Die Banater Schwaben lebten seit dem 18. Jahrhundert in Südosteuropa. Die Identität als Deutsche wirkte ebenso nach wie Erfahrungen, die sie in mehr als 150 Jahren als Minderheit in der Fremde machten. Als 1941 deutsche Einheiten Jugoslawien besetzten, wurden sie von den Banater Schwaben euphorisch begrüßt. Als volksdeutsche SS- Division "Prinz Eugen" beteiligten sie sich dann an der grausamen Bekämpfung der jugoslawischen Partisanen. Ein eindringliches Beispiel dafür, wie ethnische Konflikte über Jahrhunderte wirken und von Neuem auf grausamste Weise aufbrechen können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2003Mißbrauchte Kämpfer
Die Banater Schwaben im nationalsozialistischen Fahrwasser
Thomas Casagrande: Die volksdeutsche SS-Division "Prinz Eugen". Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003. 368 Seiten, 39,90 [Euro].
Gewalt gegen das, was man als fremd und daher bedrohlich empfindet, ist so alt wie die Menschheit. Schon der Beginn der ältesten Dichtung, der Gilgamesch-Epen, handelt davon. Die Geschichte der gewaltsamen Konflikte zwischen Gruppen, seien sie nun ethnisch oder sozial bestimmt, beschäftigt die Historiker seit jeher. Dabei stand lange die Darstellung der Ereignisse im Vordergrund, während die tieferen Ursachen meist nur angeschnitten wurden. Erst in jüngerer Zeit gibt es Bemühungen um eine interdisziplinäre Konfliktforschung, die geschichtswissenschaftliche Fragestellungen mit soziologischen, psychologischen und anthropologischen Ansätzen verknüpft. So hat sich die moderne Militärgeschichte zunehmend auf eine Sozial- und Kulturgeschichte des Krieges konzentriert.
Die neue "kulturalistische" Richtung, die auch sonst die Geschichtswissenschaft zu dominieren beginnt, hat ihre Verdienste, aber auch Gefährdungen. Sosehr sie den Horizont der traditionellen Historiographie erweitern kann, so sehr droht sie in neue Sackgassen zu führen. Oft kreißt der Berg komplexer Theorien und gebiert ein empirisches Mäuschen, oft wird Altbekanntes, ja Banales in den Frack weitschweifiger Denkmodelle gesteckt. Die Studie von Thomas Casagrande tritt mit hohem Anspruch an. Sie will - anders als der Titel nahelegt - keineswegs nur die Geschichte einer Division der Waffen-SS erzählen, sondern an einem historischen Beispiel grundsätzlich die Instrumentalisierung ethnischer Konflikte analysieren. Dabei sollen Theorie und Empirie modellhaft verbunden werden. Ein höchst ambitioniertes Unternehmen - doch ist es gelungen?
Der Autor geht von einer Beobachtung aus, die jeder Zeitungsleser in den letzten Jahren an vielen grausamen Beispielen machen konnte: Das ethnische Element behauptet sich nach wie vor als zugleich ordnende und zerstörerische Kraft. Daran anschließend werden die Theorien über ethnische Konflikte ausführlich zusammengefaßt. Die frühkindlichen Ängste vor dem Fremden und die Herausbildung einer ethnischen Identität während der Adoleszenz erschweren den Austausch zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Unter bestimmten Bedingungen kann das Ethnische für rassistische und nationalistische Ziele mißbraucht werden. Es entsteht ein Teufelskreis von ethnischen Differenzen und Kriegen, in denen das Fremde von einer eingebildeten zur wirklichen Bedrohung wird. Die Mythen und Traumata dieser Konflikte prägen das kollektive Gedächtnis und legen den Grundstein für ein plötzliches Wiederaufbrechen der Gegensätze.
Dieses theoretische Modell wird an der Geschichte der Banater Schwaben eingehend erläutert - wobei der ständige Gebrauch des Wortes "Ethnie" in all seinen Abwandlungen von ermüdender Virtuosität ist. Die deutschsprachigen Siedler, die im 18. Jahrhundert nach Südosteuropa kamen, entwickelten sich zu neuen Volksgruppen mit bestimmten Sitten, also ethnischen Merkmalen jenseits des Nationalen. Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts führte dann zu einer stärkeren Orientierung an den nationalen Merkmalen von Sprache und Herkunft. Doch erst die vom jugoslawischen Staat verfolgte Zwangsassimilation nach dem Ersten Weltkrieg wurde als wirkliche Bedrohung der ethnischen Identität und des - als überlegen empfundenen - kulturellen Kapitals aufgefaßt. Die donauschwäbische Elite reagierte mit einem bewußten "Ethnomanagement", das schließlich darauf zielte, die ethnischen Gruppen der Donauschwaben nach den Kriterien Sprache, Herkunft und Rasse zu einem Teil des "deutschen Volkes" zu organisieren.
Damit gerieten besonders die Banater Schwaben ins Fahrwasser des Nationalsozialismus. Als die Wehrmacht Jugoslawien besetzte, sahen sie sich erstmals in einer privilegierten Stellung, die es zu bewahren galt. Die SS nutzte diese Situation und bildete aus den "Volksdeutschen" eine Division, die "Prinz Eugen", die in der Heimat der Donauschwaben gegen slawische Partisanen eingesetzt wurde, also quasi "Haus und Hof" sowie den vorübergehenden Aufstieg zu verteidigen schien. Die Rechnung ging auf. Die donauschwäbischen Kämpfer gingen mit großer Brutalität vor. Die ethnischen Gegensätze konnten von der SS für den nationalen Krieg instrumentalisiert werden - und schlugen nach dem Krieg schrecklich auf die deutschsprachigen Volksgruppen zurück.
Das alles wird in schlüssiger Abfolge von Theorie und Fallbeispiel geschildert. Und doch hinterläßt diese Studie den Eindruck des Vorläufigen. Der hochinteressanten Geschichte einer "volksdeutschen" SS-Division im Partisanenkrieg wird lediglich ein Drittel gewidmet. Dieser Teil bringt zudem wenig Neues. Den Rest füllt viel Theorie und die historische Entwicklung einer ethnischen Gruppe. Eine empirische Tiefenbohrung unterbleibt. Muß in einer gewissermaßen "renovierten" Geschichtswissenschaft ein zu großes theoretisches Gerüst den Blick auf das Haus selbst verstellen? Diese grundsätzliche Frage wirft nicht erst dieses Buch auf.
JOHANNES HÜRTER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Banater Schwaben im nationalsozialistischen Fahrwasser
Thomas Casagrande: Die volksdeutsche SS-Division "Prinz Eugen". Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003. 368 Seiten, 39,90 [Euro].
Gewalt gegen das, was man als fremd und daher bedrohlich empfindet, ist so alt wie die Menschheit. Schon der Beginn der ältesten Dichtung, der Gilgamesch-Epen, handelt davon. Die Geschichte der gewaltsamen Konflikte zwischen Gruppen, seien sie nun ethnisch oder sozial bestimmt, beschäftigt die Historiker seit jeher. Dabei stand lange die Darstellung der Ereignisse im Vordergrund, während die tieferen Ursachen meist nur angeschnitten wurden. Erst in jüngerer Zeit gibt es Bemühungen um eine interdisziplinäre Konfliktforschung, die geschichtswissenschaftliche Fragestellungen mit soziologischen, psychologischen und anthropologischen Ansätzen verknüpft. So hat sich die moderne Militärgeschichte zunehmend auf eine Sozial- und Kulturgeschichte des Krieges konzentriert.
Die neue "kulturalistische" Richtung, die auch sonst die Geschichtswissenschaft zu dominieren beginnt, hat ihre Verdienste, aber auch Gefährdungen. Sosehr sie den Horizont der traditionellen Historiographie erweitern kann, so sehr droht sie in neue Sackgassen zu führen. Oft kreißt der Berg komplexer Theorien und gebiert ein empirisches Mäuschen, oft wird Altbekanntes, ja Banales in den Frack weitschweifiger Denkmodelle gesteckt. Die Studie von Thomas Casagrande tritt mit hohem Anspruch an. Sie will - anders als der Titel nahelegt - keineswegs nur die Geschichte einer Division der Waffen-SS erzählen, sondern an einem historischen Beispiel grundsätzlich die Instrumentalisierung ethnischer Konflikte analysieren. Dabei sollen Theorie und Empirie modellhaft verbunden werden. Ein höchst ambitioniertes Unternehmen - doch ist es gelungen?
Der Autor geht von einer Beobachtung aus, die jeder Zeitungsleser in den letzten Jahren an vielen grausamen Beispielen machen konnte: Das ethnische Element behauptet sich nach wie vor als zugleich ordnende und zerstörerische Kraft. Daran anschließend werden die Theorien über ethnische Konflikte ausführlich zusammengefaßt. Die frühkindlichen Ängste vor dem Fremden und die Herausbildung einer ethnischen Identität während der Adoleszenz erschweren den Austausch zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Unter bestimmten Bedingungen kann das Ethnische für rassistische und nationalistische Ziele mißbraucht werden. Es entsteht ein Teufelskreis von ethnischen Differenzen und Kriegen, in denen das Fremde von einer eingebildeten zur wirklichen Bedrohung wird. Die Mythen und Traumata dieser Konflikte prägen das kollektive Gedächtnis und legen den Grundstein für ein plötzliches Wiederaufbrechen der Gegensätze.
Dieses theoretische Modell wird an der Geschichte der Banater Schwaben eingehend erläutert - wobei der ständige Gebrauch des Wortes "Ethnie" in all seinen Abwandlungen von ermüdender Virtuosität ist. Die deutschsprachigen Siedler, die im 18. Jahrhundert nach Südosteuropa kamen, entwickelten sich zu neuen Volksgruppen mit bestimmten Sitten, also ethnischen Merkmalen jenseits des Nationalen. Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts führte dann zu einer stärkeren Orientierung an den nationalen Merkmalen von Sprache und Herkunft. Doch erst die vom jugoslawischen Staat verfolgte Zwangsassimilation nach dem Ersten Weltkrieg wurde als wirkliche Bedrohung der ethnischen Identität und des - als überlegen empfundenen - kulturellen Kapitals aufgefaßt. Die donauschwäbische Elite reagierte mit einem bewußten "Ethnomanagement", das schließlich darauf zielte, die ethnischen Gruppen der Donauschwaben nach den Kriterien Sprache, Herkunft und Rasse zu einem Teil des "deutschen Volkes" zu organisieren.
Damit gerieten besonders die Banater Schwaben ins Fahrwasser des Nationalsozialismus. Als die Wehrmacht Jugoslawien besetzte, sahen sie sich erstmals in einer privilegierten Stellung, die es zu bewahren galt. Die SS nutzte diese Situation und bildete aus den "Volksdeutschen" eine Division, die "Prinz Eugen", die in der Heimat der Donauschwaben gegen slawische Partisanen eingesetzt wurde, also quasi "Haus und Hof" sowie den vorübergehenden Aufstieg zu verteidigen schien. Die Rechnung ging auf. Die donauschwäbischen Kämpfer gingen mit großer Brutalität vor. Die ethnischen Gegensätze konnten von der SS für den nationalen Krieg instrumentalisiert werden - und schlugen nach dem Krieg schrecklich auf die deutschsprachigen Volksgruppen zurück.
Das alles wird in schlüssiger Abfolge von Theorie und Fallbeispiel geschildert. Und doch hinterläßt diese Studie den Eindruck des Vorläufigen. Der hochinteressanten Geschichte einer "volksdeutschen" SS-Division im Partisanenkrieg wird lediglich ein Drittel gewidmet. Dieser Teil bringt zudem wenig Neues. Den Rest füllt viel Theorie und die historische Entwicklung einer ethnischen Gruppe. Eine empirische Tiefenbohrung unterbleibt. Muß in einer gewissermaßen "renovierten" Geschichtswissenschaft ein zu großes theoretisches Gerüst den Blick auf das Haus selbst verstellen? Diese grundsätzliche Frage wirft nicht erst dieses Buch auf.
JOHANNES HÜRTER
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Johannes Hürter empfand die Schilderungen dieser "höchst ambitionierten" Studie über die Instrumentalisierung ethnischer Konflikte durch die Nationalsozialisten am Fallbeispiel der Banater Schwaben zwar in schlüssiger Abfolge geschildert. Dennoch hinterließ das Unternehmen bei ihm den Eindruck von Vorläufig- und Theorielastigkeit. Zwar fand er das theoretische Modell des Teufelskreises ethnischer Differenzen und Kriege, in denen "das Fremde von der eingebildeten zur wirklichen Bedrohung" werde, eingehend erläutert. Ebenso wie die Weise, in der die SS diese Situation im Fall der Banater Schwaben auszunutzen verstand. Trotzdem nimmt die "hochinteressante Geschichte einer 'volksdeutschen' SS-Division im Partisanenkrieg" für Hürters Geschmack zu wenig Raum in dieser Untersuchung ein. Insgesamt ordnet Hürter das Buch einer "gewissermaßen renovierten Geschichtswissenschaft" zu, deren zu großes theoretisches Gerüst "den Blick auf das Haus selbst" verstellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Deutsche Mannschaft
"Casagrandes Studie ist die erste wissenschaftlich fundierte Geschichte der 7. SS-Division 'Prinz Eugen'". (Konkret, 01.07.2003)
Das Nazi-Ethnomanagement
"Eine unprätentiöse, detaillierte Darstellung." (Falter, 06.10.2003)
Mißbrauchte Kämpfer
"Ein höchst ambitioniertes Unternehmen." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2003)
"Casagrandes Studie ist die erste wissenschaftlich fundierte Geschichte der 7. SS-Division 'Prinz Eugen'". (Konkret, 01.07.2003)
Das Nazi-Ethnomanagement
"Eine unprätentiöse, detaillierte Darstellung." (Falter, 06.10.2003)
Mißbrauchte Kämpfer
"Ein höchst ambitioniertes Unternehmen." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2003)