericht bringen zu können. Aber wie gesagt, in Adrian McKintys Nordirland produziert der Alltag verlässlich die Toten, wenn es sein muss, auch tote Mörder. Was aber sagt Sean Duffy, der coole Hard-boiled-Held, als er das Geständnis des Mörders erzwingt? „Ich weiß, ich kann nichts davon beweisen, nicht in einer Million Jahren, aber ich will es wissen! Ich will die geistige Befriedigung, dass ich recht habe.“ Der Satz könnte von Hercule Poirot stammen.
LOTHAR MÜLLER
Sean Duffy ist Polizist in
Nordirland, katholisch inmitten
protestantischer Kollegen
Sean Duffy hat eine heftige
Affäre mit der Logik, er muss
ein „locked room“-Rätsel lösen
Adrian McKinty:
Die verlorenen Schwestern. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015.
378 Seiten, 14,99 Euro. E-Book 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Cool, selbstironisch: Adrian McKintys dritter Sean-Duffy-Roman
Am Ende, die Toten sind noch nicht begraben, sitzt Sean Duffy an der Atlantikküste, legt eine Kassette mit Led Zeppelins „Houses of the Holy“ in seinen Walkman, spult vor bis zu „No Quarter“ und dreht sich einen Joint. Es ist Feierabend, aber es gibt nichts zu feiern. „No Quarter“ ist die Tonspur zu dem Job, den Sean Duffy gerade erledigt hat, ein Song über die Gnadenlosigkeit gegenüber besiegten Feinden.
Sean Duffy hat feine Ohren, und die braucht er auch. Er ist Polizist in Nordirland, Katholik inmitten protestantischer Kollegen, die schon mal was über ihn murmeln. Und wenn er in katholischen Familien ermittelt, werden die Stimmen scharf, aus denen ihm die Verachtung des Bullen im Dienst der Engländer entgegenschlägt. Feindschaft gibt es reichlich im Nordirland der Achtzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Außerdem Arbeitslosigkeit, leere Fabriken, Tote bei Hungerstreiks, Plastikbomben und Verräter-Exekutionen und Leute, die wegziehen aus dem Land der „Troubles“.
Auf den letzten Seiten dieses dritten Romans, in dem er auftritt, ist Sean Duffy ziemlich geschafft und nah daran, auch zu verschwinden. Aber er hat einen überzeugenden Grund, das dann doch nicht zu tun: Einen so guten Autor wie Adrian McKinty verlässt man nicht. Auch wenn man weiterhin jedesmal unter seinem BMW nach Quecksilberzündern suchen muss, ehe man den Schlüssel in die Zündung steckt.
Adrian McKinty ist 1968 in Carrickfergus unweit von Belfast geboren, ging zum Studium nach Oxford, später in die Vereinigten Staaten und lebt seit 2008 mit seiner Familie in Melbourne, Australien. Beim „Blutsonntag“ in Derry 1972, der Sean Duffy, Jahrgang 1950, Einzelkind bürgerlicher Eltern, fast zu einem Kämpfer der IRA gemacht hätte, war McKinty noch keine vier Jahre alt. Beim Bombenanschlag der IRA auf die Suite von Margaret Thatcher im Grand Hotel in Brighton 1984, von dem Sean Duffy, als der Zeitzünder schon tickt, Wind bekommt, ist er gerade mal sechzehn.
Selber das Kind liberaler Protestanten, hat Adrian McKinty die Romanwelt seines katholischen Detective Inspector, der schon mal zum einfachen Sergeant degradiert wird, aus dem Nordirland seiner Kindheit und Jugend herausdestilliert. Sie ist am Gegenpol jener Kriminalromane angesiedelt, bei denen der Mord eine scheinbare Idylle aufkündigt und demaskiert. In der Welt der hochprozentig verdichteten nordirischen „Troubles“ werden die Toten und die tödlichen Gefahren verlässlich vom Alltag angeliefert.
In „Die verlorenen Schwestern“, der im Original wie alle Sean-Duffy-Romane eine Verszeile von Tom Waits im Titel führt („In the morning I’ll be gone“), steht der Ausbruch von 38 IRA-Häftlingen aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses Maze am Beginn. Dermot McCann, einer der intellektuellen Köpfe und führender Bombenbauer der IRA, ist dabei. Und weil McCann sein Schulkamerad war, wird Sean Duffy vom britischen Geheimdienst reaktiviert.
Er ist nicht nur hellhörig für Dialektfärbungen und Zwischentöne, er ist auch scharfsichtig beim Blick in Wohnungen, auf die Kleidung der Leute, auf ihre kleinen Gesten. In der Zeit seiner Degradierung und Ausmusterung hat er diesen Blick nicht verloren: „Ich wanderte durch die Straßen. Beobachtete. Beobachtete wie ein Detektiv. Kinder, die Fußball spielten. Kinder, die Totenköpfe an Giebelwände malten.“ Cool, mit sarkastischen Sprüchen, geht Sean Duffy durch den Handlungsstrang, in dem es sein Job ist, an der Seite einer britischen Agentin Dermot McCann aufzuspüren und den Anschlag, den er plant, zu verhindern. Dass er für Action-Szenen kein Double braucht (und das Herz auf dem rechten Fleck hat), zeigt er unterwegs, als er lässig einem fiesen Kleinganoven und Zuhälter das Handwerk legt.
Aber Sean Duffy hat als Ich-Erzähler wie als Ermittler in nunmehr drei Romanen so viel Statur gewonnen, dass Adrian McKinty sich (und dem Leser) den Spaß macht, ihm einen zweiten Fall aufzubürden. Auch der entspringt zwar den düsteren Seiten Nordirlands, aber er folgt nicht den Erzählmustern des Action-Thrillers. Um an Informationen über Dermot McCann zu kommen, muss Sean Duffy herausfinden, wie die Tochter einer katholischen Familie mit überaus guten Beziehungen zur IRA zu Tode kam. Der angebliche Unfalltod liegt einige Jahre zurück, und er ist ein Rätsel von der Art, wie sie Miss Marple in Agatha-Christie-Romanen zu lösen pflegt: ein „locked room mystery“, bei dem die Leiche in einem von innen verriegelten Raum aufgefunden wird.
Es ist ziemlich witzig (und knirscht ein wenig in den Plot-Scharnieren), wie Adrian McKinty dieses Lieblingsutensil des Kriminalromans als Tüftelaufgabe für die „grauen Zellen“, als Widerpart in die Welt des Hard-boiled-Krimis hineinnimmt. Das „locked room mystery“ nimmt als Affäre mit der Logik den Platz ein, den sonst die Frauen und der Sex beanspruchen. Sie müssen sich diesmal mit kleinen Flirts bescheiden.
McKinty kann sich dieses selbstironische Doppelspiel leisten, weil er Sean Duffy nicht nur eine gehörige Portion Haltlosigkeit, Gefährdung durch Depression und Drogen mitgegeben hat, sondern auch ein ausgesprochen intellektuelles Interesse an der Welt. In seinem Psychologiestudium hat er eine Arbeit über den Zusammenhang zwischen dem Regen und den Unruhen in Belfast zwischen 1870 und 1970 geschrieben. Sie ist nicht nur eine Parodie von Wissenschaft, sondern Teil einer universitären Ausbildung, durch die sich Sean Duffy von seinen Kollegen ebenso abhebt wie durch seine katholische Herkunft. Er hat einen soziologisch genauen Blick auf Klassenverhältnisse und Hierarchien. Zum Showdown mit dem Super-Bombenbauer der IRA gehört eine kleine Lehrstunde über Thomas Hobbes.
Auf der Tonspur, die Sean Duffys Weg durch die „Troubles“ untermalt, läuft neben Led Zeppelin und Velvet Underground & Nico auch Musik von Arvo Pärt, György Ligeti, Richard Wagner und Steve Reich, dazu italienische Opern, Schubert oder Haydn. Und wenn es ganz ernst wird, Leonard Cohen. Wenn am Ende der Haupthandlung im „No Quarter“-Song das Echo eines Gnadenschusses nachhallt, ist Sean Duffy nach ziemlich viel Action zu Recht erschöpft. Aber er hat zuvor auch das „locked room“-Rätsel gelöst, den Mörder hinter dem angeblichen Unfall überführt und ihm dabei eine jener logisch zwingenden Aufklärungsansprachen gehalten, für die Agatha Christie berühmt ist. Der Täter wird das bemerkt haben. Er hat nicht nur ein klassisches Motiv (Erbschaft), er hat auch eine Bibliothek voller Romane mit „locked room“-Plots, die ihn bei seinem Mord inspiriert haben.
Schade nur, dass Sean Duffy den Täter zwar – übrigens nicht durch die Logik, sondern durch Drohung mit der Waffe – zum Geständnis zwingt, ihm aber die Beweise fehlen, um ihn vor Gericht bringen zu können. Aber wie gesagt, in Adrian McKintys Nordirland produziert der Alltag verlässlich die Toten, wenn es sein muss, auch tote Mörder. Was aber sagt Sean Duffy, der coole Hard-boiled-Held, als er das Geständnis des Mörders erzwingt? „Ich weiß, ich kann nichts davon beweisen, nicht in einer Million Jahren, aber ich will es wissen! Ich will die geistige Befriedigung, dass ich recht habe.“ Der Satz könnte von Hercule Poirot stammen.
LOTHAR MÜLLER
Sean Duffy ist Polizist in
Nordirland, katholisch inmitten
protestantischer Kollegen
Sean Duffy hat eine heftige
Affäre mit der Logik, er muss
ein „locked room“-Rätsel lösen
Adrian McKinty:
Die verlorenen Schwestern. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015.
378 Seiten, 14,99 Euro. E-Book 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Derb und impulsiv, unverschämt witzig."
The Guardian
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