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Die völkische Bewegung war ein loses Konglomerat von Vereinen und Parteien, die in ihrer Ideologie Rechtsnationalismus, Kritik an der Zweiten Moderne und Mittelstandsorientierung verbanden. Nach einem ersten Höhepunkt Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts erlebten sie nach dem ersten Weltkrieg einen starken Zustrom, der sowohl Massenorganisationen wie den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund hervorbrachte als auch völkische Flügel bei Parteien wie den Deutschnationalen entstehen ließ. Die NSDAP versuchte mit Erfolg, sich selbst als treibende Kraft der völkischen Bewegung zu…mehr

Produktbeschreibung
Die völkische Bewegung war ein loses Konglomerat von Vereinen und Parteien, die in ihrer Ideologie Rechtsnationalismus, Kritik an der Zweiten Moderne und Mittelstandsorientierung verbanden. Nach einem ersten Höhepunkt Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts erlebten sie nach dem ersten Weltkrieg einen starken Zustrom, der sowohl Massenorganisationen wie den Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund hervorbrachte als auch völkische Flügel bei Parteien wie den Deutschnationalen entstehen ließ. Die NSDAP versuchte mit Erfolg, sich selbst als treibende Kraft der völkischen Bewegung zu profilieren. Vor der Folie des Nationalsozialismus ist heute jede Beschäftigung mit der Völkischen Bewegung zu sehen.

Stefan Breuer, einer der wichtigsten Autoren zu den rechten Strömungen im 19. und 20. Jahrhundert, zeichnet in seiner breiten Studie das gesamte, heterogene Spektrum der Völkischen Bewegung nach. Er untersucht Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Gruppierungen und geht der Frage nach, wie sie im Nationalsozialismus aufgehen oder sich von ihm unterscheiden.
Autorenporträt
Stefan Breuer, geb. 1948, ist Professor für Soziologie in Hamburg. Bei der WBG erschien von ihm u. a. 'Ordnungen der Ungleichheit. Die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871-1945' (2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2009

Pflege der Rückentwicklung
Die "Völkische Bewegung" im deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik

"Der Alldeutsche Verband will in allen Deutschen eine auf Treue und Liebe zur deutschen Eigenart gegründete völkische Gesinnung und einen nur auf das Wohl der deutschen Volkgesamtheit gerichteten völkischen Willen erwecken." Aufgabe sei die "Erhaltung, Pflege und Entwicklung des deutschen Volkstums". Die "planmäßige rassische Höherentwicklung des deutschen Volkes" sollte durch "Auslese und Förderung aller im Sinne guter deutscher Art hervorragend Begabten" erfolgen. Auf der anderen Seite sei allen Kräften entgegenzutreten, "welche die völkische Entwicklung des deutschen Volkes hemmen oder schädigen, insbesondere der Fremdsucht und der auf fast allen staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Gebieten bestehenden jüdischen Vorherrschaft". So formulierte der 1891 gegründete Alldeutsche Verband seine Ziele in der Satzung von 1919. Er stellte eine wesentliche organisatorische und ideologische Konstante der sogenannten "völkischen Bewegung" in Deutschland vom Kaiserreich bis zum "Dritten Reich" dar.

Noch in den 1870er Jahren wurde vorgeschlagen, mit dem Wort "völkisch" das aus dem Lateinischen stammende Wort "national" zu ersetzen. Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich "völkisch" als konkurrierender politischer Kampfbegriff durchgesetzt, der gerade in der Zeit zwischen den Weltkriegen inflationär benutzt wurde, was nicht unbedingt zur inhaltlichen Klarheit beitrug. Insofern überrascht es nicht, dass mit der Bezeichnung "völkische Bewegung" sehr heterogene, zum Teil gegenläufige Strömungen, Ideologien, Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengefasst werden. Der Terminus "völkisch" ist seit mehr als einem Jahrhundert umstritten. Als kleinster gemeinsamer Nenner werden mit diesem Adjektiv Einstellungen und Organisationen beschrieben, die sich auf ein Volk beziehen, das nicht mit der Bevölkerung eines Staates identisch sein muss, sondern zumeist - wie im Falle des Deutschen Reichs - über diese hinausgeht. Grundlage dieses Verständnisses ist zumeist ein rassistisches Denken, in dem bestimmte "Rassemerkmale" für die Definition des Volksbegriffs herangezogen werden.

In diesem Denken finden sich (lebens-)reformerische, eugenische, kulturelle und religiöse Strömungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf den als krisenhaft erlebten Modernisierungsprozess reagierten, indem sie auf traditionelle, nun radikalisierte Begriffe und Deutungsmuster zurückgriffen. Die "völkische Bewegung" bot Entwürfe einer alternativen Moderne an; sie war eine vornehmlich negativ definierte Gegenbewegung, charakterisiert durch Antisemitismus, Antislawismus, Antiromanismus, Antiurbanismus und Antiinternationalismus. Gesucht wurden angeblich durch jahrhundertelange Überfremdungsprozesse verschüttete Wesens- und Charaktermerkmale der Deutschen und ihrer Kultur. Ziel war eine als "Wiedergeburt" verstandene Erneuerung Deutschlands und der Deutschen. Sozial war die "völkische Bewegung" vor allem im männlichen protestantischen bürgerlichen Mittelstand verankert.

Gerade Mehrfachmitgliedschaften waren charakteristisch für die Vertreter der "völkischen Bewegung", sie ermöglichten einen kontinuierlichen und schnellen Informationsaustausch. So entstand ein dichtes Netzwerk rechter beziehungsweise rechtsextremer Organisationen in Deutschland. An die spezifische Sprache, die sich im völkischen Spektrum entwickelt hatte, knüpften die Nationalsozialisten bewusst an. So suggerierten sie eine Interessenidentität und stellten die Akzeptanz ihrer Herrschaft auf eine breitere Grundlage.

Die Erforschung der "völkischen Bewegung" ist vor allem durch den Berliner Historiker Uwe Puschner vorangetrieben worden. Sein Buch "Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich" und das von ihm mit herausgegebene Handbuch zur "völkischen Bewegung" sind Meilensteine der Forschungsgeschichte. Der Hamburger Soziologe Stefan Breuer arbeitet seit langem an einer Systematisierung der politisch "rechten" Szene. Mit seinen Arbeiten über die Grundpositionen der deutschen Rechten 1871 bis 1945, die Ordnungen der Ungleichheit sowie zum Nationalismus und Faschismus hat er anregende Studien verfasst. Nun hat er eine informative Gesamtdarstellung der "völkischen Bewegung" im Kaiserreich und in der Weimarer Republik vorgelegt. Dabei konzentriert er sich auf die politischen Artikulations- und Organisationsformen der Völkischen, also auf die politischen Vereine, Verbände und Parteien. Insgesamt ist das Spektrum der "völkischen Bewegung" jedoch umfassender, beispielsweise im religiösen Bereich.

Breuer verbindet in seiner in die beiden Perioden Kaiserreich und Weimarer Republik geteilten Darstellung chronologische und systematische Gliederung. Er schlägt einen Bogen von der antisemitischen Bewegung der Reichsgründungszeit über Alldeutsche, Kultur- und Lebensreform, völkische Regionalparteien, Deutschsoziale, Deutschvölkische bis zu Völkischen in der NSDAP. Eigene Abschnitte sind der Völkischen Jugend und dem Verhältnis zu Frauen gewidmet. Der Band schließt mit einem Ausblick auf die Ludendorff-Bewegung und die Deutsche Glaubensbewegung. Breuer sieht bei den Völkischen in erster Linie Volk und Nation und nicht Rasselehren im Vordergrund, daher ordnet er sie dem Nationalismus und nicht dem Rassismus zu. Damit rekurriert er auf ein älteres Verständnis, das die rassistische Definition des Volksbegriffes unterschätzt. Nicht immer kann die stellenweise sprachlich schwer lesbare Argumentation aus historischer Perspektive überzeugen, auch die Terminologie ("Differentialdiagnostik", "Interferenzen", "proletaroider Intellektualismus") wirkt eigenwillig und wenig zielführend. Trotz dieser Einschränkungen bietet Breuer einen kenntnisreichen Überblick über eine nicht zu unterschätzende rechte Strömung im 19. und 20. Jahrhundert. Deutlich wird, dass wir noch längst nicht genug über die gesamte "völkische Bewegung" und ihre Anhänger, vor allem für die Zeit nach 1933, wissen.

RAINER HERING

Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. 294 S., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2008

Der Rechtsextremismus kam aus der Mitte
Der lange Weg zur Ideologie der Nationalsozialisten: Stefan Breuers Darstellung der völkischen Bewegung ist ein Standardwerk ersten Ranges
Stefan Breuers faszinierende, aber zugleich anspruchsvolle Darstellung der völkischen Bewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik ist ein Standardwerk ersten Ranges. Wer den ideologischen Ort von Adolf Hitlers eher trivialen weltanschaulichen Tiraden ergründen will, tut gut daran, sie in den Dunstkreis des völkischen Denkens seit dem Wilhelminischen Kaiserreich einzuordnen, den Breuers brillante Analyse erschließt. Er geht davon aus, den Begriff des Völkischen und die ihm zuzuordnende Plethora völkischer Parteien, Verbände und Gesinnungsgemeinschaften vom „alten” Nationalismus wie dem Rassismus abzugrenzen. Als Bestimmungskriterien macht er „die zwiespältige Haltung gegenüber der Moderne”, mithin die „Kritik der reflexiven Modernisierung” und die damit verbundene defensive Mittelstandsideologie aus, sowie eine Hypostasierung des Volksgedankens.
Breuer wendet sich gegen den verbreiteten Irrtum, den daraus hervorgehenden „völkischen Rechtsnationalismus” mit Rassismus gleichzusetzen und betont, dass die Völkischen trotz aller Anleihen bei den Rassetheorien und antisemitischen Ressentiments stets Nation und Volk, also ethnischen Kategorien, den Vorzug gegeben haben. Die im einzelnen vielfältig schillernden völkischen Gruppierungen rekrutierten sich aus den Verlierergruppen der Auflösung des „alten” Mittelstandes, die sich gerade im Kaiserreich im Zuge der raschen Industrialisierung vollzog.
Im ersten Teil des Buches entwirft Breuer das Kaleidoskop der völkischen Bestrebungen im Kaiserreich. Aus der frühen antisemitischen Bewegung mit Adolf Stoecker, Wilhelm Marr und Eugen Dühring als Exponenten hervorgehend, fand der völkische Diskurs, den vor allem Bernhard Förster und Otto Glagau ins Leben riefen, in einer Vielzahl von Vereinen und Dachverbänden, Parteien und Gesinnungsgemeinschaften Ausdruck. Unter der Führung Theodor Fritschs kam es zu ersten Konzentrationsbestrebungen, so zur Gründung der „Deutschen antisemitischen Vereinigung” in Kassel 1886 und zwei Jahre später der Deutschsozialen Partei, die dann als Deutsche Reformpartei figurierte. Breuer weist darauf hin, dass in deren Programmatik der Antisemitismus aufs engste mit einer anti-modernistischen Mittelstandsideologie verknüpft war.
Breuer, der in Hamburg Soziologie lehrt, analysiert Entstehung, Rekrutierungsfeld, Programmatik und die rückläufige Wahlbewegung der Deutschen Reformpartei, ihre Verbindungen zur Kolonialbewegung und zum Alldeutschen Verband. Das Schwächemoment dieser „überstürzt zur Partei mutierten Gesinnungsgemeinschaft” habe es ihr erschwert, parlamentarische Koalitionen einzugehen, das Dreiklassenwahlrecht sie benachteiligt. Die Anlehnung an den „Bund der Landwirte” und der Kampf um die konservativen Wähler bewirkten eine fortschreitende Isolierung der radikalen Vorkämpfer wie Hermann Ahlwardt und Otto Böckel und ließen die antisemitische Programmatik des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes (DHV) gegenüber den sozialpolitischen Belangen zurücktreten. Daher ging, so Breuer, die parteibildende Kraft der Völkischen nach der Jahrhundertwende zurück, so dass sie dazu übergingen, durch die Bildung völkischer Gesinnungsgemeinschaften – so den „Germanenorden” Friedrich Langes oder den „Reichshammerbund” Theodor Fritschs – eine „Kulturrevolution von rechts” zu betreiben. So ergab sich eine enge Verbindung zur Lebensreform, zum Siedlungsgedanken und zur Nordischen Bewegung. Breuer schildert detailliert die Vielzahl dieser Gesinnungsvereine, die sich überwiegend aus Halbintellektuellen der Oberschicht rekrutierten, welche selbst durchweg vom sozialen Abstieg bedroht waren und auf die Max Webers Kategorie eines „proletariden Intellektualismus” zutrifft. Dazu gehören auch Bestrebungen wie das Deutschchristentum. Der Autor betont die Breite des ideologischen Spektrums, das Sympathien für den Existentialismus und eine ausgeprägt ästhetisierende Komponente einschließt, und erblickt in dessen Vielfarbigkeit ein „Unruhemoment”, das die völkische Bewegung in das sonst so selbstgewisse Kaiserreich einbringt. Im Ersten Weltkrieg verkam sie jedoch zum Juniorpartner des „alten Nationalismus”, so der „Deutschen Vaterlandspartei”.
Im zweiten Teil behandelt Breuer die Entwicklung der völkischen Bewegung in der Zwischenkriegszeit. Er zeigt, dass sie nach 1918/19 den Tiefpunkt der Kriegszeit überraschend schnell überwand und, namentlich aufgrund der Beteiligung der Studentenschaft, einen spektakulären Aufschwung innerhalb des „Deutsch-Völkischen Schutz- und Trutz-Bundes” nahm, der allerdings schon vor dem Verbot von 1922 abbrach. Dabei blieb freilich der Einfluss des Alldeutschen Verbandes und des von ihm beeinflussten „Germanenordens” und der „Thulegesellschaft” beträchtlich. Indessen zeigt Breuer, dass sich das soziale Einzugsfeld trotz des Anwachsens der Mitgliedschaft auf bis zu 200 000 nicht veränderte, dass trotz aller Werbeanstrengungen der Anteil an Landwirten und Arbeitern insignifikant und damit die Mittelstandsorientierung trotz anderer Ziele der Führung erhalten blieb, was an der sich verschärfenden Spannung zwischen dem pseudosozialistischen Flügel unter Dietrich Eckart und Gottried Feder und den Altnationalisten unter Paul Bang nichts änderte, desgleichen an den Konflikten über die durch Hans von Wolzogen favorisierte „Germanisierung des Christentums”.
Breuers Darstellung dieses wichtigsten völkischen Verbands schließt sich weitgehend an die verdiente Darstellung von Uwe Lohalm an; mit der daran anschließenden Analyse des „Deutschbunds”, der völkischen Regionalparteien und verwandter Vereinigungen wie Otto Dickels „Deutscher Werkgemeinschaft” und Julius Streichers „Deutschsozialistischer Partei” betritt der Verfasser überwiegend wissenschaftliches Neuland. Der „Deutschbund” als lockere Gemeinschaft deutschvölkischer Bünde nahm Alfred Rosenbergs „Kampfbund für deutsche Kultur” vorweg, entwickelte Initiativen im Bereich der Rassenpolitik, knüpfte Verbindungen zur Lebensreformbewegung und setzt sich für die „Rückkehr aufs Land” und ländliche Siedlung ein. Die enge Verflechtung des vom Deutschbund geschaffenen Netzwerks im mittelständischen und agrarischen Lager, mit bündischer Bewegung oder Erwachsenenbildung lässt ihn ex post als bedeutende Vorfeldorganisation der NSDAP erscheinen.
Ähnliches ergibt Breuers Analyse für die völkischen Regionalparteien, so Alfred Brunners Deutschsozialistische Partei und die Vereinigten Vaterländischen Verbände, „Zwischenwirte” für spätere rechtsextreme Organisationen. Er betont, dass es der völkischen Opposition in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) nicht gelang, sich darin zu behaupten, sodass die Abspaltung der Deutschvölkischen Freiheitspartei 1922 unvermeidlich erscheint. Sie führte zwar nicht zur völligen Ausschaltung der radikalen Antisemiten in der DNVP, aber die antisemitische Agitation trat zunehmend zugunsten der agrarischen Massenmobilisierung zurück, ohne dass die Deutschvölkischen, in der Tradition der wilhelminischen Honoratiorenparteien befangen, die Chance wahrnahmen, trotz spektakulärer Erfolge in den Reichstagswahlen von 1924 sich gegenüber der Mutterpartei durchzusetzen. Nach dem Fiasko Ludendorffs im Präsidentschaftswahlkampf von 1925 verlor die Freiheitspartei vollends ihren Wählerrückhalt und vermochte die Austrittswelle zugunsten der NSDAP nicht mehr zu stoppen, die sich als siegreicher Erbe des völkischen Organisationstypus erwies. Auch die völkischen Gruppen der bündischen Jugend, vor allem der „Hochschulring deutscher Art”, gingen schließlich in den NS-Organisationen auf.
Abschließend behandelt Breuer die Rolle der Völkischen in der NSDAP. Wie die deutschvölkische Bewegung war die NSDAP im gleichen „Rechtsextremismus” der Mitte verwurzelt, und in programmatischer Hinsicht gab es, so Breuer, „zahllose Übereinstimmungen”. Organisationsgeschichtlich ging die DAP auf die völkische „Thulegesellschaft”, den „Germanenorden” und die Geheimorganisation des „Reichshammerbundes” zurück, und ihr Führungspersonal entstammte durchweg den völkischen Verbänden. Von ihnen unterschied sich die völkische Führungsgruppe in der NSDAP durch ihren radikalen Antibolschewismus und ihre anti-jüdisch akzentuierte Kapitalismuskritik, wobei die politischen Defizite ihres überwiegend rhetorischen Sozialismus, der mit einem vehementen Antiklerikalismus sowie rassenhygienischen und ostraumpolitischen Ideen zusammenging, klar zutage liegen.
Dass sich trotz der mit Händen zu greifenden Kontinuität zwischen völkischer Bewegung und NSDAP deren Exponenten in der NS-Bewegung nicht durchsetzten, ging, wie Breuer eindringlich darlegt, auf die von Hitler der Partei aufgezwungene Führerherrschaft zurück, welche die Gründerväter zu Randfiguren machte, sie ausschloss oder durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse die kollektive Mitgliedschaft völkischer Zirkel verhinderte. Es war die Unterbindung programmatischer Flügelkämpfe, die es der NSDAP – im Unterschied zum völkischen Nationalismus – ermöglichte, seit dem Frühjahr 1929 den Durchbruch zur Unterstützung durch die ländliche Bevölkerung und schließlich auch beträchtliche Teile der Arbeiterschaft zu erreichen.
Die wenigen in der NS-Bewegung verbleibenden völkischen Führungsfiguren wurden nach und nach ausgeschaltet, desgleichen die NS-Hago und die Anhänger der völkischen Ganzheitslehre. Auch die aus völkischer Wurzel stammende „Glaubensbewegung Deutsche Christen” ließ Hitler sang- und klanglos fallen, ebenso wie er die völkischen Ideologen stilllegte und die Vorkämpfer des Nordismus und der „nordischen Kunst” belächelte. Taktisch bedingt war die Tolerierung der „Deutschen Glaubensbewegung” Mathilde Ludendorffs.
Der Verfasser verzichtet auf ein zusammenfassendes Fazit. Aber seine Ergebnisse sind klar: sie korrigieren die herrschende Meinung in vielen Punkten. Das gilt auch für die relativierende Einschätzung des Antisemitismus in der Weimarer Republik, die sich von der Studie von Dirk Walter klar abhebt. Wichtig ist sein Nachweis, dass der Rassenantisemitismus im ideologischen Potpourri des ursprünglichen völkischen Nationalismus eher eine Nebenrolle gespielt hat. Stefan Breuers Analyse macht es begreiflich, warum es im Zusammenhang mit der sich seit 1934 vollziehenden systematischen Zurückdrängung der völkischen Ideenwelt zur Fokussierung der NS-Ideologie auf die „Judenfrage” und den Ostraumgedanken kam, worin sich auch die intellektuelle Verarmung des NS-Regimes spiegelt.HANS MOMMSEN
STEFAN BREUER: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008. 294 Seiten, 49,90 Euro.
Die „Völkischen” rekrutierten sich aus Industrialisierungs-Verlierern
Vom „Reichshammerbund” bis zur „Thulegesellschaft”
Wer Hitlers Bewegung verstehen will, sollte dieses Buch lesen
Die völkische Bewegung betrieb in Kaiserreich und Weimarer Republik eine Kulturrevolution von rechts. Ihre verschiedenen Strömungen mündeten in der NSDAP. Die Germania malte Friedrich August von Kaulbach 1914. Foto: Ullstein
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "Standardwerk ersten Ranges" würdigt Hans Mommsen diese Geschichte der völkischen Bewegung im deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik, die Stefan Breuer vorgelegt hat. Er bescheinigt dem Autor, völkisches Denken und völkische Bestrebungen seit dem Kaiserreich glänzend zu analysieren und damit auch die ideologische Heimat von Hitlers weltanschaulichen Ansichten zu erhellen. Die ebenso "faszinierende" wie "anspruchsvolle" Darstellung erschließt seines Erachtens detailliert das breite Spektrum zahlloser völkischer Bewegungen, Organisationen, Parteien und Vereine. Er unterstreicht Breuers Abgrenzung des Begriffs des Völkischen vom "alten" Nationalismus und Rassismus und hebt Bestimmungskriterien wie eine zwiespältige Haltung gegenüber der Moderne, Mittelstandsideologie sowie Hypostasierung des Volksgedankens hervor. Die Ergebnisse des Werks laufen für ihn in vielen Punkten auf eine Korrektur der "herrschenden Meinung" hinaus.

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