Eine Fachinstitution im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit.Seit 125 Jahren finden deutsche Historikerinnen und Historiker zusammen, um gemeinsam an einem Ort über ihre Forschungen und deren Vermittlung, über die Grundlagen ihres Faches und dessen Zukunft zu diskutieren. Der Historikertag als größter geisteswissenschaftlicher Kongress in Europa stellt heute, wie der ihn veranstaltende Historikerverband, eine unentbehrliche Institution im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit dar.Für diese Entwicklung sprach zunächst nur wenig. Untersucht wurde sie erstaunlicherweise bislang nie. Welche vielfältigen Konflikte waren zu bewältigen? Wer durfte auf Historikertagen auftreten, wer dagegen nicht? Die Zäsuren zweier Weltkriege und politischer Systemwechsel, die Herausforderungen beider deutscher Diktaturen wie auch des Vereinigungsprozesses seit 1990 - fünf Autoren haben die Geschichte des Historikertages und des Historikerverbandes, außerdem der Historikergesellschaft der DDR sowie des Unabhängigen Historikerverbandes erstmals umfassend untersucht. Ihre Studie verfolgt die wechselvolle Geschichte der fachhistorischen Selbstorganisation und entfaltet zugleich ein Panorama der deutschen Geschichtswissenschaft seit dem späten 19. Jahrhundert.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2018Am vorletzten Tag ein Gemeinschaftsausflug
Nüchterne Aushandelsbilanz eines alkoholreichen Rituals: Die Geschichte der deutschen Historikertage
Zwölf Jahre lang war Pause, geschichtsbedingt. 1949 sollte wieder ein deutscher Historikertag stattfinden und der Verband der deutschen Historiker neu gegründet werden. München, Sitz der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und neuerdings auch der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica (MGH), wurde als Tagungsort auserkoren, der erst 1947 nach München berufene Franz Schnabel mit der Organisation am Ort beauftragt. Kurzfristig musste das Treffen um eine Woche vorverlegt werden. Der Gründungsausschuss des neuen Verbands um Gerhard Ritter (Freiburg) hatte ein Kalenderproblem übersehen, wie es in die Zuständigkeit der historischen Hilfswissenschaften fällt: Seinem Namen zum Trotz findet das Oktoberfest im September statt.
Die Wissenslücke lässt sich nicht damit erklären, dass die versammelten Geschichtsprofessoren keinen Sinn für bierselige Geselligkeit gehabt hätten. Das Gegenteil ist der Fall: Vom Besuch eines Historikertags sei abzuraten, schrieb der Althistoriker Otto Seeck 1903 an einen Kollegen, wenn man "Alkohol nur in bescheidener Menge vertrage". Als unlängst in dieser Zeitung ein kritischer Bericht über den Hamburger Kongress des European Consortium for Political Research erschien (F.A.Z. vom 29. August), warfen einzelne Leser unserer Berichterstatterin wissenssoziologische Naivität vor: Ihr Urteil, das Setting von 2400 zehnminütigen Vorträgen mache die Erörterung neuer Erkenntnisse unmöglich, verkenne, dass der wahre Zweck solcher Zusammenkünfte der zwanglose Austausch unter Kollegen sei.
Für diese informelle Seite der Tagungskommunikation war in den ersten Jahrzehnten der deutschen Historikertage eigens Zeit im Programm reserviert. In München fand 1949 das "gemütliche Beisammensein" des ersten Abends im Hofbräuhaus statt - und in diesem Rahmen hielten auch Ritter und der bayerische Kultusminister Alois Hundhammer ihre Eröffnungsreden. Am vorletzten Tag unternahmen die etwa 250 Teilnehmer "bei strahlendem Wetter" einen Gemeinschaftsausflug zum Kloster Andechs, und man darf annehmen, dass auf dem Heiligen Berg nicht nur die gebauten Zeugnisse benediktinischen Fleißes auf das Interesse der deutschen Sektion der "Ökumene der Historiker" (Karl Dietrich Erdmann) stießen.
Am heutigen Dienstag tritt der Deutsche Historikertag, parallel zum Münchner Oktoberfest, in der westfälischen Universitätsstadt Münster zusammen, einer Metropole der kooperativen historischen Großforschung, deren Institutionen sich im Unterschied zu den alten auf Dauer angelegten Einrichtungen wie der Historischen Kommission und den MGH unter einem bestimmten Thema und auf Zeit konstituieren. Die Düsseldorfer Mittelalterhistorikerin Eva Schlotheuber, seit 2016 die erste Frau an der Spitze des Verbands, der seit 1998 Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands heißt, Ministerpräsident Armin Laschet und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble werden zur Eröffnung sprechen. Dass die Feier im Hörsaal stattfindet, liegt nicht allein daran, dass die etwa 3000 Teilnehmer, mit denen gerechnet wird, auch die größte Gastwirtschaft der Studentenstadt gesprengt hätten. Die verbandsinternen Kritiker, die über Jahrzehnte an den Banketten Anstoß nahmen, haben sich pro forma durchgesetzt. Der gesellige Teil des Historikertags ist der inoffizielle Teil geworden.
Kann man diese funktionale Ausdifferenzierung als einen Fortschritt der Professionalisierung bewerten? Oder muss man dem alten, von Ordinarien beherrschten und von Nicht-Ordinarien als Honoratiorenverein geschmähten Verband bescheinigen, dass er professioneller, nämlich ehrlicher mit der ehernen Gesetzmäßigkeit umging, dass die Gesamttreffen eines Faches auch dem Zurschaustellen von Status, Ehrgeiz und Kontakten dienen? Der Beitrag von Historikerverband und Historikertagen zur Professionalisierung der Geschichtswissenschaft ist eine Leitfrage eines zweibändigen Werkes, das pünktlich für Münster fertig geworden ist. Ein typisches Produkt heutiger professioneller Fachhistorie: Ergebnis arbeitsteiliger Auftragsforschung.
Wie Behörden und Unternehmen ihre Geschichte fachwissenschaftlich erforschen lassen und dadurch für Historiker Beschäftigung im doppelten Sinne schaffen, haben sich hier die Historiker mit sich selbst beschäftigt. Fünf Namen stehen auf den Buchrücken: Matthias Berg verantwortet die erste Hälfte der Darstellung, vom ersten Historikertag 1893 bis zum Ende des Hitlerreichs, Olaf Blaschke, der 2008 die im untergegangenen Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen verwahrten Verbandsakten in seine Obhut nahm, gemeinsam mit Jens Thiel die zweite Hälfte bis ungefähr zum Jahr 2000; Martin Sabrow und Krijn Thijs steuern Kapitel über zwei Gegengründungen der DDR bei, die amtliche "Historiker-Gesellschaft" von 1958 und den revolutionären "Unabhängigen Historiker-Verband" von 1990.
Für die Frage nach der Professionalisierung ergibt die Gesamtbetrachtung ein "ambivalentes Bild" - ebenso für die anderen Leitfragen, etwa nach dem politischen Selbstverständnis der Fachrepräsentanz oder dem internationalen Engagement. Über die durch München 1949 markierte Zäsur steht auf der ersten Seite des zweiten Bandes: "Wohin sich die Waage neigte, ob stärker zugunsten von Kontinuitäten oder mehr in Richtung Wandel, das blieb ein stetiger Aushandlungsprozess." Als Hauptakteur der Politik eines so beschriebenen Verbands hätte sich Theodor Schieder, Vorsitzender von 1967 bis 1972, ohne weiteres wiedererkannt, der "Geschichtsbewusstsein" definierte als "ständige Gegenwärtigkeit des Wissens, dass der Mensch und alle von ihm geschaffenen Einrichtungen und Formen seines Zusammenlebens in der Zeit existieren, also eine Herkunft und eine Zukunft haben, dass sie nichts darstellen, was stabil, unveränderlich und ohne Voraussetzungen ist".
In der Vorstellung, dass Instabilität und Stabilität aller Einrichtungen des Zusammenlebens, also auch der Institutionen fachlicher Selbstverwaltung, sich in "Prozessen" ständigen "Aushandelns" einstellen, kann man den Niederschlag eines Methodenstreits vermuten, dem Berg und Thiel ein interessantes Kapitel widmen: Die Alltagsgeschichte, deren im Zunftsystem randständige Pioniere den "Eigen-Sinn" marginalisierter Gruppen beschrieben, wurde 1984 Leitthema des Historikertags in Berlin; gegenüber Journalisten bewarb der listige Verbandsvorsitzende Christian Meier den Kongress mit Blick auf die Affinitäten zwischen Alltagsgeschichte und Alternativbewegung als "grünen Historikertag". Dass für Historiker heute jegliches Handeln und Leiden (wie Jacob Burckhardt gesagt hätte) ein Aushandeln geworden ist, hat hauptsächlich aber wohl damit zu tun, dass ihre eigene professionelle Existenz durch das stetige Verhandeln in Gremien geprägt wird.
Für die Historikertage, deren Verhandlungen vor dem Aufstieg des Internetforums H-Soz-Kult in umfangreichen Berichtsbänden dokumentiert wurden, ist dieses Paradigma fraglos sachgerecht. Und doch ist es seltsam, dass auf 800 Seiten eine Formveränderung der öffentlich sichtbaren und verbandsmäßig verwalteten Historie beschworen wird, die Verdrängung der Politikgeschichte zunächst durch die Sozial-, später durch die Kulturgeschichte, von der sich in diesem Werk selbst kaum eine Spur finden lässt. Es bietet Verbandspolitikgeschichte. Was nicht in den Akten ist, bleibt im kollektiven Gedächtnis verborgen. Die Autoren begründen noch nicht einmal, dass sie auf Interviews mit Akteuren verzichtet haben. Auf Historikertagen wird beim Bier Politik gemacht. Dazu bieten die zwei Bände außer ganz vereinzelten Anekdoten nur Gemeinplätze der Soziologie des Netzwerks. Vielleicht ist dieses Phänomen doch zu stabil, um als Gegenstand historischer Forschung zu taugen.
PATRICK BAHNERS
M. Berg, O. Blaschke, M. Sabrow, J. Thiel und K. Thijs: "Die versammelte Zunft". Historikerverband und Historikertage in Deutschland 1893-2000.
Wallstein Verlag, Göttingen 2018. 2 Bde., zus. 839 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].
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Nüchterne Aushandelsbilanz eines alkoholreichen Rituals: Die Geschichte der deutschen Historikertage
Zwölf Jahre lang war Pause, geschichtsbedingt. 1949 sollte wieder ein deutscher Historikertag stattfinden und der Verband der deutschen Historiker neu gegründet werden. München, Sitz der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und neuerdings auch der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica (MGH), wurde als Tagungsort auserkoren, der erst 1947 nach München berufene Franz Schnabel mit der Organisation am Ort beauftragt. Kurzfristig musste das Treffen um eine Woche vorverlegt werden. Der Gründungsausschuss des neuen Verbands um Gerhard Ritter (Freiburg) hatte ein Kalenderproblem übersehen, wie es in die Zuständigkeit der historischen Hilfswissenschaften fällt: Seinem Namen zum Trotz findet das Oktoberfest im September statt.
Die Wissenslücke lässt sich nicht damit erklären, dass die versammelten Geschichtsprofessoren keinen Sinn für bierselige Geselligkeit gehabt hätten. Das Gegenteil ist der Fall: Vom Besuch eines Historikertags sei abzuraten, schrieb der Althistoriker Otto Seeck 1903 an einen Kollegen, wenn man "Alkohol nur in bescheidener Menge vertrage". Als unlängst in dieser Zeitung ein kritischer Bericht über den Hamburger Kongress des European Consortium for Political Research erschien (F.A.Z. vom 29. August), warfen einzelne Leser unserer Berichterstatterin wissenssoziologische Naivität vor: Ihr Urteil, das Setting von 2400 zehnminütigen Vorträgen mache die Erörterung neuer Erkenntnisse unmöglich, verkenne, dass der wahre Zweck solcher Zusammenkünfte der zwanglose Austausch unter Kollegen sei.
Für diese informelle Seite der Tagungskommunikation war in den ersten Jahrzehnten der deutschen Historikertage eigens Zeit im Programm reserviert. In München fand 1949 das "gemütliche Beisammensein" des ersten Abends im Hofbräuhaus statt - und in diesem Rahmen hielten auch Ritter und der bayerische Kultusminister Alois Hundhammer ihre Eröffnungsreden. Am vorletzten Tag unternahmen die etwa 250 Teilnehmer "bei strahlendem Wetter" einen Gemeinschaftsausflug zum Kloster Andechs, und man darf annehmen, dass auf dem Heiligen Berg nicht nur die gebauten Zeugnisse benediktinischen Fleißes auf das Interesse der deutschen Sektion der "Ökumene der Historiker" (Karl Dietrich Erdmann) stießen.
Am heutigen Dienstag tritt der Deutsche Historikertag, parallel zum Münchner Oktoberfest, in der westfälischen Universitätsstadt Münster zusammen, einer Metropole der kooperativen historischen Großforschung, deren Institutionen sich im Unterschied zu den alten auf Dauer angelegten Einrichtungen wie der Historischen Kommission und den MGH unter einem bestimmten Thema und auf Zeit konstituieren. Die Düsseldorfer Mittelalterhistorikerin Eva Schlotheuber, seit 2016 die erste Frau an der Spitze des Verbands, der seit 1998 Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands heißt, Ministerpräsident Armin Laschet und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble werden zur Eröffnung sprechen. Dass die Feier im Hörsaal stattfindet, liegt nicht allein daran, dass die etwa 3000 Teilnehmer, mit denen gerechnet wird, auch die größte Gastwirtschaft der Studentenstadt gesprengt hätten. Die verbandsinternen Kritiker, die über Jahrzehnte an den Banketten Anstoß nahmen, haben sich pro forma durchgesetzt. Der gesellige Teil des Historikertags ist der inoffizielle Teil geworden.
Kann man diese funktionale Ausdifferenzierung als einen Fortschritt der Professionalisierung bewerten? Oder muss man dem alten, von Ordinarien beherrschten und von Nicht-Ordinarien als Honoratiorenverein geschmähten Verband bescheinigen, dass er professioneller, nämlich ehrlicher mit der ehernen Gesetzmäßigkeit umging, dass die Gesamttreffen eines Faches auch dem Zurschaustellen von Status, Ehrgeiz und Kontakten dienen? Der Beitrag von Historikerverband und Historikertagen zur Professionalisierung der Geschichtswissenschaft ist eine Leitfrage eines zweibändigen Werkes, das pünktlich für Münster fertig geworden ist. Ein typisches Produkt heutiger professioneller Fachhistorie: Ergebnis arbeitsteiliger Auftragsforschung.
Wie Behörden und Unternehmen ihre Geschichte fachwissenschaftlich erforschen lassen und dadurch für Historiker Beschäftigung im doppelten Sinne schaffen, haben sich hier die Historiker mit sich selbst beschäftigt. Fünf Namen stehen auf den Buchrücken: Matthias Berg verantwortet die erste Hälfte der Darstellung, vom ersten Historikertag 1893 bis zum Ende des Hitlerreichs, Olaf Blaschke, der 2008 die im untergegangenen Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen verwahrten Verbandsakten in seine Obhut nahm, gemeinsam mit Jens Thiel die zweite Hälfte bis ungefähr zum Jahr 2000; Martin Sabrow und Krijn Thijs steuern Kapitel über zwei Gegengründungen der DDR bei, die amtliche "Historiker-Gesellschaft" von 1958 und den revolutionären "Unabhängigen Historiker-Verband" von 1990.
Für die Frage nach der Professionalisierung ergibt die Gesamtbetrachtung ein "ambivalentes Bild" - ebenso für die anderen Leitfragen, etwa nach dem politischen Selbstverständnis der Fachrepräsentanz oder dem internationalen Engagement. Über die durch München 1949 markierte Zäsur steht auf der ersten Seite des zweiten Bandes: "Wohin sich die Waage neigte, ob stärker zugunsten von Kontinuitäten oder mehr in Richtung Wandel, das blieb ein stetiger Aushandlungsprozess." Als Hauptakteur der Politik eines so beschriebenen Verbands hätte sich Theodor Schieder, Vorsitzender von 1967 bis 1972, ohne weiteres wiedererkannt, der "Geschichtsbewusstsein" definierte als "ständige Gegenwärtigkeit des Wissens, dass der Mensch und alle von ihm geschaffenen Einrichtungen und Formen seines Zusammenlebens in der Zeit existieren, also eine Herkunft und eine Zukunft haben, dass sie nichts darstellen, was stabil, unveränderlich und ohne Voraussetzungen ist".
In der Vorstellung, dass Instabilität und Stabilität aller Einrichtungen des Zusammenlebens, also auch der Institutionen fachlicher Selbstverwaltung, sich in "Prozessen" ständigen "Aushandelns" einstellen, kann man den Niederschlag eines Methodenstreits vermuten, dem Berg und Thiel ein interessantes Kapitel widmen: Die Alltagsgeschichte, deren im Zunftsystem randständige Pioniere den "Eigen-Sinn" marginalisierter Gruppen beschrieben, wurde 1984 Leitthema des Historikertags in Berlin; gegenüber Journalisten bewarb der listige Verbandsvorsitzende Christian Meier den Kongress mit Blick auf die Affinitäten zwischen Alltagsgeschichte und Alternativbewegung als "grünen Historikertag". Dass für Historiker heute jegliches Handeln und Leiden (wie Jacob Burckhardt gesagt hätte) ein Aushandeln geworden ist, hat hauptsächlich aber wohl damit zu tun, dass ihre eigene professionelle Existenz durch das stetige Verhandeln in Gremien geprägt wird.
Für die Historikertage, deren Verhandlungen vor dem Aufstieg des Internetforums H-Soz-Kult in umfangreichen Berichtsbänden dokumentiert wurden, ist dieses Paradigma fraglos sachgerecht. Und doch ist es seltsam, dass auf 800 Seiten eine Formveränderung der öffentlich sichtbaren und verbandsmäßig verwalteten Historie beschworen wird, die Verdrängung der Politikgeschichte zunächst durch die Sozial-, später durch die Kulturgeschichte, von der sich in diesem Werk selbst kaum eine Spur finden lässt. Es bietet Verbandspolitikgeschichte. Was nicht in den Akten ist, bleibt im kollektiven Gedächtnis verborgen. Die Autoren begründen noch nicht einmal, dass sie auf Interviews mit Akteuren verzichtet haben. Auf Historikertagen wird beim Bier Politik gemacht. Dazu bieten die zwei Bände außer ganz vereinzelten Anekdoten nur Gemeinplätze der Soziologie des Netzwerks. Vielleicht ist dieses Phänomen doch zu stabil, um als Gegenstand historischer Forschung zu taugen.
PATRICK BAHNERS
M. Berg, O. Blaschke, M. Sabrow, J. Thiel und K. Thijs: "Die versammelte Zunft". Historikerverband und Historikertage in Deutschland 1893-2000.
Wallstein Verlag, Göttingen 2018. 2 Bde., zus. 839 S., Abb., geb., 39,90 [Euro].
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»der Band (besticht) durch gründliche Recherchen, klare Disposition und ausgewogene Darstellung« (Frank-Rutger Hausmann, Informationsmittel für Bibliotheken, 2018) »Es ist der Vorteil dieser Bände über die 'versammelte Zunft', diesen Prozess quellenbasiert, eindringlich, reflektiert und lesbar darzustellen.« (Winfried Schulze, H-Soz-Kult, 12.04.2019) »eine außerordentlich materialreiche, höchst informative Untersuchung« (Dirk Klose, Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte 5/2019) »eines der wichtigsten Bücher zum Verständnis deutscher Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert« (Stefan Jordan, Neue Politische Literatur, 2019) »eine vorzügliche Geschichte des Historikerverbandes sowie der Historikertage und zugleich ein neues Standardwerk der deutschen Wissenschafts- und Historiographiegeschichte« (Thomas Kroll, Historische Zeitschrift, Bd. 310, 2020)