In einem Garten lebt Wanze Muldoon. Als Privatdetektiv tätig, hat er im Insektenreich eine Menge Ungereimtheiten aufzuklären. Zunächst muß er einen verschwundenen Ohrenschlitzer aufspüren. Diesen Fall zu lösen, macht ihm wenig Mühe, doch als er den Auftrag erhält, eine Gruppe separatistischer Ameisen, die den gesamten Ameisenstaat in Aufruhr versetzt, ausfindig zu machen, muß er seinen ganzen detektivischen Spürsinn aufbieten. Ein Krimi aus dem Reich der Insekten.
Ein "Krabbler" mit dem Zeug zum Serienhelden!
Man muss ihn einfach ins Herz schließen, diesen (wie er sich selbst sieht) "aufrechten, ehrlichen Käfer", der als Privatdetektiv dafür sorgt, dass in "seinem" Garten kein Unrecht geschieht, sich mit väterlicher Sorgfalt um kleine ungestüme Raupen kümmert und wenn es hart auf hart kommt, auch nicht zögert, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um die Gemeinschaft vor Unheil zu bewahren.
Autor Shipton ist mit seinem kleinen "Insektektenkrimi" gelungen, was viele Autoren, deren Helden zwar deutlich größer sind als "Wanze" Muldoon, aber weit weniger Grips und Witz besitzen als dieser prachtvolle Bursche, jahrelang und Buch um Buch vergeblich versuchen: Eine bei aller Leichtigkeit in der Schreibe spannende Geschichte zu schaffen, in der die Grenzen zwischen "gut" und "böse", zwischen "tapfer" und "feige" zuweilen so verwischt sind, dass man immer wieder gespannt sein darf, was die Figuren nun wohl als nächstes tun. Eine Story mit Moral, die dennoch kein bisschen langweilig ist. Ein Feuerwerk an spritzigen Einfällen, die lautes Auflachen eher zur Regel als zur Ausnahme werden lassen. Und schließlich ein Ende, das rührender nicht sein könnte - ohne dabei im Kitsch zu versinken.
Viel über das Leben der Insekten
Zur Freude all jener Leser, die sich in vielen Büchern an den "losen Enden" stören, gibt es außerdem am Schluss eine detaillierte Aufstellung dessen, "....was aus den handelnden Personen geworden ist."
Man kann also getrost feststellen: Dieser Krimi ist ein Buch, das man gerne liest, das Heiterkeit verbreitet, den Leser fröhlich macht und doch eine Menge Informationen über das Leben der Insekten im allgemeinen und im besonderen enthält.
Darüber hinaus ist es ein Buch über Individualisten und Anhänger des Gruppengedankens, über Machtstreben, Allianzen und aus dem Augenblick geborene Helden, die im Moment der größten Gefahr über sich selbst hinauswachsen. Ein Buch also, das man sich nicht nur getrost selbst kaufen, sondern gerne auch verschenken sollte. (Michaela Pelz, krimi-forum.de)
Man muss ihn einfach ins Herz schließen, diesen (wie er sich selbst sieht) "aufrechten, ehrlichen Käfer", der als Privatdetektiv dafür sorgt, dass in "seinem" Garten kein Unrecht geschieht, sich mit väterlicher Sorgfalt um kleine ungestüme Raupen kümmert und wenn es hart auf hart kommt, auch nicht zögert, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um die Gemeinschaft vor Unheil zu bewahren.
Autor Shipton ist mit seinem kleinen "Insektektenkrimi" gelungen, was viele Autoren, deren Helden zwar deutlich größer sind als "Wanze" Muldoon, aber weit weniger Grips und Witz besitzen als dieser prachtvolle Bursche, jahrelang und Buch um Buch vergeblich versuchen: Eine bei aller Leichtigkeit in der Schreibe spannende Geschichte zu schaffen, in der die Grenzen zwischen "gut" und "böse", zwischen "tapfer" und "feige" zuweilen so verwischt sind, dass man immer wieder gespannt sein darf, was die Figuren nun wohl als nächstes tun. Eine Story mit Moral, die dennoch kein bisschen langweilig ist. Ein Feuerwerk an spritzigen Einfällen, die lautes Auflachen eher zur Regel als zur Ausnahme werden lassen. Und schließlich ein Ende, das rührender nicht sein könnte - ohne dabei im Kitsch zu versinken.
Viel über das Leben der Insekten
Zur Freude all jener Leser, die sich in vielen Büchern an den "losen Enden" stören, gibt es außerdem am Schluss eine detaillierte Aufstellung dessen, "....was aus den handelnden Personen geworden ist."
Man kann also getrost feststellen: Dieser Krimi ist ein Buch, das man gerne liest, das Heiterkeit verbreitet, den Leser fröhlich macht und doch eine Menge Informationen über das Leben der Insekten im allgemeinen und im besonderen enthält.
Darüber hinaus ist es ein Buch über Individualisten und Anhänger des Gruppengedankens, über Machtstreben, Allianzen und aus dem Augenblick geborene Helden, die im Moment der größten Gefahr über sich selbst hinauswachsen. Ein Buch also, das man sich nicht nur getrost selbst kaufen, sondern gerne auch verschenken sollte. (Michaela Pelz, krimi-forum.de)
"Paul Shipton hat frei nach Chandler-Manier einen packenden Krimi im Mikrokosmos des Wiesenmilieus geschrieben, der das Herz eines jeden Krimi- und HobbyInsektologen höher schlagen läßt." Der Tagesspiegel
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.1997Schnüffelwanze
Ein Kribbelkrimi von Paul Shipton
Wie bringt ein Autor seinen langgehegten Wunsch, eine nicht niedliche Tiergeschichte zu schreiben, mit seiner großen Bewunderung für den "schwarzen Detektivroman" unter einen Hut? Er verlegt einfach das Großstadtgetriebe mit seinem Gewimmel von Verbrechern, schönen Frauen und anderem Gelichter in die Gartenwelt der Krabbler und schreibt einen Insektenkrimi. Paul Shipton hat mit seiner schnüffelnden Wanze Muldoon einen Detektiv geschaffen, der seinen zweibeinigen Kollegen durchaus ebenbürtig ist. Wohl ist die Idee, Zivilisatorisch-Großstädtisches in die Welt der Natur zu verlagern, nicht ganz neu. Detektivgeschichten für Kinder gibt es auch seit langem. Der Lektüre dieser Erzählung kommt es jedenfalls entgegen, daß Kinder mit der Formensprache des Genres vertraut sind. Die Geschichte vom mutigen Freiberufler Muldoon spielt virtuos mit den Mustern detektivischen Erzählens und bietet komische Einfälle gescheitester Art. Die Handlung ist übersichtlich, und die Natur wird nicht nur zu Darstellungszwecken vereinnahmt. Paul Shipton mag sein "Kille-Kalle-Käferchen" und vieles andere, was da kreucht und fleucht. Der Illustrator Axel Scheffler augenscheinlich auch: Wie nur wenige Künstler kann er in seinen Tierdarstellungen den natürlichen Lebensraum abbilden und gleichzeitig menschliches Antlitz durchscheinen lassen.
"Ich steckte wieder genau da, wo ich mich bestens auskannte - in großen, großen Schwierigkeiten." So umreißt der Käfer Muldoon seine Lage. Doch die Miete muß bezahlt werden, und einen Drink in einer stillen Bar sollte man sich auch gönnen. Also läßt sich Muldoon auf ein in der Tat haarsträubendes Abenteuer ein, als er den Auftrag annimmt, einem verschwundenen Ohrwurm nachzuspüren. Was als harmloser Job beginnt, entpuppt sich als gefährliche Unternehmung - die friedliche Zukunft des Gartens steht auf dem Spiel. Daß der Mikrokosmos auf eine Epochenwende hingetrieben werden soll, begreift Muldoon freilich erst allmählich. Ein paar abtrünnige Ameisen sind ihrer strengen Staatsordnung überdrüssig und haben deshalb einen Individualistenclub gegründet. Muldoon beobachtet amüsiert ihre Selbsterfahrungsbemühungen, staatstreue Ameisen sehen jedoch in diesen Aktivitäten eine Gefahr für den Zusammenhalt des Ameisenstaates. Bis sich die Ameisenkönigin am Ende doch zu einer Reform bewegen läßt, wird noch einiges passieren. Die Sache ist nämlich weit komplizierter: Die Aussteiger werden von Ameisen unterstützt, denen es allerdings um anderes als die Entfaltung von Individualität geht. Gemeinsam mit den Wespen planen sie die totale Herrschaft über den Garten. Daß im Hintergrund eine grausame Spinne die Fäden legt, erkennt Muldoon glücklicherweise rechtzeitig.
Käfer Muldoon hat im Verlauf seines Abenteuers reichlich Unangenehmes erfahren. Doch die Metamorphose seines Freundes Billy, der Raupe, zu einem wunderschönen Schmetterling läßt in ihm den Entschluß reifen, weiterhin auf der Lauer zu liegen. Und so erweist er sich als vollwertiges Mitglied im imaginären Club jener geduldeten Einzelgänger, die unsere Welt vor den schlimmsten Abgründen bewahren. MYRIAM MIELES .
Paul Shipton: "Die Wanze. Ein Insektenkrimi". Mit Bildern von Axel Scheffler. Fischer Verlag Frankfurt 1997. 189 S., geb., 24,80 DM. Ab 9 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Kribbelkrimi von Paul Shipton
Wie bringt ein Autor seinen langgehegten Wunsch, eine nicht niedliche Tiergeschichte zu schreiben, mit seiner großen Bewunderung für den "schwarzen Detektivroman" unter einen Hut? Er verlegt einfach das Großstadtgetriebe mit seinem Gewimmel von Verbrechern, schönen Frauen und anderem Gelichter in die Gartenwelt der Krabbler und schreibt einen Insektenkrimi. Paul Shipton hat mit seiner schnüffelnden Wanze Muldoon einen Detektiv geschaffen, der seinen zweibeinigen Kollegen durchaus ebenbürtig ist. Wohl ist die Idee, Zivilisatorisch-Großstädtisches in die Welt der Natur zu verlagern, nicht ganz neu. Detektivgeschichten für Kinder gibt es auch seit langem. Der Lektüre dieser Erzählung kommt es jedenfalls entgegen, daß Kinder mit der Formensprache des Genres vertraut sind. Die Geschichte vom mutigen Freiberufler Muldoon spielt virtuos mit den Mustern detektivischen Erzählens und bietet komische Einfälle gescheitester Art. Die Handlung ist übersichtlich, und die Natur wird nicht nur zu Darstellungszwecken vereinnahmt. Paul Shipton mag sein "Kille-Kalle-Käferchen" und vieles andere, was da kreucht und fleucht. Der Illustrator Axel Scheffler augenscheinlich auch: Wie nur wenige Künstler kann er in seinen Tierdarstellungen den natürlichen Lebensraum abbilden und gleichzeitig menschliches Antlitz durchscheinen lassen.
"Ich steckte wieder genau da, wo ich mich bestens auskannte - in großen, großen Schwierigkeiten." So umreißt der Käfer Muldoon seine Lage. Doch die Miete muß bezahlt werden, und einen Drink in einer stillen Bar sollte man sich auch gönnen. Also läßt sich Muldoon auf ein in der Tat haarsträubendes Abenteuer ein, als er den Auftrag annimmt, einem verschwundenen Ohrwurm nachzuspüren. Was als harmloser Job beginnt, entpuppt sich als gefährliche Unternehmung - die friedliche Zukunft des Gartens steht auf dem Spiel. Daß der Mikrokosmos auf eine Epochenwende hingetrieben werden soll, begreift Muldoon freilich erst allmählich. Ein paar abtrünnige Ameisen sind ihrer strengen Staatsordnung überdrüssig und haben deshalb einen Individualistenclub gegründet. Muldoon beobachtet amüsiert ihre Selbsterfahrungsbemühungen, staatstreue Ameisen sehen jedoch in diesen Aktivitäten eine Gefahr für den Zusammenhalt des Ameisenstaates. Bis sich die Ameisenkönigin am Ende doch zu einer Reform bewegen läßt, wird noch einiges passieren. Die Sache ist nämlich weit komplizierter: Die Aussteiger werden von Ameisen unterstützt, denen es allerdings um anderes als die Entfaltung von Individualität geht. Gemeinsam mit den Wespen planen sie die totale Herrschaft über den Garten. Daß im Hintergrund eine grausame Spinne die Fäden legt, erkennt Muldoon glücklicherweise rechtzeitig.
Käfer Muldoon hat im Verlauf seines Abenteuers reichlich Unangenehmes erfahren. Doch die Metamorphose seines Freundes Billy, der Raupe, zu einem wunderschönen Schmetterling läßt in ihm den Entschluß reifen, weiterhin auf der Lauer zu liegen. Und so erweist er sich als vollwertiges Mitglied im imaginären Club jener geduldeten Einzelgänger, die unsere Welt vor den schlimmsten Abgründen bewahren. MYRIAM MIELES .
Paul Shipton: "Die Wanze. Ein Insektenkrimi". Mit Bildern von Axel Scheffler. Fischer Verlag Frankfurt 1997. 189 S., geb., 24,80 DM. Ab 9 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.04.2020Käferpracht in Türkis
Der Gartenschnüffler Mr. Muldoon ist wieder in Aktion
Eigentlich war Privatdetektiv Mr. Muldoon in den zwei Jahrzehnten, in denen er im Dunstkreis der Leser nur sporadisch gesichtet wurde, nie richtig weg. Jedenfalls wurde der Erzähler in Paul Shiptons Insektenkrimi „Die Wanze“ von 1995 – übersetzt von Andreas Steinhöfel – in der nun erschienenen überarbeiteten Neuausgabe sofort erkannt. Er, der jede Gartenpolizei alt aussehen lässt.
Der Privatschnüffler, genannt „Die Wanze“, ist von Haus aus ein Käfer unbekannter Herkunft, den Axel Scheffler einst sympathisch ins Bild rückte: aerodynamisch geformter, längs gestreifter Torso auf sechs männlich behaarten Beinchen. Imposante saugrüsselartige Nase, elegant abgeknickte Fühler, charmant-schüchternes Lächeln, stets blitzmunterer Blick. Die ganze Käferpracht in schimmerndem Türkis. So hat ihn der Schreiber dieser Zeilen schätzen gelernt und ihn in seine tierische Lieblingsdetektiv-Galerie aufgenommen, neben Spürnase Bogey, Detektiv John Chatterton und Kommissar Gordon. Die eigentlich immer da sind, nur haben wir sie und die Tatorte um die Ecke aus dem Blickwinkel verloren, angesichts der fantastischen Welten, die sich hinter fernen Horizonten auftun. Welche Genugtuung also zu sehen, dass erschütternde Verbrechen bereits unter den eigenen Füßen geschehen können, zum Beispiel im Mikrokosmos eines Gartens gleich hinterm Haus. Ein verwildertes Stück Land, eine üppig blühende Wiese dürften für junge Abenteurer immer noch ein Paradies für die Fantasie sein. Man muss sich in seinen Gedanken nur auf die Größe Mr. Muldoons schrumpfen und sich an seiner Seite über Radieschenbeete und Komposthaufen tasten.
Wer sich auf Wanzes Welt einlässt, dem öffnet der ansonsten wortkarge Privatschnüffler sein Herz. Mit lapidaren Worten, die auf ungezählte vernarbte Wunden schließen lassen, die ihm das Leben zugefügt hat. Aber man muss die Anspielungen auf Chandlers Philip-Marlowe-Krimis nicht unbedingt verstehen, um mit Leib und Seele in die Geschichte einzutauchen. Paul Shipton – und mit ihm Andreas Steinhöfel und Axel Scheffler – sind exzellente Vermittler zwischen der großen Welt des Suspense-Krimis und der kleinen Welt fantastischer Kindergeschichten. Schließlich haben wir ja schon als junge Forscher das eine Universum mit dem anderen in Deckung gebracht.
Mr. Muldoon jedenfalls kriegt genug zu tun, als ihn eines Tages drei Ohrwürmer beauftragen, das Verschwinden ihres Bruders Eddie aufzuklären. Bereits Paul Shiptons erster Sätze könnten in die Liste der ersten schönsten Sätze in einem Roman aufgenommen werden: „Die Sonne verzog sich angewidert hinter den Horizont. Ich wusste genau, wie sie sich fühlte. Hinter mir lag ein langer Tag, und er war noch nicht vorüber.“ Welche Abgründe sich doch in diesem Höllenpfuhl von Garten auftun! Irgendetwas ist da im Gange zwischen den mächtigen Wespen und den ebenso mächtigen Ameisen, die das weite Land bevölkern. Trost findet Einzelgänger Muldoon nur in ein paar wenigen Seelenverwandten und in Dixies Bar, wo sich Abend für Abend Insekten und Krabbler treffen und trösten, getreu dem Grundsatz „Was nicht auf der Speisekarte steht, wird auch nicht gefressen.“ Was soll man dazu noch sagen, außer „Mr. Muldoon, bleiben Sie uns erhalten“? (ab 8 Jahre)
SIGGI SEUSS
Welche Abgründe
sich doch in
diesem Höllenpfuhl auftun!
Paul Shipton: Die Wanze.
Ein Insektenkrimi. Aus dem Englischen
von Andreas Steinhöfel.
Mit Illustrationen von Axel Scheffler.
Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag,
Frankfurt, 176 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der Gartenschnüffler Mr. Muldoon ist wieder in Aktion
Eigentlich war Privatdetektiv Mr. Muldoon in den zwei Jahrzehnten, in denen er im Dunstkreis der Leser nur sporadisch gesichtet wurde, nie richtig weg. Jedenfalls wurde der Erzähler in Paul Shiptons Insektenkrimi „Die Wanze“ von 1995 – übersetzt von Andreas Steinhöfel – in der nun erschienenen überarbeiteten Neuausgabe sofort erkannt. Er, der jede Gartenpolizei alt aussehen lässt.
Der Privatschnüffler, genannt „Die Wanze“, ist von Haus aus ein Käfer unbekannter Herkunft, den Axel Scheffler einst sympathisch ins Bild rückte: aerodynamisch geformter, längs gestreifter Torso auf sechs männlich behaarten Beinchen. Imposante saugrüsselartige Nase, elegant abgeknickte Fühler, charmant-schüchternes Lächeln, stets blitzmunterer Blick. Die ganze Käferpracht in schimmerndem Türkis. So hat ihn der Schreiber dieser Zeilen schätzen gelernt und ihn in seine tierische Lieblingsdetektiv-Galerie aufgenommen, neben Spürnase Bogey, Detektiv John Chatterton und Kommissar Gordon. Die eigentlich immer da sind, nur haben wir sie und die Tatorte um die Ecke aus dem Blickwinkel verloren, angesichts der fantastischen Welten, die sich hinter fernen Horizonten auftun. Welche Genugtuung also zu sehen, dass erschütternde Verbrechen bereits unter den eigenen Füßen geschehen können, zum Beispiel im Mikrokosmos eines Gartens gleich hinterm Haus. Ein verwildertes Stück Land, eine üppig blühende Wiese dürften für junge Abenteurer immer noch ein Paradies für die Fantasie sein. Man muss sich in seinen Gedanken nur auf die Größe Mr. Muldoons schrumpfen und sich an seiner Seite über Radieschenbeete und Komposthaufen tasten.
Wer sich auf Wanzes Welt einlässt, dem öffnet der ansonsten wortkarge Privatschnüffler sein Herz. Mit lapidaren Worten, die auf ungezählte vernarbte Wunden schließen lassen, die ihm das Leben zugefügt hat. Aber man muss die Anspielungen auf Chandlers Philip-Marlowe-Krimis nicht unbedingt verstehen, um mit Leib und Seele in die Geschichte einzutauchen. Paul Shipton – und mit ihm Andreas Steinhöfel und Axel Scheffler – sind exzellente Vermittler zwischen der großen Welt des Suspense-Krimis und der kleinen Welt fantastischer Kindergeschichten. Schließlich haben wir ja schon als junge Forscher das eine Universum mit dem anderen in Deckung gebracht.
Mr. Muldoon jedenfalls kriegt genug zu tun, als ihn eines Tages drei Ohrwürmer beauftragen, das Verschwinden ihres Bruders Eddie aufzuklären. Bereits Paul Shiptons erster Sätze könnten in die Liste der ersten schönsten Sätze in einem Roman aufgenommen werden: „Die Sonne verzog sich angewidert hinter den Horizont. Ich wusste genau, wie sie sich fühlte. Hinter mir lag ein langer Tag, und er war noch nicht vorüber.“ Welche Abgründe sich doch in diesem Höllenpfuhl von Garten auftun! Irgendetwas ist da im Gange zwischen den mächtigen Wespen und den ebenso mächtigen Ameisen, die das weite Land bevölkern. Trost findet Einzelgänger Muldoon nur in ein paar wenigen Seelenverwandten und in Dixies Bar, wo sich Abend für Abend Insekten und Krabbler treffen und trösten, getreu dem Grundsatz „Was nicht auf der Speisekarte steht, wird auch nicht gefressen.“ Was soll man dazu noch sagen, außer „Mr. Muldoon, bleiben Sie uns erhalten“? (ab 8 Jahre)
SIGGI SEUSS
Welche Abgründe
sich doch in
diesem Höllenpfuhl auftun!
Paul Shipton: Die Wanze.
Ein Insektenkrimi. Aus dem Englischen
von Andreas Steinhöfel.
Mit Illustrationen von Axel Scheffler.
Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag,
Frankfurt, 176 Seiten, 12 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Souverän übersetzt ist der Krimi im Milieu der kleinen Krabbler endlich wieder zugänglich und bietet auch 25 Jahre nach seiner Ersterscheinung den puren Lesegenuss. Seitenweise Kinderliteratur 20201218