"Verschwiegene Lust" Gefunden in meiner Schatzkiste
Zum Geburtstag einer 70jährigen fragte ich sie, wie das mit der Liebe im Alter sei. Sie winkte ab: ,,Ach, da hat man mit sich und seinen Krankheiten zu tun!" - Das klang nicht gerade hoffnungsvoll. Und ich dachte, Einsamkeit kann auch krank
machen.
Hoffnungsvoll hingegen ist das vor langer Zeit bei Kiepenheuer & Witsch erschienene
Buch…mehr"Verschwiegene Lust" Gefunden in meiner Schatzkiste
Zum Geburtstag einer 70jährigen fragte ich sie, wie das mit der Liebe im Alter sei. Sie winkte ab: ,,Ach, da hat man mit sich und seinen Krankheiten zu tun!" - Das klang nicht gerade hoffnungsvoll. Und ich dachte, Einsamkeit kann auch krank machen.
Hoffnungsvoll hingegen ist das vor langer Zeit bei Kiepenheuer & Witsch erschienene
Buch ,Verschwiegene Lust" von Renate Daimler.
Die Autorin wollte herausfinden, was Frauen erwartet, wenn sie kalendarisch alt genannt werden und ihr Recht auf Lust auf die geistige Parkbank geschoben wird. Entstanden ist ein Buch. an dem man nicht vorbeischauen sollte. Frauen über Sechzig erzählen von ihrer Liebe und Sexualität.
,,Ich habe viele Antworten gefunden", so die damals 42jährige Journalistin, ,,alles ist möglich: die Fülle, die Dürre, die Resignation und der Mut zur Lust." –
Mut zur Lust
ist Lebenslust, Freude am Dasein, noch nicht abtreten wollen, weil das Leben Spaß macht. weil da noch jemand ist, der die Sinne wachhält. -
Vertreterinnen einer "lustunfähigen Generation" lüften den Schleier. Leben in Fülle quillt hervor, macht sichtbar, was verdrängt wird * die Sehnsucht unserer Mütter, Tanten, Großmütter nach Umarmung.
Stellvertretend für sie steht Judit. 7 I Jahre.
Sie bekennt: ,,Ich unterdrücke meine Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Sexualität. Das fordert eine große Selbstbeherrschung von mir. Das ist ein Punkt des Unglücks in meinem Leben."
Anders ist es bei Marcella, die im Alter von 72 der Leidenschaft begegnete und diese zulassen konnte. ,Mein Körper hat sich auch damals noch als Frau gefühlt, und es gibt immer noch Momente, wo ich als Frau fühle", so die heute 83jährige.
Mit 64 Jahren bringt es Maria auf den Punkt: ,,Wenn ich mit Männern zusammen bin, fühle ich mich nicht alt." -
Ein Gegenüber haben,
Erotik oder Sexualität erleben, sich nicht alt fühlen, ist nicht die Summe von Jahren, sondern Mangel an Nähe. Wie viel Kraft wird verbraucht, um diesen Mangel nicht wahrhaben zu wollen.
Kraft, die dem Leben verlorengeht und von der Jugend eingefordert wird, um
nicht in selbstgemachter Einsamkeit zu versinken. Eine Einsamkeit, die nicht zwangsläufig so sein muss, wenn man die Tür zum anderen offenhält.
,,Verschwiegene Lust"
ist ein Buch vom Durchhalten und Ausbrechen, von Trauer und Hoffnung, von Begegnungen, die sich an kein Lebensalter festmachen lassen.
Dazwischen kurze, meditative Texte von der Autorin. Gedanken, bei denen man ausruhen kann wie auf einem Meilenstein am Rande einer Landstraße. Texte, die den Weg der Erzählerinnen bedenken - eigene
Beobachtungen hinzufügen, Sichtweisen einer damals Zweiundvierzigjährigen.
Es ist ein hoffnungsvolles Buch, weil es offen lässt, wann und wie man der Zuneigung eines anderen Menschen begegnet. Es ist Bereicherung für jene, die in der Altenarbeit tätig sind, und könnte zur Anregung dienen, wenn Seniorenzentren entwickelt werden. Es ist ein guter Weg, um miteinander ins Gespräch zu kommen, um Vorurteile und Barrieren abzubauen, denn alles ist möglich: die Fülle, die Dürre und dass auch wir einmal älter werden.
Margarete Noack