Die Villenbauten, die der Renaissance-Architekt Andrea Palladio zwischen 1537 und 1572 in Venetien plante und schuf, prägen unser Verständnis republikanischer Architektur bis heute. Noch vor den Kirchenbauten in Venedig, den Palästen und Brücken im Veneto entstanden in dieser Zeit 40 Villen, die zu Vorbildern für die neuzeitliche Landsitz- und Gartenkultur wurden. Mit Bauelementen wie dem Portikus und antikischen Gliederungen entwickelte Palladio architektonische Stilvorlagen, die im Palladianismus vielfach aufgegriffen wurden und sich bis in die Moderne weiterverfolgen lassen. Das Weiße Haus und das Kapitol in Amerika sind ohne das Vorbild der Villen Palladios nicht denkbar. Aber auch unser Bewusstsein der Architektur europäischer Kulturbauten wie Museen, Theater und Bibliotheken geht auf diese Bauformen zurück.Volker Plagemann verknüpft in seinem Buch erstmals die neueren Forschungsergebnisse zu einer Gesamtdarstellung der Villen Palladios. Zugleich widmet er jeder Villa ein eigenes, detailliertes Kapitel, das diese nicht nur in den stilistischen und entstehungs-geschichtlichen Zusammenhang der übrigen Villenprojekte einordnet, sondern auch aktuelle Informationen zu Besichtigungsmöglichkeiten und Kontaktdaten vor Ort bietet. Die zahlreichen Abbildungen vermitteln einen ersten ästhetischen Eindruck dieser imposanten Architektur, die teils noch gut erhalten ist. Damit verbindet der Autor die wissenschaftlich fundierte Darstellung des Werks eines der einflussreichsten Architekten westlicher Architekturgeschichte mit den praktischen Hinweisen eines Reise- und Kulturführers zu den Standorten der Villen Palladios in Venetien.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2012Hält derweil schon Wacht
Wenn dieses Buch ein wenig früher fertig geworden wäre, hätte es sicher noch mehr Aufmerksamkeit erregt, denn ein fünfhundertster Geburtstag macht natürlich etwas her. Andererseits aber ist der 1508 in Padua geborene Andrea di Pietro della Gondola, der sich später - wahrscheinlich in Anspielung auf den antiken Landwirtschafts-Schriftsteller Palladius und gewissermaßen mit programmatischer Absicht - Palladio nannte, eine so sehr alle Zeiten übergreifende Figur, dass ein paar Jahre Verspätung kaum ins Gewicht fallen. Zu feiern also ist dieser Palladio, der mit seinen Schöpfungen den architektonischen Formen-Kanon über Jahrhunderte bestimmte und gewissermaßen zum Gründer eines Netzwerks von epigonalen Bauten wurde, das, ausgehend von der Terraferma Venedigs, sich über ganz Europa und sich vom Weißen Haus in Washington bis zu den Plantagenhäusern in der Hitze des amerikanischen Südens sogar über die Neue Welt legte, eigentlich immer. Wenn dies außerdem mit einer wahren Festschrift, prall gefüllt mit akribischer wissenschaftlicher Kleinarbeit, geschieht, so wird damit mehr als eine Lücke in der umfangreichen Literatur zu Leben und Schaffen Palladios geschlossen. Wichtig ist in diesem Buch vor allem das unter dem etwas sperrigen Titel "Die Bauaufgabe Villa im Veneto" gestellte Einleitungskapitel, das sich klug und intensiv mit der Gedankenwelt des Architekten, aber auch mit dem sozialpolitischen Aspekt seines Bauens auseinandersetzt. Besonders schön ist, dass reichlich Pläne und Skizzen aus Palladios fundamentalem architekturtheoretischem Werk, den 1570 erschienenen "Quattro libri", abgebildet sind. Sehr detailliert ist die Beschreibung der einundvierzig von Palladio geplanten Villen, die heute noch - wenn auch manche in einem erbarmungswürdigen Zustand - zu sehen sind. Deswegen könnte sich dieses Buch durchaus als Begleitung für eine Reise zu Palladio eignen. Etwas mehr als der touristische Blick allerdings ist schon notwendig, um ein Buch zu lesen, das mit Absicht eine Herausforderung ist, sich mit einem Genie auseinanderzusetzen.
tg
"Die Villen des Andrea Palladio" von Volker Plagemann. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2012. 496 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Pläne, zwei Karten. Broschiert, 29,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn dieses Buch ein wenig früher fertig geworden wäre, hätte es sicher noch mehr Aufmerksamkeit erregt, denn ein fünfhundertster Geburtstag macht natürlich etwas her. Andererseits aber ist der 1508 in Padua geborene Andrea di Pietro della Gondola, der sich später - wahrscheinlich in Anspielung auf den antiken Landwirtschafts-Schriftsteller Palladius und gewissermaßen mit programmatischer Absicht - Palladio nannte, eine so sehr alle Zeiten übergreifende Figur, dass ein paar Jahre Verspätung kaum ins Gewicht fallen. Zu feiern also ist dieser Palladio, der mit seinen Schöpfungen den architektonischen Formen-Kanon über Jahrhunderte bestimmte und gewissermaßen zum Gründer eines Netzwerks von epigonalen Bauten wurde, das, ausgehend von der Terraferma Venedigs, sich über ganz Europa und sich vom Weißen Haus in Washington bis zu den Plantagenhäusern in der Hitze des amerikanischen Südens sogar über die Neue Welt legte, eigentlich immer. Wenn dies außerdem mit einer wahren Festschrift, prall gefüllt mit akribischer wissenschaftlicher Kleinarbeit, geschieht, so wird damit mehr als eine Lücke in der umfangreichen Literatur zu Leben und Schaffen Palladios geschlossen. Wichtig ist in diesem Buch vor allem das unter dem etwas sperrigen Titel "Die Bauaufgabe Villa im Veneto" gestellte Einleitungskapitel, das sich klug und intensiv mit der Gedankenwelt des Architekten, aber auch mit dem sozialpolitischen Aspekt seines Bauens auseinandersetzt. Besonders schön ist, dass reichlich Pläne und Skizzen aus Palladios fundamentalem architekturtheoretischem Werk, den 1570 erschienenen "Quattro libri", abgebildet sind. Sehr detailliert ist die Beschreibung der einundvierzig von Palladio geplanten Villen, die heute noch - wenn auch manche in einem erbarmungswürdigen Zustand - zu sehen sind. Deswegen könnte sich dieses Buch durchaus als Begleitung für eine Reise zu Palladio eignen. Etwas mehr als der touristische Blick allerdings ist schon notwendig, um ein Buch zu lesen, das mit Absicht eine Herausforderung ist, sich mit einem Genie auseinanderzusetzen.
tg
"Die Villen des Andrea Palladio" von Volker Plagemann. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2012. 496 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Pläne, zwei Karten. Broschiert, 29,95 Euro.
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