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Die Jugendtagebücher Kaiser Franz Josephs galten schon zu seinen Lebzeiten als verschollen. Tatsächlich überdauerte das Manuskript in einem Schlupfwinkel der kaiserlichen Kabinettskanzlei den Zusammenbruch der Monarchie. 1918 unter abenteuerlichen Umständen im letzten Moment vor der Vernichtung gerettet, wurde der wertvolle Fund einem Privatarchiv einverleibt, in dem er - unbekannt und unveröffentlicht - die Wirren des Jahrhunderts überdauerte. Anna Maria Sigmund hat diesem Dokument aus dem prägsamsten Lebensabschnitt des jungen Franz Joseph die informativsten Passagen entnommen, sie mit…mehr

Produktbeschreibung
Die Jugendtagebücher Kaiser Franz Josephs galten schon zu seinen Lebzeiten als verschollen. Tatsächlich überdauerte das Manuskript in einem Schlupfwinkel der kaiserlichen Kabinettskanzlei den Zusammenbruch der Monarchie. 1918 unter abenteuerlichen Umständen im letzten Moment vor der Vernichtung gerettet, wurde der wertvolle Fund einem Privatarchiv einverleibt, in dem er - unbekannt und unveröffentlicht - die Wirren des Jahrhunderts überdauerte. Anna Maria Sigmund hat diesem Dokument aus dem prägsamsten Lebensabschnitt des jungen Franz Joseph die informativsten Passagen entnommen, sie mit Zeitschilderungen aus dem Vormärz versehen und reichhaltiges Bildmaterial beigefügt. Die Tagebucheintragungen des jungen Franz Joseph ab 1843 enthalten faszinierende Schilderungen über das Privatleben der kaiserlichen Familie, die Erziehung des späteren Monarchen, die Sommeraufenthalte in Bad Ischl und der bayerischen Verwandten sowie die Bildungsreisen durch die Monarchie. So entstand aus de n einzigartigen Aufzeichnungen des monarchischen Zeitzeugen ein ebenso unterhaltsames wie historisch aufschlussreiches Buch.
Autorenporträt
Anna Sigmund studierte Geschichte und Kunstgeschichte an der Wiener Universität. Sie arbeitete als freie Wissenschaftsjournalistin, Historikern sowie Sachbuchautorin und feierte mit ihrer Reihe Die Frauen der Nazis internationale Erfolge. Leichenroulette ist ihr erster Roman. Anna Sigmund lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999

Hochwohlverloren
Auf Geheiß der Mama führte der kleine Habsburger Franz Joseph ein Tagebuch / Von Ulrich Weinzierl

Die Wiener Zeitungen geben sich ergriffen und widmen dem Buch untertänigste Doppelseiten: Der Name Franz Joseph, noch dazu in angeblich sensationell neuer Sicht, putzt eben ganz ungemein. Kein Wunder: Verglichen mit der schönen und begabten, der unglücklichen und obendrein ermordeten Sisi, wirkte der allerdurchlauchtigste Herr Gemahl bis dato etwas blass, ja dürftig. Der alte Kaiser, pflichtbewusst bis in den Tod, verstand sich als erster Beamter seines Reichs und wurde eine Art Hofrat seiner selbst.

Man schätzte und schätzt ihn mehr als leibhaftiges Symbol denn als Persönlichkeit, welche ihm sogar häufig völlig abgesprochen wird. Die Gestalt Franz Joseph von Gottes Gnaden nahm in den letzten Dezennien der achtundsechzig Jahre währenden Herrschaft märchenhafte Züge an. Er repräsentierte die Dauer, die Sicherheit, das fast schon Ewige. Solange er lebte, hielt Kakaniens vertrackter Vielvölkerbau, das Haus Österreich. Gewiss mehr schlecht als recht, aber er hielt. Den Kummer des blamablen Untergangs einer ruhmreichen Dynastie sollte die Geschichte dem greisen Monarchen ersparen. Doch als er am 30. November 1916 mit dem finsteren Pomp des habsburgischen Hofzeremoniells bestattet wurde, war das ohne Zweifel, nicht nur rückblickend, sondern auch für die meisten Zuschauer der Trauerfeier, ein Staatsbegräbnis in des Wortes doppeltem Sinn.

Jetzt sind "Die verschollenen Tagebücher Franz Josephs" auf den Markt gekommen. Allerdings handelt es sich dabei bloß um Kinder- und Jugendschriften, denn diese Diarien wurden, auf Geheiß Erzherzogin Sophies, der gestrengen Frau Mama, mit dem dreizehnten Lebensjahr begonnen. Zu Franz Josephs achtzehntem Geburtstag, anno Revolution, hatte man verständlicherweise dringendere Sorgen, und kurz darauf, im Dezember 1848, war der junge Erzherzog bereits Kaiser von Österreich, nachdem der liebenswürdig vertrottelte Onkel Ferdinand ("der Gütige") zu seinen Gunsten auf den Thron verzichtet hatte. Niemand konnte die frisch gebackene Majestät mehr zur Fortführung des Pflichtjournals zwingen.

Franz Joseph maß den Aufzeichnungen offenbar geringe Bedeutung bei, die zwei Bücher verstaubten irgendwo in der Hofburg. Ende 1918 - arg republikanische Zeiten waren angebrochen - verbrannte der ehemalige Kabinettsdiener Franz Kukula weisungsgemäß sämtliche Unterlagen der kaiserlichen Kabinettskanzlei. Die Tagebücher indes schienen ihm bei diesem Autodafé aufhebenswert. Er nahm sie an sich und hat sie 1923 für eine nicht unbeträchtliche Summe Franz Salvator Habsburg-Lothringen verkauft, Franz Josephs Schwiegersohn. Die Dokumente wurden innerhalb der Familie vererbt und blieben, in verschiedenen Privatarchiven verwahrt, der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, bis sich der derzeitige Besitzer, Gert Üblacker-Risenfels, an die Autorin des nun vorliegenden Bandes wandte.

Damit kein Missverständnis entsteht: Was Anna Maria Sigmund hier in Auswahl vor geschickt arrangiertem zeitgenössischem Hintergrund und angereichert mit einer Galerie dekorativer und tatsächlich illustrativer Bilder zusammengestellt hat, ist ein sehr hübscher Geschenkband, an dessen Verkaufserfolg niemand zweifeln wird. Allein, der Wert für die historische Wissenschaft scheint minimal. So "verschollen" wie behauptet waren die Notate überdies gar nicht: Schon bei der Veröffentlichung der Briefe Franz Josephs an seine Mutter, immerhin 1930, hatte der Herausgeber eine signifikante Stelle daraus zitiert. Auch Alan Palmers Franz Joseph-Biographie (1994) bezog sich darauf. Vorsichtshalber fehlen beide Werke in der Liste der von Anna Maria Sigmund ausgewählten weiterführenden Literatur. Nichts anderes soll dadurch angedeutet werden als: Hätten die Tagebücher Gewicht, wären sie längst mühelos auszuforschen gewesen.

Allerdings wird niemand verkennen, dass sich unsere Perspektive mittlerweile stark verändert hat. Wir sind durch die Theorie-Schule der "schwarzen Pädagogik" gegangen und wissen, was Entzug von Nähe und Wärme, was Repression und Härte in der kindlichen Psyche auslösen können. Darum sagen uns die spärlichen Andeutungen in Franz Josephs diaristischen Hausaufgaben weit mehr als früheren Generationen. Automatisch lesen wir mit, was nicht da ist, anders ausgedrückt: Wir registrieren Leerstellen als Defizite, als Defekte. Wenn also des jugendlichen Franz Joseph Enuntiationen auffällig frei von emotionellen Lebensäußerungen sind, liefert uns Vulgärpsychologie sofort die Diagnose "seelisch verkrüppelt" an die Hand.

Der Erzherzog, den die ehrgeizige Mutter - Sophie galt als "einziger Mann am Hofe" - von Anfang an zum Thronfolger aufzubauen versuchte, wurde mit einem gewaltigen Lernpensum eingedeckt, das uns heute vernunftwidrig, wenn nicht überhaupt unmenschlich vorkommt. Metternich persönlich hatte den "Primo Ajo", den ersten Erzieher, für Franz Joseph ausgewählt: Graf Heinrich Bombelles, einen Reaktionär von echtem Schrot und Korn. Den mochte der Erzogene nicht leiden, seinen zweiten Erzieher, den Grafen Ledochowski, schloss er dafür ins Herz. Als dieser schwer erkrankte, verfertigte Franz Joseph für ihn ein Skizzenbüchlein - das Zeichnen, insbesondere von Karikaturen, war das hervorstechende Talent des sonst durchaus unmusischen Habsburger-Prinzen.

Zu seinem dreizehnten Geburtstag erhielt der vom Zauber der Montur gefesselte Knabe die Uniform eines Dragoner-Obersts geschenkt - und zugleich, eine nette Tradition des Hauses Habsburg-Lothringen, das zugehörige Regiment. Das Spiel mit Soldaten aus Zinn wie aus Fleisch und Blut, das Paradieren und Salutieren bereiteten Franz Joseph ungemein Vergnügen. Gerne nörgelte er an schlecht sitzenden Knöpfen oder sonstigen Adjustierungsmängeln herum - ein Stratege der Pedanterie, ein Liebhaber der militärischen Dienstvorschrift, ein Held des Exerzierplatzes. Sein anderes Steckenpferd war das Schießen auf bewegliche Ziele: Die Jagd wurde Franz Josephs Passion und Trost. Getreulich hielt er fest, wie viel Getier er so auf seinen Streifzügen durchs Salzkammergut zur Strecke brachte, zum Beispiel: "drey Hirschen und ein Kalb" oder 175 Fasane an einem Tag, letztere freilich in einem mährischen Fasangarten.

Artig machte er sich aber auch über seine Erziehungsfortschritte Gedanken: "Ich bete viel, dass ich in diesem Jahre recht brav werde." Erzherzogin Sophie, zu deren Beruhigung solche Eintragungen wohl gedacht waren, dürfte sich über den biedermeierlichen Ideal-Sohn gefreut haben. Und dass er sich schon mit vierzehn für Frauen interessierte, wusste er im Tagebuch zu verschweigen. Dem wachsamen Mutterauge entging es dennoch nicht. Von Sexualaufklärung lässt sich in seinem Fall jedoch kaum sprechen. Am 28. August 1848 hielt er das ihm rätselhafte Phänomen pubertären Stimmbruchs fest: "Seit einiger Zeit bin ich moutiert; es kommt glaube ich von den vielen Unterhaltungen; ich hoffe jedoch ruhiger zu werden und recht brav zu seyn."

Zu dynastischen Propagandazwecken wurde der junge Mann außerdem einem üppigen Reiseprogramm durch die Länder der Monarchie unterworfen: Von Italien bis Ungarn hat er alle Routen ordentlich, leutselig und tapfer absolviert; wenn er in Uniform auftreten durfte, war er glücklich. Und der allerhöchste Tourismus fand in seinem Tagebuch korrektestmöglichen Niederschlag. Aber nicht einmal die ausbrechende März-Revolution vermochte den Muster-"Franzi" aus der Reserve zu locken: Leidenschaftslos, weder betroffen noch triumphierend, nahm er zur Kenntnis, dass Pioniere "mehrere Leute töteten und verwundeten". Der Augenzeuge hatte nichts zu berichten. Noch stand ihm seine majestätische Leibformel "Es war sehr schön . . . es hat mich sehr gefreut" leider nicht zur Verfügung.

Anna Maria Sigmund: "Die verschollenen Tagebücher Franz Josephs". Böhlau Verlag, Wien 1999. 216 S., 149 Farb- u. S/W-Abb., geb., 69,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit einiger Ironie macht Ulrich Weinzierl klar, dass die Sensation um diese Tagebücher nicht so groß ist, wie es die Wiener Presse offensichtlich behauptete. Er betont, dass der spätere Kaiser diese Tagebücher auf Geheiß seiner strengen Mutter, der Erzherzogin Sophie, schreiben musste, die damit sein Seelenleben kontrollieren wollte. Der Wert für die historische Wissenschaft scheint "minimal", manches aus den Tagebüchern sei der Forschung auch schon bekannt gewesen. Immerhin aber könne man aus all dem, was Franz Joseph gerade nicht sagt, die düstere Wucht der "schwarzen Pädagogik" des 19. Jahrhunderts ablesen. Irgendwann notiert der Kaiser seinen Stimmbruch und legt das Tagebuch, dem er selbst "offenbar geringe Bedeutung" beimaß, zur Seite.

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