Wenn das Wort "Standardwerk" überhaupt noch einen Sinn hat, dann muß man Hilbergs berühmte Gesamtgeschichte des Holocaust als solches bezeichnen. Das Buch ist 1961 in den USA herausgekommen und wurde erst 1982 in deutscher Sprache vorgelegt - von einem kleinen Berliner Verlag. Erneut auf den aktuellen Stand gebracht und wiederum erweitert, liegt es nun in dieser Taschenbuchausgabe vor. Damit wurde einem vielfach vorgetragene Wunsch entsprochen, Hilbergs "bedeutendes Buch" (FAZ) einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Das Thema dieses Werkes sind die Täter, der Plan, das Tatschema, die Tat selbst, ihre Vorbereitung und Durchführung. Mit "Kühle und Präzision, die den großen Chronisten auszeichnen" (SZ), weist Hilberg die Verwicklung und Beteiligung der Führungseliten in Staatsverwaltung, Industrie und Wehrmacht bei der Judenvernichtung nach. Nachgewiesen wird auch die funktionale Hingabe des durchschnittlichen Bürokraten, Reichsbahners, Polizisten und Soldaten an das Ausrottungswerk. Und es kommt ein Tätertypus zum Vorschein (der auch namentlich genannt wird), der nach 1945 nie einem Richter begegnet ist: der preußische General, der national-konservative Ministerialbeamte, der Diplomat, Jurist, Industrielle, Chemiker und Arzt.
Hilberg hat das Material für sein Buch sein Leben lang gesammelt und ergänzt. Er gilt als der wohl beste Kenner der Quellen, die zum größten Teil von den Tätern stammen. Sie haben - gründlich, wie sie waren - die Beweise ihres Mordhandwerks hunderttausendfach abgeheftet - mit Briefkopf und Dienstsiegel.
Die vorliegende Gesamtgeschichte des Holocaust ist "... Quelle für den Spezialisten, Analyse für den Theoretiker und Geschichtsbuch ohnegleichen für das allgemeine Publikum" (Sunday Times).
Das Thema dieses Werkes sind die Täter, der Plan, das Tatschema, die Tat selbst, ihre Vorbereitung und Durchführung. Mit "Kühle und Präzision, die den großen Chronisten auszeichnen" (SZ), weist Hilberg die Verwicklung und Beteiligung der Führungseliten in Staatsverwaltung, Industrie und Wehrmacht bei der Judenvernichtung nach. Nachgewiesen wird auch die funktionale Hingabe des durchschnittlichen Bürokraten, Reichsbahners, Polizisten und Soldaten an das Ausrottungswerk. Und es kommt ein Tätertypus zum Vorschein (der auch namentlich genannt wird), der nach 1945 nie einem Richter begegnet ist: der preußische General, der national-konservative Ministerialbeamte, der Diplomat, Jurist, Industrielle, Chemiker und Arzt.
Hilberg hat das Material für sein Buch sein Leben lang gesammelt und ergänzt. Er gilt als der wohl beste Kenner der Quellen, die zum größten Teil von den Tätern stammen. Sie haben - gründlich, wie sie waren - die Beweise ihres Mordhandwerks hunderttausendfach abgeheftet - mit Briefkopf und Dienstsiegel.
Die vorliegende Gesamtgeschichte des Holocaust ist "... Quelle für den Spezialisten, Analyse für den Theoretiker und Geschichtsbuch ohnegleichen für das allgemeine Publikum" (Sunday Times).
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2005Hinweis
AUSCHWITZ. Für die deutsche Nachkriegszeit lag Auschwitz weit weg. Es war das Signalwort für unsagbares Grauen im Zwielicht eines Rassenkrieges. Erst die polizeiliche und juristische Verfolgung des Lagerpersonals und seiner Führung hat das Ausmaß des Verbrechens, seine Planung und Systematik enthüllt. Zugleich hat die juristische Aufarbeitung das Nebulöse der Sache vertrieben und die Konturen des Terrors und dessen Gesichter hervortreten lassen. Die Vernehmungsprotokolle insbesondere des Frankfurter Auschwitz-Prozeß sind beeindruckende Zeugnisse. Gerade die Nüchternheit des Gerichtsverfahrens leuchtet die Aussagen der Angeklagten im besonderen Maß aus: Wer vom "Zivilisationsbruch" redet, der kann anhand der edierten Quellen lesen und kann mit Hilfe der Tonbandmitschnitte hören, was man sich im täglichen Vollzug darunter vorzustellen hat. Das ersetzt nicht die Lektüre anderer Literatur, aber das gesprochene, eingestandene Verbrechen ist in einer Weise primär, daß es von keiner Erinnerungspolitik, keiner Ritualisierung und keiner politischen Instrumentalisierung eingeholt und nivelliert werden kann. Daran zu erinnern ist im großen Jahrestag-Gedenken geboten. Wer also mehr wissen will, dem sei der ausgezeichnete, von Irmtrud Wojak im Auftrag des Fritz Bauer Instituts herausgegebene Begleitband zur Ausstellung des Frankfurter Auschwitz-Prozesses von 1963 empfohlen, der unter dem Titel "Auschwitz-Prozeß 4Ks 2/63" im Snoeck Verlag, Köln 2004, erschienen ist (871 S., br., 46,98 [Euro]). Wer nicht nur lesen, sondern auch hören möchte, dem sei die ausgezeichnete DVD empfohlen: "Der Auschwitz-Prozeß. Tonbandmitschnitte, Protokolle, Dokumente". Herausgegeben vom Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau (Directmedia Publishing GmbH, Berlin 2004, 34,95 [Euro]). Aus der zahlreichen Literatur über die Konzentrationslager möchten wir noch einige Bücher erinnernd empfehlen. Aus bester Quellenkenntnis und knapp und konzise über Auschwitz unterrichtet: Sybille Steinbach: "Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte". C. H. Beck Verlag, München 2004, 871 S., br., 7,90 [Euro], mit weiterführenden Literaturhinweisen. Sehr empfehlenswert ist die sozioethnologische Analyse des Vernichtungslagers von Hermann Langbein: "Menschen in Auschwitz", Europa Verlag 1995 (leider nicht mehr lieferbar) sowie "Auschwitz", herausgegeben von Hans G. Adler, Hermann Langbein, Ella Lingens-Reiner, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1984, 315 S., br., 14,50 [Euro]. Als Klassiker der Prozeßbeobachtung und der Synthese von Beobachtung und gedanklicher Durchdringung gilt Hannah Ahrendt: "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen". Piper Verlag, München 1986. 434 S., br., 11,90 [Euro]. Das Standardwerk zum Holocaust ist Raul Hilberg: "Die Vernichtung der europäischen Juden". Drei Bände im Schuber, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1999, 14,95 [Euro]. Und auch Götz Aly: "Endlösung. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden", Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1998, 12,90 [Euro]. Im letzten Jahr erschien Paul Martin Neurath: "Die Gesellschaft des Terrors". Innenansichten der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald". Aus dem Englischen von Hella Beister. Herausgegeben von Christian Fleck und Nico Stehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 460 S., geb., 29,90 [Euro]. Eugen Kogon, der selbst von 1939 bis 1945 im Konzentrationslager Buchenwald eingesperrt gewesen war, veröffentlichte 1946 die erste umfassende und eingehende Darstellung über "das System der deutschen Konzentrationslager: "Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager". Heyne Verlag, München 1998, br., 9,95 [Euro].
jei
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
AUSCHWITZ. Für die deutsche Nachkriegszeit lag Auschwitz weit weg. Es war das Signalwort für unsagbares Grauen im Zwielicht eines Rassenkrieges. Erst die polizeiliche und juristische Verfolgung des Lagerpersonals und seiner Führung hat das Ausmaß des Verbrechens, seine Planung und Systematik enthüllt. Zugleich hat die juristische Aufarbeitung das Nebulöse der Sache vertrieben und die Konturen des Terrors und dessen Gesichter hervortreten lassen. Die Vernehmungsprotokolle insbesondere des Frankfurter Auschwitz-Prozeß sind beeindruckende Zeugnisse. Gerade die Nüchternheit des Gerichtsverfahrens leuchtet die Aussagen der Angeklagten im besonderen Maß aus: Wer vom "Zivilisationsbruch" redet, der kann anhand der edierten Quellen lesen und kann mit Hilfe der Tonbandmitschnitte hören, was man sich im täglichen Vollzug darunter vorzustellen hat. Das ersetzt nicht die Lektüre anderer Literatur, aber das gesprochene, eingestandene Verbrechen ist in einer Weise primär, daß es von keiner Erinnerungspolitik, keiner Ritualisierung und keiner politischen Instrumentalisierung eingeholt und nivelliert werden kann. Daran zu erinnern ist im großen Jahrestag-Gedenken geboten. Wer also mehr wissen will, dem sei der ausgezeichnete, von Irmtrud Wojak im Auftrag des Fritz Bauer Instituts herausgegebene Begleitband zur Ausstellung des Frankfurter Auschwitz-Prozesses von 1963 empfohlen, der unter dem Titel "Auschwitz-Prozeß 4Ks 2/63" im Snoeck Verlag, Köln 2004, erschienen ist (871 S., br., 46,98 [Euro]). Wer nicht nur lesen, sondern auch hören möchte, dem sei die ausgezeichnete DVD empfohlen: "Der Auschwitz-Prozeß. Tonbandmitschnitte, Protokolle, Dokumente". Herausgegeben vom Fritz Bauer Institut Frankfurt am Main und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau (Directmedia Publishing GmbH, Berlin 2004, 34,95 [Euro]). Aus der zahlreichen Literatur über die Konzentrationslager möchten wir noch einige Bücher erinnernd empfehlen. Aus bester Quellenkenntnis und knapp und konzise über Auschwitz unterrichtet: Sybille Steinbach: "Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte". C. H. Beck Verlag, München 2004, 871 S., br., 7,90 [Euro], mit weiterführenden Literaturhinweisen. Sehr empfehlenswert ist die sozioethnologische Analyse des Vernichtungslagers von Hermann Langbein: "Menschen in Auschwitz", Europa Verlag 1995 (leider nicht mehr lieferbar) sowie "Auschwitz", herausgegeben von Hans G. Adler, Hermann Langbein, Ella Lingens-Reiner, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1984, 315 S., br., 14,50 [Euro]. Als Klassiker der Prozeßbeobachtung und der Synthese von Beobachtung und gedanklicher Durchdringung gilt Hannah Ahrendt: "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen". Piper Verlag, München 1986. 434 S., br., 11,90 [Euro]. Das Standardwerk zum Holocaust ist Raul Hilberg: "Die Vernichtung der europäischen Juden". Drei Bände im Schuber, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1999, 14,95 [Euro]. Und auch Götz Aly: "Endlösung. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden", Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1998, 12,90 [Euro]. Im letzten Jahr erschien Paul Martin Neurath: "Die Gesellschaft des Terrors". Innenansichten der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald". Aus dem Englischen von Hella Beister. Herausgegeben von Christian Fleck und Nico Stehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 460 S., geb., 29,90 [Euro]. Eugen Kogon, der selbst von 1939 bis 1945 im Konzentrationslager Buchenwald eingesperrt gewesen war, veröffentlichte 1946 die erste umfassende und eingehende Darstellung über "das System der deutschen Konzentrationslager: "Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager". Heyne Verlag, München 1998, br., 9,95 [Euro].
jei
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Konstantin Sakkas begrüßt sehr, dass die Neuausgabe von Raul Hilbergs Standardwerk zur Vernichtung der europäischen Juden nun endlich auch auf Deutsch erscheint. Hilberg selbst hatte sein Werk noch bis 2003, vier Jahre vor seinem Tod, fortlaufend ergänzt. In der aktualisierten Ausgabe findet sich zum einen, wie der Rezensent ausführt, Hilbergs berühmtes Nachwort, in dem er den Völkermord in Ruanda mit dem Holocaust in eine Linie stellt: "Die Geschichte hatte sich wiederholt." Zum anderen findet sich darin das Kapitel "Zuschauer", dem Sakkas unter anderem die furchtbare Tatsache entnimmt, dass die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis kaum bewacht werden mussten, weil entfliehende Juden nicht auf Hilfe von seiten der Bevölkerung hoffen konnten. Der Rezensent lässt keinen Zweifel an der Bedeutung von Hilbergs Arbeit, möchte jedoch - mit Blick auf Ruanda ebenso wie auf die Auslöschung der amerikanischen Ureinwohner oder den Krieg gegen die Ukraine - die Singularität des Holocaust nicht in Frage gestellt sehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Neuauflage des monumentalen Werks über den deutschen Zivilisationsbruch, das deutsche Historiker einst verhinderten und an das kein anderes heranreicht. Tania Martini taz 20231209