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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2009

Der hohe Ton: Tarkowskijs versiegelte Zeit

Dominik Graf, der zu dieser erweiterten Neuausgabe von Andrej Tarkowskijs Überlegungen zum Kino und zu seinen eigenen Filmen das Vorwort geschrieben hat, empfiehlt, zur Einstimmung erst mal Bachs Orgelchoral BWV 653 zu hören, die Anfangsmusik aus "Solaris". Sodann erklärt er, dass man das Buch mehrmals lesen sollte, um seine verschiedenen Schichten zu durchdringen. "Man kann es natürlich auch gleich als Komplett-Sandwich con tutto heruntermampfen", fährt er fort, und das alles klingt, bevor es richtig losgeht, doch ziemlich kompliziert. Und so bleibt es.

Denn das Buch, das 1985, ein knappes Jahr vor Tarkowskijs Tod, erstmals auf Deutsch erschien und "weitgehend", wie es wiederum im Nachwort des Übersetzers Hans-Joachim Schlegels heißt, auf Gesprächen beruht, welche die Filmjournalistin Olga Surkowa mit dem Regisseur führte, ist schon ein harter Brocken. Nicht, weil es schwer lesbar wäre. Vielmehr weil man schon ein geneigtes Ohr für den hohen Ton braucht, der sich zwangsläufig einstellt, wenn immer mal wieder vom "spirituellen Geheimnis der Kunst" die Rede ist, das es zu bewahren gilt - was im Film, dem Medium der Evidenz, nicht unbedingt naheliegt.

Das sollte einen aber nicht vom Lesen abhalten. Denn neben seinen allgemeineren Überlegungen zum Kino erfährt man sozusagen alles, was Tarkowskij über die eigenen Filme zu sagen hat. Er scheut sich dabei nicht, ganz im Detail von der "Bedeutung" einzelner Bilder zu sprechen, von jener Aufladung also, der die meisten Regisseure gerade aus dem Weg gehen. So schreibt er etwa zur Schlusseinstellung von "Nostalghia" - in der mitten in einer italienischen Kathedrale ein russisches Bauernhaus auftaucht -, dass sie "filmisch nicht ganz sauber" sei, weil das konstruierte Bild etwas Literarisches an sich habe, was er in seinen theoretisch-poetologischen Ausführungen eigentlich für unzulässig erklärt hatte. Man dürfe aber die Regeln, die man aufstelle, durchaus brechen, schreibt er weiter - und bekennt sich damit zur Freiheit der künstlerischen Entscheidung jenseits des ästhetischen Konzepts. Und diese Freiheit ist es in hohem Maße ja schließlich auch, für die wir seine Filme sehen. (lue.)

Andrej Tarkowskij: "Die versiegelte Zeit". Gedanken zur Kunst, Ästhetik und Poetik des Films. Aus dem Russischen und mit einem Nachwort von Hans-Joachim Schlegel. Mit einem Vorwort von Dominik Graf. Alexander Verlag Berlin 2009. 408 S., geb., Abb., 28,- [Euro].

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