Als Nina die Nachricht erhält, dass Tim, ihr bester Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist, bricht eine Welt für sie zusammen. Vor allem, als sie erfährt, dass er sie noch kurz vor seinem Tod fast manisch versucht hat, zu erreichen. Und sie ist nicht die Einzige, bei der er sich gemeldet hat. Tim hat ihr nicht nur eine geheimnisvolle letzte Nachricht hinterlassen, sondern auch einen Auftrag: Sie soll seine Schwester finden, die in den schier endlosen Wäldern verschwunden ist, die das Dorf, in dem sie alle aufgewachsen sind, umgeben. Doch will Nina das wirklich? In das Dorf und die Wälder zurückkehren, die sie nie wieder betreten wollte ...
Lassen Sie sich von Melanie Raabe ins Dickicht entführen – sie weiß, was sie tut. „Die Wälder“ ist rätselhaft, düster und richtig gut geschrieben.
Die Wälder, Melanie Raabe
Das Dorf, in dem die junge Ärztin Nina ihre Kindheit verbracht hat, ist von finsteren, unendlich scheinenden Wäldern umgeben. Nina wollte sie nie wieder betreten. Als jedoch Tim, ihr bester Freund aus Kindertagen unerwartet stirbt, hinterlässt er Nina eine geheimnisvolle Nachricht – und den Auftrag, seine Schwester zu suchen.Nina will Tims letzten Wunsch erfüllen. Doch dazu muss sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und bis an ihre Grenzen gehen, denn die Spur des verschwundenen Mädchens führt in die Wälder.
Starke Frauenfiguren, packende Geschichten
Melanie Raabe hat ein Faible für die Finsternis: Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn arbeitete sie tagsüber als Journalistin – in der Nacht schrieb sie heimlich ihre ersten Geschichten. Ihre Bücher sind geprägt von der Dunkelheit. Starke Frauenfiguren begegnen düsteren Geheimnissen und ungelösten Rätseln. Auch in „Die Wälder“ führt Melanie Raabe ihre Leser mit ihrem fesselnden Schreibstil und kurzen Sätzen immer tiefer ins dunkle Dickicht.Wer ist Melanie Raabe?
Melanie Raabe ist eine deutsche Schriftstellerin, die 1981 in Jena geboren wurde. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Thüringen und Nordrhein-Westfalen, in Bochum studierte sie Medienwissenschaft und allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft. 2011 erhielt sie den Deutschen Kurzkrimi-Preis für ihre Kurzgeschichte „Die Zahnfee“. Außerdem wurde sie 2015 mit dem 2. Platz des Kulturförderpreis des Oberbergischen Kreises ausgezeichnet. Für ihren ersten, 2015 erschienenen Roman Die Falle erhielt sie 2016 den Stuttgarter Krimipreis in der Sparte „Debüt“. In den darauffolgenden Jahren blieb sie dem Genre treu und schrieb weitere Psycho-Thriller: 2016 erschien Die Wahrheit, 2018 folgte Der Schatten. Ende 2019 veröffentlichte Melanie Raabe mit „Die Wälder“ ihr viertes Werk. Weitere Infos und Bücher von Melanie Raabe finden Sie in ihrem Autorenporträt.Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2020Schatten von gestern
Krimis in Kürze: Leif Karpe, Attica Locke und Melanie Raabe
Ein Kunstfälscherkrimi ist eine gute Idee, wenn man den erhitzten globalen Kunstmarkt betrachtet. Und van Goghs "Sternennacht" ins Zentrum zu stellen ist sinnvoll, weil er zu den meistgefälschten Malern gehört. Leif Karpe, der auch Kameramann und Regisseur ist, gibt seinem Protagonisten schon im Titel eine besondere Begabung mit: "Der Mann, der in die Bilder fiel" (Nagel & Kimche, 272 S., geb., 22,- [Euro]). Peter Falcon hat im New Yorker East Village einen schlechtgehenden Laden für Jazzplatten und Comics, bis ein alter Studienfreund Falcons Fähigkeiten als "Bilderflüsterer" aktiviert. Für ein Auktionshaus mit dem phantasielosen Kofferwortnamen "Chroseby" fliegt Falcon nach Paris, um eine Expertin zu beschwichtigen, die Fälschungen aufzudecken und den Kunstmarkt zu erschüttern droht.
Falcons Reise ist als "Route der Impressionisten" angelegt. Ihm begegnen als Wiedergänger Manet, Monet, Degas und manch anderer Maler. Karpe schreibt bildreich und blumig, da ist auch die Stilblüte nie fern, wenn Hormone "von der Leine gelassen" werden oder eine attraktive Frau "ästhetisch" ist. Er lässt seine Figuren auch ein bisschen wohlfeil über Original, Kopie und Fälschung räsonieren. Nur aus der schönen Ausgangsidee, dass der Held in die Bilder eintritt und selbst das Gefühl hat, dass "die Dinge und Menschen aus den Bildern in seine Welt treten würden", macht er kaum etwas.
Man sollte Attica Locke nicht mehr vorstellen müssen. Aber weil nicht sicher ist, dass "Bluebird, Bluebird" (F.A.Z. vom 4. März 2019) genug gelesen wurde, muss man ihren neuen Roman "Heaven, My Home" (Polar, 328 S., geb., 20,- [Euro]) unbedingt empfehlen. Darren Matthews, der schwarze Texas Ranger aus "Bluebird, Bluebird", kämpft immer noch um seine Ehe, und seine Mutter erpresst ihn mit einer Enthüllung, die ihn den Job kosten würde, als sein Chef ihn an den Caddo Lake schickt, um gegen die Arische Bruderschaft zu ermitteln. Der Auftrag wird zu einer Reise in die amerikanische Geschichte, in die Zeit, als ehemalige Sklaven und Indigene sich an manchen Orten zu eigenen Gemeinden zusammenfanden.
Der Roman spielt 2016, zwischen Trumps Wahl und Inauguration. Daraus entsteht Druck bei den Ermittlern, weil sie ahnen, dass sich etwas ändern könnte im Vorgehen gegen Hassverbrechen und Suprematisten. Wie politischer Hintergrund, Provinzgegenwart und rassistische Vergangenheit einander mehr und mehr überlagern, wird in Lockes Gesellschaftsbild mit erzählerischer Souveränität deutlich. Aus der Verwurzelung der Geschichte und der Figuren in dieser osttexanischen Welt, aus den Schatten, die aus dem Gestern auf sie fallen, gewinnt das Buch seine Wucht und Gegenwärtigkeit.
Matthews verkörpert all die Grautöne und Ambivalenzen: in seiner Überzeugtheit von Recht und Ordnung und in der Skepsis, wem dieses Recht und diese Ordnung genützt haben und nützen werden. Er zieht nicht immer die richtigen Schlüsse daraus, er ist auch weniger Leitbild als Repräsentant. Aber in seinen Widersprüchen, Fehlern, Vorurteilen und humanen Gesten ist er eine literarische Figur von großer Wahrhaftigkeit.
Nach all den Kommissaren, Sheriffs oder Detektiven hat es seinen Reiz, wenn ein Thriller ganz ohne Polizei auskommt. Melanie Raabe hat auch in ihrem vierten Roman "Die Wälder" (btb, 432 S., br., 16,- [Euro]) keinen Ermittlerbedarf. Der Bestsellererfolg ihrer drei bisherigen Bücher gibt ihr recht. So simpel wie die Titel ihrer Romane sind auch die Namen: Nina, die Ärztin, Tim, ihr Jugendfreund, dessen plötzlicher Tod sie trifft, das namenlose Dorf, aus dem sie kommen, der Mann namens Wolff, der auf ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit verweist.
Raabe entwickelt mit wenigen Strichen ein Rätsel und damit Spannung. Und sie nutzt bei den Rückblicken in die Kindheit einen Trick zur Verschleierung, den man viel zu rasch durchschaut. Handwerklich ist das alles solide und unprätentiös, am Ende ist vielleicht der Deus-ex-machina-Effekt zu krude. Was man jedoch am meisten vermisst in diesem Trauma-Szenario, das sind Figuren, die mehr wären als "Schemen oder doch mindestens Halbschemen" (Fontane).
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Leif Karpe, Attica Locke und Melanie Raabe
Ein Kunstfälscherkrimi ist eine gute Idee, wenn man den erhitzten globalen Kunstmarkt betrachtet. Und van Goghs "Sternennacht" ins Zentrum zu stellen ist sinnvoll, weil er zu den meistgefälschten Malern gehört. Leif Karpe, der auch Kameramann und Regisseur ist, gibt seinem Protagonisten schon im Titel eine besondere Begabung mit: "Der Mann, der in die Bilder fiel" (Nagel & Kimche, 272 S., geb., 22,- [Euro]). Peter Falcon hat im New Yorker East Village einen schlechtgehenden Laden für Jazzplatten und Comics, bis ein alter Studienfreund Falcons Fähigkeiten als "Bilderflüsterer" aktiviert. Für ein Auktionshaus mit dem phantasielosen Kofferwortnamen "Chroseby" fliegt Falcon nach Paris, um eine Expertin zu beschwichtigen, die Fälschungen aufzudecken und den Kunstmarkt zu erschüttern droht.
Falcons Reise ist als "Route der Impressionisten" angelegt. Ihm begegnen als Wiedergänger Manet, Monet, Degas und manch anderer Maler. Karpe schreibt bildreich und blumig, da ist auch die Stilblüte nie fern, wenn Hormone "von der Leine gelassen" werden oder eine attraktive Frau "ästhetisch" ist. Er lässt seine Figuren auch ein bisschen wohlfeil über Original, Kopie und Fälschung räsonieren. Nur aus der schönen Ausgangsidee, dass der Held in die Bilder eintritt und selbst das Gefühl hat, dass "die Dinge und Menschen aus den Bildern in seine Welt treten würden", macht er kaum etwas.
Man sollte Attica Locke nicht mehr vorstellen müssen. Aber weil nicht sicher ist, dass "Bluebird, Bluebird" (F.A.Z. vom 4. März 2019) genug gelesen wurde, muss man ihren neuen Roman "Heaven, My Home" (Polar, 328 S., geb., 20,- [Euro]) unbedingt empfehlen. Darren Matthews, der schwarze Texas Ranger aus "Bluebird, Bluebird", kämpft immer noch um seine Ehe, und seine Mutter erpresst ihn mit einer Enthüllung, die ihn den Job kosten würde, als sein Chef ihn an den Caddo Lake schickt, um gegen die Arische Bruderschaft zu ermitteln. Der Auftrag wird zu einer Reise in die amerikanische Geschichte, in die Zeit, als ehemalige Sklaven und Indigene sich an manchen Orten zu eigenen Gemeinden zusammenfanden.
Der Roman spielt 2016, zwischen Trumps Wahl und Inauguration. Daraus entsteht Druck bei den Ermittlern, weil sie ahnen, dass sich etwas ändern könnte im Vorgehen gegen Hassverbrechen und Suprematisten. Wie politischer Hintergrund, Provinzgegenwart und rassistische Vergangenheit einander mehr und mehr überlagern, wird in Lockes Gesellschaftsbild mit erzählerischer Souveränität deutlich. Aus der Verwurzelung der Geschichte und der Figuren in dieser osttexanischen Welt, aus den Schatten, die aus dem Gestern auf sie fallen, gewinnt das Buch seine Wucht und Gegenwärtigkeit.
Matthews verkörpert all die Grautöne und Ambivalenzen: in seiner Überzeugtheit von Recht und Ordnung und in der Skepsis, wem dieses Recht und diese Ordnung genützt haben und nützen werden. Er zieht nicht immer die richtigen Schlüsse daraus, er ist auch weniger Leitbild als Repräsentant. Aber in seinen Widersprüchen, Fehlern, Vorurteilen und humanen Gesten ist er eine literarische Figur von großer Wahrhaftigkeit.
Nach all den Kommissaren, Sheriffs oder Detektiven hat es seinen Reiz, wenn ein Thriller ganz ohne Polizei auskommt. Melanie Raabe hat auch in ihrem vierten Roman "Die Wälder" (btb, 432 S., br., 16,- [Euro]) keinen Ermittlerbedarf. Der Bestsellererfolg ihrer drei bisherigen Bücher gibt ihr recht. So simpel wie die Titel ihrer Romane sind auch die Namen: Nina, die Ärztin, Tim, ihr Jugendfreund, dessen plötzlicher Tod sie trifft, das namenlose Dorf, aus dem sie kommen, der Mann namens Wolff, der auf ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit verweist.
Raabe entwickelt mit wenigen Strichen ein Rätsel und damit Spannung. Und sie nutzt bei den Rückblicken in die Kindheit einen Trick zur Verschleierung, den man viel zu rasch durchschaut. Handwerklich ist das alles solide und unprätentiös, am Ende ist vielleicht der Deus-ex-machina-Effekt zu krude. Was man jedoch am meisten vermisst in diesem Trauma-Szenario, das sind Figuren, die mehr wären als "Schemen oder doch mindestens Halbschemen" (Fontane).
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Was wie ein düsteres Märchen beginnt, wird schnell zu einem temporeichen Thriller. Intensiv!« Emotion