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Die Figur der Päpstin Johanna - der Frau, die sich im frühen Mittelalter als Mann verkleidete, Kirchenoberhaupt wurde und irgendwann auf offener Straße niederkam - gab lange Zeit zu immer neuen Mythen, Legenden und wilden Spekulationen Anlaß. Erst allmählich beginnt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrer Person. Die katholische Kirche, die alle Spuren aus ihren Annalen getilgt hat, will noch immer nichts von einem weiblichen Papst wissen. Aber gerade jetzt, da die Priesterschaft für Frauen heiß diskutiert wird, ist es höchste Zeit, die wahre Geschichte hinter dem Mythos aufzudecken.

Produktbeschreibung
Die Figur der Päpstin Johanna - der Frau, die sich im frühen Mittelalter als Mann verkleidete, Kirchenoberhaupt wurde und irgendwann auf offener Straße niederkam - gab lange Zeit zu immer neuen Mythen, Legenden und wilden Spekulationen Anlaß. Erst allmählich beginnt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrer Person. Die katholische Kirche, die alle Spuren aus ihren Annalen getilgt hat, will noch immer nichts von einem weiblichen Papst wissen. Aber gerade jetzt, da die Priesterschaft für Frauen heiß diskutiert wird, ist es höchste Zeit, die wahre Geschichte hinter dem Mythos aufzudecken.
Autorenporträt
Peter Stanford, geboren 1961, lebt als Fernseh-, Rundfunk- und Zeitungsjournalist in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.1999

Visionen von Johanna
Peter Stanford sucht eine Päpstin und findet Berichte von dem Sessel, auf dem sie geprüft wurde

Einer der Hauptanklagepunkte gegen Johanna von Orléans war, daß sie als Frau Männerkleidung angelegt und damit die Weltordnung in Frage gestellt hatte. Auch das konnte schon als Hexerei betrachtet werden. Darum war es so wichtig festzustellen, ob sie noch Jungfrau war: Als "virgo intacta" galt sie nicht als Frau, und eine Störung der Ordnung Gottes konnte ihr nicht zur Last gelegt werden. Dann gab es noch die andere Johanna, die sogar Papst wurde, von der man aber nichts wissen durfte, die deshalb entweder geleugnet, totgeschwiegen, oder andererseits von ihren Apologeten als Vorkämpferin der Frauenemanzipation, zumindest aber der Frauenordination in der katholischen Kirche gefeiert wurde.

Die Fakten sind spärlich genug. Die erste Erwähnung eines weiblichen Papstes stammt von Jean de Mailly, einem Dominikanermönch, in einer Weltchronik, die er um 1225 verfaßt hat. Die bekanntere Geschichte wurde rund vierzig Jahre später von einem weiteren Dominikaner, Martinus Polonus, später Erzbischof von Gnesen, verfaßt, der die Päpstin um das Jahr 855 ansiedelte und ihr immerhin eine Amtsdauer von zwei Jahren, fünf Monaten und vier Tagen zubilligte. Im offiziellen Papstkalender ist zwischen Leo IV. (847 bis 855) und Benedikt III. (855 bis 858) nur der Prätendent Anastasius, der damalige Leiter der päpstlichen Kanzlei (falls man davon im neunten Jahrhundert schon sprechen kann), aufgeführt. Für eine Johanna (oder Johannes VII.) ist kein Platz.

Peter Stanford, Verfasser einer Biographie des Teufels (1996), glaubt trotzdem an ihre Existenz. Es wundert ihn auch gar nicht, daß in der katholischen Hierarchie kein Raum für weibliche Priester bleibt. "Bei der Päpstin Johanna handelt es sich nicht um eine Schwarzweißfrage - wahr oder falsch, Wirklichkeit oder Mythos? Sie stand im Zentrum eines Mythos im hergebrachten Sinne - eine historische Gestalt, die in unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Zwecken diente." Stanford begibt sich auf die Suche nach einer Person, die vielfach benutzt (unter anderem als Romanvorlage und Titelheldin diverser Theaterproduktionen seit dem achtzehnten Jahrhundert) und gedeutet wurde, über die aber so gut wie nichts bekannt ist. Andererseits gilt das für andere Päpste auch, nur daß es sich bei denen nicht um Frauen handelt. Für ein historisches Sachbuch ist "Die wahre Geschichte der Päpstin Johanna" recht journalistisch gehalten, für ein Buch eines Journalisten - Stanford war Redakteur des "Catholic Herald" und produziert Dokumentationen für das englische Fernsehen - aber erstaunlich methodisch-historisch recherchiert. Während seiner Nachforschungen, die den Autor von Rom über Siena bis Fulda, London und Brünn führen, stößt er auf eine Reihe von Hinweisen, die nichts mit dem eigentlichen weiblichen Bischof von Rom zu tun haben, aber dafür sehr viel mit dessen aufregendem Nachleben. Von katholischer Seite wurde oft der Vorwurf geäußert, die Geschichte der Päpstin Johanna wäre von Protestanten erfunden worden, um das Ansehen des Papsttums zu untergraben, Anhänger der Reformatoren wären in Archive eingedrungen und hätten alte Chroniken gefälscht. Stanford nennt deshalb die Bibliotheken einen "Kriegsschauplatz der Reformation". Denn "schon lange vor der Reformation hatte man Johanna als Tatsache akzeptiert". Stanford kommt zu dem - wie er einräumt: nicht beweisbaren - Schluß, daß "eine wichtige und böswillige Person" (er denkt dabei vor allem an den bereits erwähnten Papst-Prätendenten Anastasius und dessen Nachfolger in der Kanzlei) die Papstchroniken verfälschte, um Johanna verschwinden zu lassen.

Einige Fehler unterlaufen freilich dem Autor. So hat er die Legende der Maria Kümmernis ungenau darstellt. Die fromme Erzählung berichtet von einer christlich getauften Tochter eines bösen heidnischen Fürsten, der sie einem anderen Heiden zur Frau geben wollte. Auf ihre inbrünstigen Gebete hin wuchs ihr darauf ein Vollbart, der potentielle Ehegatte wandte sich mit Grausen, und der Vater ließ sie ans Kreuz schlagen. Diese Legende geht auf die im Westen nicht mehr verstandene byzantinische Darstellung vom triumphierenden Christus - in einer Art kegelförmigem Krönungsornat, daher die Verwechslung mit einer Frau - am Kreuze zurück. Und die Universitäten waren nicht genuine kirchliche Gründungen, sondern zunächst Zusammenschlüsse der Lehrenden und Lernenden (universitas). Die Vertuschung der Johanna als einen der wenigen Erfolge der Gegenreformation auszugeben - da würden sich die im Namen dieser Bewegung von den Habsburgerherrschern verfolgten Protestanten aus Österreich, Böhmen und Ungarn bedanken. Und außerdem gibt es die katholische Kirche ja noch immer.

Das sind läßliche Sünden. Interessanter sind da schon die Entdeckungen, die Stanford, inspiriert durch die feministischen Ansätze der neueren Geschichtsforschung, dem Leser präsentiert. Immer wieder weist er darauf hin, daß auch in der Kirche die Männerherrschaft nicht von Anfang an ausgemachte Sache war. Der Frauenforschungsansatz wird von Stanford auch dazu benutzt, die weiblichen Beginen neu zu beleuchten: eine von der Amtskirche kurzzeitig geduldete Bewegung, die sich hauptsächlich im dreizehnten Jahrhundert zu gemeinsamer Arbeit, gemeinsamem Gebet und gemeinsamem Lernen organisierte. In diesem Zusammenhang blitzt auch die Frage auf, ob das in einigen Chroniken erwähnte Ende des weiblichen Papstes (durch die Geburt eines Sohnes flog die Verkleidung auf, Johanna wurde an Ort und Stelle gesteinigt und verscharrt, das Kind starb entweder oder endete als Bischof von Ostia) von kirchlicher Seite als Warnung an aufmüpfige Frauen erfunden wurde.

Manchmal begibt sich der Autor auf ganz phantastische Abwege, etwa wenn er den großen Baldachin von Bernini im Petersdom im Licht seiner Johanna-Forschung als Allegorie auf deren Legende oder einen verspäteten Scherz deutet. Die Idee ist nicht ohne Komik: Da steht das selbsternannte Oberhaupt der Christenheit, zelebriert die Messe und wird dabei von seiner größten Rivalin angegrinst? Ziemlich unvorstellbar. Auch hat Stanford im Namen seiner Forschung Diskussionen der Catholic-Women's-Ordination-Bewegung angeheizt. Er fuhr sogar in die Tschechische Republik, um Ludmilla Javorova zu interviewen, die um 1970 von einem Bischof zur Priesterin geweiht wurde, der glaubte, der Vatikan sei vom KGB infiltriert.

Insgesamt erfährt man zwar recht wenig Neues über die Päpstin, aber dafür viel über die Rolle, die die christlichen Kirchen der Frau noch heute gern zuweisen. Und allein um von dem Sessel zu lesen (angeblich in einem verstaubten Kämmerchen in den vatikanischen Museen), auf dem die Männlichkeit des Papstes per Handgriff festgestellt werden mußte, lohnt sich die Lektüre des Buches durchaus.

MARTIN LHOTZKY Peter Stanford: "Die wahre Geschichte der Päpstin Johanna". Aus dem Englischen von Hans Freundl. Verlag Rütten & Loening, Berlin 1999. 272 S., 19 Abb., geb. 34,- DM.

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