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Alexandru Vona, der als spanischer Jude im faschistischen Rumänien überlebte, hat diesen Roman 1947 innerhalb weniger Wochen niedergeschrieben. Held ist ein Träumer und Nichtstuer, der seine Tage im Cafe oder auf den Straßen einer Kleinstadt verbringt. Eines Tages bemerkt er eine junge Frau, deren Anblick ihn nicht mehr losläßt. Als er sich mit Kati, seiner Geliebten trifft, sieht er die Unbekannte plötzlich an ihrer Seite. Er bekommt ein magisches Verhältnis zu den Dingen: Die Frau verschwindet, wenn er sie aus den Augen läßt, und taucht auf, wann immer er will. Eine seltsame Liebesgeschichte beginnt, die aber in einer Totenwelt zu spielen scheint.…mehr

Produktbeschreibung
Alexandru Vona, der als spanischer Jude im faschistischen Rumänien überlebte, hat diesen Roman 1947 innerhalb weniger Wochen niedergeschrieben. Held ist ein Träumer und Nichtstuer, der seine Tage im Cafe oder auf den Straßen einer Kleinstadt verbringt. Eines Tages bemerkt er eine junge Frau, deren Anblick ihn nicht mehr losläßt. Als er sich mit Kati, seiner Geliebten trifft, sieht er die Unbekannte plötzlich an ihrer Seite. Er bekommt ein magisches Verhältnis zu den Dingen: Die Frau verschwindet, wenn er sie aus den Augen läßt, und taucht auf, wann immer er will. Eine seltsame Liebesgeschichte beginnt, die aber in einer Totenwelt zu spielen scheint.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2000

Mauer im Wald
Eine Mauer, die spazieren geht: Für den Landart-Künstler Andy Goldsworthy bilden die steinernen Gebilde keine starren Grenzen, die Grundstücke trennen oder gar Frontlinien zwischen verfeindeten Nachbarn bilden. Goldsworthy macht die Mauern beweglich und lebendig – er schickt sie auf Wanderschaft. Sie laufen über Hügel und Täler, tauchen in Seen ein und legen sich in üppigen Kurven um die Baumstämme eines Waldes. Aus der Schlangenform von Goldworthys Mauern spricht „Respekt vor der Priorität der Bäume, die vor ihnen da waren”, meint der Kunstkritiker Kenneth Baker. Goldworthys 760 Meter lange Steinmauer im Skulpturenpark des Storm King Art Center im Staat New York ist die Hauptattraktion seines Buches mit dem einfachen Titel Mauer, das bei Zweitausendeins erschien (60 Farbfotos, 94 S. , 33 Mark).
ajh/Foto: Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.1997

Schaum der Träume
Alexandru Vonas vermauerte Fenster · Von Christoph Bartmann

Noch merkwürdiger als Alexandru Vonas Roman "Die vermauerten Fenster" sind die Umstände, derentwegen er fast fünfzig Jahre unveröffentlicht blieb. Erst 1993 kam "der beste rumänische Roman des Jahrhunderts", wie die Kritik nun befand, ohne Wissen des Autors in Bukarest heraus, zwei Jahre später erschien das Buch dann in einer von Vona überarbeiteten Übersetzung in Frankreich. Alexandru Vona war kein vergessener Schriftsteller, den es nun auf einmal wiederzuentdecken gilt; er ist schlicht unbekannt. Vona hat kaum publiziert und viele Jahrzehnte ein unauffälliges Leben als Bauingenieur in Paris geführt. Fast hört sich seine Biographie so an, als hätte jemand wie Wolfgang Hildesheimer sie erfunden. Da es den Autor aber tatsächlich gibt, wird man die Geschichte des modernen europäischen Romans um einen Nachtrag ergänzen müssen.

Als Kind spaniolischer Eltern kam Alberto-Enrique Samuel Bejar y Major 1922 in Bukarest zur Welt. Seine Mutter stammte, wie übrigens auch Elias Canetti, aus dem bulgarischen Rustschuk. Mit vierzehn Jahren veröffentlichte Vona einen Gedichtband, mit fünfundzwanzig - er hatte inzwischen ein Mathematikstudium absolviert - brachte er in wenigen schlaflosen Wochen seinen ersten und einzigen Roman zu Papier: "Die vermauerten Fenster". Noch im selben Jahr verließ er mit seiner Frau Rumänien. Mexiko hieß das Ziel, doch man kam nur bis Paris. Dort wurde Vona bald mit Landsleuten wie Tristan Tzara, Mircea Eliade und E.-M. Cioran bekannt. Eliade drängte ihn zur Veröffentlichung seines Romans; desgleichen taten französische Freunde wie Roger Caillois und André Brïton. Paul Celan nahm die Übersetzung in Angriff, kam jedoch nicht über das erste Kapitel hinaus. Damit wäre Vonas literarische Laufbahn wohl beendet gewesen, hätte nicht sein früherer Bukarester Mentor Ovidiu Constantinescu nach Ende der Ceau_sescu-Ära den Durchschlag des Manuskripts aus dem Koffer geholt, in dem er es seit 1947 aufbewahrte. Constantinescu bot das Buch eigenmächtig einem Bukarester Verlag an. Die internationale Schriftstellerjury, die Vona nach dem französischen Erscheinen des Romans mit einem Preis bedachte, hatte recht, als sie ihn mit Proust, Kafka, Musil und Joyce in Verbindung brachte. Ebenso könnte man "Die vermauerten Fenster" in die Nachfolge von E. T. A. Hoffmann, Chamisso oder Alfred Kubin rücken. Dabei wirkt er keineswegs epigonal. Vonas Roman erinnert nicht nur an Spätromantik und klassische Moderne, er steht bereits am Übergang zu experimentellen Schreibweisen der Nachkriegszeit, etwa bei Beckett und Robbe-Grillet.

In diesem Roman ist der Stoff nichts und die Stimmung alles. Wie in Äther getaucht sind seine Figuren, Gegenstände und Vorgänge. Nicht das Zwielicht einer getrübten Urteilskraft prägt seine Bilder, sondern der helle, kalte Schein einer extrem geschärften Wahrnehmung. "Traurig" heißt das erste Wort des Romans, und Traurigkeit bildet seine zentrale Gemüts-,Achse". Immerfort ist vom Schweigen, vom Traum, von der Einsamkeit, von Spiegeln und vom Schlaf die Rede. Das legt den Eindruck nahe, es hätte sich im chronisch verspäteten Rumänien einfach das spätromantisch-dekadente Repertoire etwas länger gehalten. Doch Vona ist ein zu ernsthafter Kundschafter des Seelenlebens, um bloß auf bewährte literarische Metaphern zurückzugreifen. Was ihm vorschwebt, ist die Komposition einer, seiner eigenen Welt. In ihr ist alles Stoffliche und damit auch der Mensch nicht sehr "dicht" beschaffen. "Die Beständigkeit dichter Menschen", läßt Vona einmal seinen Ich-Erzähler sagen, "ist eine nur scheinbare. Unbeweglichkeit und Beständigkeit sind zwei ganz und gar verschiedene Zustände. Über der Unbeweglichkeit der Meerespflanzen, die in einem Zyklus falscher Beständigkeit leben, hat lediglich der rollende und zerstiebende, wieder und wieder an der Oberfläche des Meeres - zugleich der Grenze der Atmosphäre - entstehende Schaum wirkliche Beständigkeit, unbeschadet der Millionen vergänglicher Formen, die er annimmt. Absichtlich verharre ich in dieser Kontaktzone, wo die Beständigkeit des Schaums gewahrt bleibt, weil ich sie nicht für zufällig halte." Die Achtlosigkeit, mit der er den vergänglichen Formen gegenübertritt, beruht auf der Ahnung, daß im Wachleben wie im Traum die Dinge sich "jeden Augenblick verwandeln können".

Wo der Schaum von Erinnerungen und Träumen, Absenzen und Halluzinationen als das Beständige angesehen wird, die klaren Umrisse menschlicher Gestalten hingegen als ephemer, liegt die Handlung zwangsläufig auf der Schattenseite des Romans. Sie ist in einer namenlosen, vielleicht rumänischen Kleinstadt in irgendeiner Gegenwart, vielleicht in den dreißiger Jahren, angesiedelt. Ihr trauriger Protagonist, ein junger Mann aus weitverzweigter Familie, vertreibt sich die Zeit in Cafés und mit Spaziergängen. Ein Schneider und eine Tochter sind seine Nachbarn, undurchsichtige und dumpfe Gestalten wie aus Canettis "Blendung". Dienstags trifft er Kati, seine Geliebte, um mit ihr "die immergleichen hundert Worte" zu wechseln. Eines Tages begegnet oder, besser, erscheint ihm auf einem seiner Gänge eine junge Frau, die ihn auf der Stelle fesselt. Bald hat er sie wieder aus den Augen verloren und ist - dank seiner Gabe, "bestimmte Menschen in meiner Nähe auszumachen, ohne sie zu sehen" - doch ihrer Gegenwart sicher. Vonas multiple Wirklichkeit steht im Zeichen des "Vielleicht": "Vielleicht", heißt es etwa, "hatte die Unbekannte eine Krume von ihrer Verzweiflung im Zimmer zurückgelassen, merkwürdig verspätet wie das Rauschen des Wassers in der Dachrinne nach dem Gewitter, ein Überbleibsel wie der letzte Akkord eines Konzerts, dessen Nachhall sich als plötzliche Reglosigkeit auf einem sonst so lebhaften Gesicht abzeichnet." Als der junge Mann die Unbekannte erneut trifft, glaubt er sich fortan von ihr "erwählt".

Im Café macht Vonas somnambuler Hauptdarsteller bald darauf die Bekanntschaft eines Mannes mit "ungeheuer fein geschnittenen Lippen", der sich als Bruder der Unbekannten ausgibt. Zunehmend entgleiten dem Erzähler nun die Koordinaten seines bisherigen Alltags, und er wird an der Seite des Unbekannten und seiner angeblichen Schwester in einen Totenbezirk hineingezogen. Dessen Mittelpunkt ist ein Haus am Stadtrand, mit vermauerten Fenstern und Treppen, die ins Leere führen. Darin wohnt der Unbekannte mit seiner Mutter. Wenig später taucht auch die Schwester wieder auf. Es mehren sich die Anzeichen für eine Rivalität, ja Feindschaft zwischen den Männern. Bei einem unheimlichen Ausflug zu dritt kommt es zur Entscheidung. Wären Vonas Figuren von einer Dichte, wie sie realistische Romanfiguren auszeichnet, dann begänne spätestens jetzt zwischen der schönen Schein-Schwester und dem jungen Schlafwandler eine Art Liebesbeziehung. So aber bleibt es bei einem abstrakten Pas de deux aus Worten, Gesten und Hirngespinsten. Der junge Mann hat sich in einen Schatten verliebt, der nun, wie er registriert, "unwiderstehlich, wenngleich ohne Gewalt, in mir wuchs". Am Ende steht die unio mystica der Liebenden, oder, was der Temperatur dieses Romans eher entspricht, ihre kalte Fusion: "Es gab nur noch sie, aller Bindungen ledig, frei wie das Licht. (. . .) Sie ging durch mich hindurch, unsere beiden Wesen wurden eins. Ich war durchsichtig und doppelt." Wahrscheinlich ist Vonas spröder, ekstatischer, in seiner Abgründigkeit dennoch präziser Roman kein "Meisterwerk", sondern nur das beeindruckende Debüt eines begabten Schriftstellers. Mit berühmten Vorläufern und Nachfolgern kann er sich durchaus messen.

Alexandru Vona: "Die vermauerten Fenster". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Georg Aescht, unter Verwendung der rumänischen Urfassung. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1997. 352 S., geb., 42,- DM.

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