Mineko Iwasaki ist erst drei Jahre alt, als sie von Oima, der Eigentümerin eines der berühmtesten Geishahäuser der alten Kaiserstadt Kioto, zur Nachfolgerin bestimmt wird. Zunächst wehren sich ihre Eltern gegen das Ansinnen der mächtigsten Geisha der Stadt. Doch bereits zwei Jahre später geben sie ihren Widerstand auf, wohl wissend, dass sie ihrer Tochter niemals eine so hoffnungsvolle Zukunft bieten können, wie Mineko sie als Geisha haben wird. Mit fünf Jahren nimmt das Mädchen für immer von seiner Familie Abschied, im in der dreihundert Jahre alten Tradition der Geishakunst unterwiesen zu werden. Es ist eine harte, qualvolle Ausbildung. Ihre Lehrerin ist streng, Demütigungen und Züchtigungen sind an der Tagesordnung, und als sie mit zehn Jahren nur knapp einen Selbstmordversuch überlebt, braucht Mineko lange, um wieder an sich zu glauben. Aber sie ist zäh und eisern entschlossen, die berühmteste Geisha ihres Landes zu werden ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2002Blumengeld
Not amused: Mineko Iwasakis wahre Geisha-Biographie
Mineko Iwasaki, die Top-Geisha und Gesellschafterin der Politiker und Philosophen, Industriebarone und Könige, deren Lebensgeschichte Arthur Golden zum Asien-Epos "Die Geisha" inspirierte, hat nun als vielleicht berufenere Berichterstatterin und in Abgrenzung zum Klischee der Prostituierten "Die wahre Geschichte der Geisha" geschrieben.
Die Tochter aus einer verarmten Samurai-Familie wurde 1954 im Alter von fünf Jahren von der Eigentümerin des renommierten Etablissements "Iwasaki" im Kiotoer Gion-Viertel als Nachfolgerin angeworben. Das Buch gibt Einblicke in die Beziehungen und Wahlverwandtschaften zwischen Auszubildenden und "älteren Schwestern", Schülerinnen und Lehrerinnen in der "rituellen Familie" und geschlossenen Welt des Geisha-Hauses jenseits des Kamo-Flusses. Es schildert die rigide Schule der Höflichkeit von der "Maiko" ("Frau des Tanzes"), der angehenden Geisha, die mit sechzehn Jahren ihre offizielle "Geschäftseröffnung" begeht, über Rituale des Erwachsenwerdens wie der "Kragenwechsel" bis hin zum "Mizuage", bei dem ein Haarknoten symbolisch aufgeschnitten wird, um den Übergang zur Geisha zu kennzeichnen, der "Frau der Kunst".
In historischen Exkursen beleuchtet Iwasaki die Rolle der Geisha von der Trägerin einer Gegenkultur und Avantgardistin bis hin zur Traditionsbewahrerin. Gegen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, als das feudale System zusammenbrach, waren die Kiotoer Teehäuser, in denen die Geishas Tanz, Gesang und Shamisen praktizierten, Rückzugsorte der Revolutionäre. In Japans goldenen zwanziger Jahren bekamen die Geishas, die sich als Dansu Geishas sogar westlichen Gesellschaftstänzen öffneten, von den zeitgemäßeren Cafémädchen Konkurrenz, bevor der Nationalismus traditionalistische Werte wiederaufleben ließ. Erst 1943 gingen in Gion die Lichter aus, und die Geishas wurden zur Arbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Nach dem Krieg ordneten die amerikanischen Besatzer an, das Gion-Viertel wiederzueröffnen.
Iwasaki wirkte nun zu Zeiten der japanischen "Hochwachstumsphase" in den sechziger und siebziger Jahren. Die Elite-Geisha, die jährlich fünfhunderttausend Dollar an "Blumengeld", wie die Geisha-Gebühren heißen, verdiente, konnte es sich erlauben, pro Abend bis zu zehn Kurzauftritte in verschiedenen Teehäusern zu absolvieren. Iwasaki betont die komplementäre Rolle von Geisha und Ehefrau und sieht die geteilten Zuständigkeitsbereiche im häuslichen und geschäftlich-sozialen Bereich als Ausdruck einer gespaltenen Weiblichkeit.
In der Regel protegieren und frequentieren Firmen oder politische Parteien bestimmte Geisha-Viertel zu diskreter Unterhaltung und Verhandlung. In den Geisha-Memoiren erfahren wir ferner, daß Queen Elizabeth bei einem Dinner "not amused" war, als die Autorin sich gezielt mit dem Herzog von Edinburgh unterhielt, und über Prinz Charles, daß er ungefragt ihren Lieblingsfächer signierte und somit ruinierte, was sie ihn auch erkennen ließ.
Ob die Geisha-Etikette in Zeiten virtueller Popstars, mangelnder Muße und finanzieller Mittel bestehen kann, bleibt ungewiß. Iwasaki, die nach ihrem vielpublizierten Ausstieg mit neunundzwanzig Jahren kurzzeitig selbst einen Nachtclub unterhielt und Pläne für ein Schönheitsinstitut schmiedete, fordert strukturelle Reformen und finanzielle und künstlerische Unabhängigkeit der im Geisha-Gewerbe tätigen Frauen.
STEFFEN GNAM
Mineko Iwasaki mit Rande Brown: "Die wahre Geschichte der Geisha". Aus dem Amerikanischen von Elke von Scheidt. Marion von Schröder Verlag, München 2002. 325 S., 29 Farb- u. S/W-Abb. auf Tafeln, geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Not amused: Mineko Iwasakis wahre Geisha-Biographie
Mineko Iwasaki, die Top-Geisha und Gesellschafterin der Politiker und Philosophen, Industriebarone und Könige, deren Lebensgeschichte Arthur Golden zum Asien-Epos "Die Geisha" inspirierte, hat nun als vielleicht berufenere Berichterstatterin und in Abgrenzung zum Klischee der Prostituierten "Die wahre Geschichte der Geisha" geschrieben.
Die Tochter aus einer verarmten Samurai-Familie wurde 1954 im Alter von fünf Jahren von der Eigentümerin des renommierten Etablissements "Iwasaki" im Kiotoer Gion-Viertel als Nachfolgerin angeworben. Das Buch gibt Einblicke in die Beziehungen und Wahlverwandtschaften zwischen Auszubildenden und "älteren Schwestern", Schülerinnen und Lehrerinnen in der "rituellen Familie" und geschlossenen Welt des Geisha-Hauses jenseits des Kamo-Flusses. Es schildert die rigide Schule der Höflichkeit von der "Maiko" ("Frau des Tanzes"), der angehenden Geisha, die mit sechzehn Jahren ihre offizielle "Geschäftseröffnung" begeht, über Rituale des Erwachsenwerdens wie der "Kragenwechsel" bis hin zum "Mizuage", bei dem ein Haarknoten symbolisch aufgeschnitten wird, um den Übergang zur Geisha zu kennzeichnen, der "Frau der Kunst".
In historischen Exkursen beleuchtet Iwasaki die Rolle der Geisha von der Trägerin einer Gegenkultur und Avantgardistin bis hin zur Traditionsbewahrerin. Gegen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, als das feudale System zusammenbrach, waren die Kiotoer Teehäuser, in denen die Geishas Tanz, Gesang und Shamisen praktizierten, Rückzugsorte der Revolutionäre. In Japans goldenen zwanziger Jahren bekamen die Geishas, die sich als Dansu Geishas sogar westlichen Gesellschaftstänzen öffneten, von den zeitgemäßeren Cafémädchen Konkurrenz, bevor der Nationalismus traditionalistische Werte wiederaufleben ließ. Erst 1943 gingen in Gion die Lichter aus, und die Geishas wurden zur Arbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Nach dem Krieg ordneten die amerikanischen Besatzer an, das Gion-Viertel wiederzueröffnen.
Iwasaki wirkte nun zu Zeiten der japanischen "Hochwachstumsphase" in den sechziger und siebziger Jahren. Die Elite-Geisha, die jährlich fünfhunderttausend Dollar an "Blumengeld", wie die Geisha-Gebühren heißen, verdiente, konnte es sich erlauben, pro Abend bis zu zehn Kurzauftritte in verschiedenen Teehäusern zu absolvieren. Iwasaki betont die komplementäre Rolle von Geisha und Ehefrau und sieht die geteilten Zuständigkeitsbereiche im häuslichen und geschäftlich-sozialen Bereich als Ausdruck einer gespaltenen Weiblichkeit.
In der Regel protegieren und frequentieren Firmen oder politische Parteien bestimmte Geisha-Viertel zu diskreter Unterhaltung und Verhandlung. In den Geisha-Memoiren erfahren wir ferner, daß Queen Elizabeth bei einem Dinner "not amused" war, als die Autorin sich gezielt mit dem Herzog von Edinburgh unterhielt, und über Prinz Charles, daß er ungefragt ihren Lieblingsfächer signierte und somit ruinierte, was sie ihn auch erkennen ließ.
Ob die Geisha-Etikette in Zeiten virtueller Popstars, mangelnder Muße und finanzieller Mittel bestehen kann, bleibt ungewiß. Iwasaki, die nach ihrem vielpublizierten Ausstieg mit neunundzwanzig Jahren kurzzeitig selbst einen Nachtclub unterhielt und Pläne für ein Schönheitsinstitut schmiedete, fordert strukturelle Reformen und finanzielle und künstlerische Unabhängigkeit der im Geisha-Gewerbe tätigen Frauen.
STEFFEN GNAM
Mineko Iwasaki mit Rande Brown: "Die wahre Geschichte der Geisha". Aus dem Amerikanischen von Elke von Scheidt. Marion von Schröder Verlag, München 2002. 325 S., 29 Farb- u. S/W-Abb. auf Tafeln, geb., 22,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Eigentlich sollten wir nach dem Bestseller von Arthur Golden bereits alles über Mineko Iwasaki, die angeblich berühmteste Geisha Japans wissen, nun erwartet den Leser Neues unter dem verheißungsvollen Titel ?Die wahre Geschichte der Geisha?. Willi Winklers kurzer Kommentar über diese Neuerscheinung lässt leise Zweifel aufkommen, ob der Titel hält, was er verspricht. Eigentlich skizziert Winkler in seiner Besprechung vor allem eine Verkaufsveranstaltung, an der Iwasaki und ihr Ehemann persönlich nebst der eigentlichen Verfasserin des Buches, der amerikanischen Japanologin Rande Brown, anwesend sind. An diesem Abend geht es sehr japanisch, umschreibt Winkler die Atmosphäre, und stößt damit aber auch zum Kern des Buches vor. Mineko Iwasaki verkaufe ?allerbeste Traditionsware: dezenten Tanz, Konversation, Stil?. Das, kann man Winklers Beschreibung entnehmen, scheint zumindest bei der Verkaufsveranstaltung gut anzukommen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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