Wir leben in einer Zeit der schnellen technischen und sozialen Um brüche. Industrielle Strukturen, die den europäischen Ländern durch Jahrzehnte hindurch wirtschaftlichen Wohlstand bescherten, sind obsolet geworden, und neue Industrien, die die Rolle der tradi tionellen Firmen übernehmen könnten, entwickeln sich nur lang sam. In dieser Situation wird viel über Innovation geredet, aber die innovative Kraft der Industrie, besonders der pharmazeutischen In dustrie, von der in diesem Buch die Rede ist, läßt oft zu wünschen übrig. Unter diesen Umständen erscheint es angebracht, einmal zu zei gen, welche technischen und sozialen Impulse dazu führten, daß sich Ende des 19. Jahrhunderts eine moderne Arzneimittelforschung entwickeln konnte und daß diese neue interdisziplinäre Aktivität in der aufblühenden pharmazeutischen Industrie ihre Heimat fand. Ein Jahrhundert lang erwies sich diese Konstellation als überaus er folgreich. Wir verdanken ihr praktisch den gesamten heute verfüg baren Arzneimittelschatz. Mehrere Technologieschübe während dieses Jahrhunderts prägten die Pharmaforschung und eröffneten der sie unterstützenden Industrie neue Handlungsräume. Heute hat sich die Situation abermals verändert. Einerseits sind neue Wissen schaftszweigeund Technologien wie Genomwissenschaften, kombi natorische Chemie, Automatisierung und Bioinformatik im Begriff, der Arzneimittelforschung neue Impulse zu geben. Andererseits zwingen rasch ansteigende Entwicklungskosten die Pharmafirmen, bei der Auswahl ihrer Entwicklungssubstanzen ökonomische Maß stäbe anzulegen, die mit den medizinischen Bedürfnissen der Bevöl kerung nicht immer im Einklang stehen.
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