Es ist Weihnachten und nacheinander trudeln die Geschwister Tamara, Ingmar und Elisabeth mit ihren Kindern und Partnern im Haus ihrer Eltern ein. Schneeflocken fallen sanft vom Himmel und wie jedes Jahr weckt das vertraute Heim für einen Moment die Hoffnung auf ein besinnliches Fest. Doch sobald alle an einem Tisch sitzen, ist es mit dem Frieden vorbei: Tamara ist neidisch auf Elisabeth, die nicht nur beruflich erfolgreicher ist, sondern jetzt auch noch diesen attraktiven neuen Freund mitgebracht hat. Ingmar ärgert sich über Tamaras mangelndes Interesse an ihren Mitmenschen und dem Klimawandel. Elisabeth versucht wie immer, zu allen nett zu sein, und macht es dadurch nur noch schlimmer. Nach einer Nacht im Hotel kommen die drei Geschwister an Heiligabend wieder am Elternhaus zusammen. Aber zu ihrer großen Überraschung öffnet ihnen niemand die Tür. Wo sind die Eltern? Um das Rätsel zu lösen, begeben sich Tamara, Elisabeth und Ingmar auf eine Spurensuche zurück in ihre glückliche Kindheit. Und finden eine magische Botschaft für ihre Zukunft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.201914. Die Feiertage überleben
Die halbe Welt wartet ja dringend auf den Ratgeber "Wie man Weihnachten ohne Nervenzusammenbruch überlebt". Bis der endlich erscheint, kann man immerhin Alexa Hennig von Langes neuen, 148 Seiten schmalen Roman kaufen und auf der alljährlichen Weihnachtszugfahrt in die Heimat lesen. In "Die Weihnachtsgeschwister" beschreibt die Autorin die Wiedervereinigung einer Familie anlässlich des sogenannten "Fests der Liebe", das, wie jedes Jahr, in Wut, Hass und Neid zu eskalieren droht. Drei Geschwister, eigentlich schon erwachsen, brauchen nur am Esstisch ihrer Eltern zu sitzen, damit die Tragödie ihren Lauf nimmt. Jeder nimmt die ihm vorgesehene Rolle ein, altbekannt aus der Kindheit, kränkt und lässt sich kränken.
Der Roman ist manchmal so süß, pink und fluffig wie die Zuckerwatte auf dem Christkindlmarkt, aber im scheinbar so banalen Dreigenerationenzwist (Großeltern, Kinder und Kindeskinder) kann man sich als Leserin oder Leser emotional doch ganz gut verorten und sich von der Autorin erklären lassen, warum es jedes Jahr aufs Neue so kommt beziehungsweise so kommen muss.
Ohne das Fachvokabular zu verwenden, erzählt Alexa Hennig von Lange von Regression, eingespielten Mustern, Übertragung, Neid und Familiendynamiken. Gesten und Tonfälle werden aufgeladen, vergrößert, Teil des persönlichen paranoiden Weihnachtswahns. Ein vieldeutiger Blick kann ausreichen, damit der andere explodiert.
Bei den "Weihnachtsgeschwistern" dringen Frust, Enttäuschung über das zwar halbwegs gelingende, aber letztlich doch gescheiterte Leben aus jeder Pore. "Les jeux sont faits" - früher wurde man zwar von den anderen ungerechterweise gezwungen, eine bestimmte Rolle einzunehmen, aber man hatte das Leben wenigstens noch vor sich. Inzwischen fühlt sich ein jeder festgefahren in einem kleinen Leben. Es sind schließlich dann aber doch wieder die Eltern der Geschwister, die Alten, die alles halten und retten können: indem sie sich dem Zirkus ihrer Kinder verweigern und die Geschwister zum Erwachsenwerden, zur sogenannten Integration der eigenen Konflikte und Neurosen zwingen.
Eine Totalintervention, könnte man sagen. Wenn man das Buch kurz vor Ankunft schließlich zuklappt, bleibt neben Glauben und Liebe vielleicht auch wieder ein bisschen Hoffnung. Es hilft aber sowieso immer, sich vorzunehmen, diesmal zu allen besonders nett zu sein.
aziz
Alexa Hennig von Lange: "Die Weihnachtsgeschwister". Dumont, 160 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die halbe Welt wartet ja dringend auf den Ratgeber "Wie man Weihnachten ohne Nervenzusammenbruch überlebt". Bis der endlich erscheint, kann man immerhin Alexa Hennig von Langes neuen, 148 Seiten schmalen Roman kaufen und auf der alljährlichen Weihnachtszugfahrt in die Heimat lesen. In "Die Weihnachtsgeschwister" beschreibt die Autorin die Wiedervereinigung einer Familie anlässlich des sogenannten "Fests der Liebe", das, wie jedes Jahr, in Wut, Hass und Neid zu eskalieren droht. Drei Geschwister, eigentlich schon erwachsen, brauchen nur am Esstisch ihrer Eltern zu sitzen, damit die Tragödie ihren Lauf nimmt. Jeder nimmt die ihm vorgesehene Rolle ein, altbekannt aus der Kindheit, kränkt und lässt sich kränken.
Der Roman ist manchmal so süß, pink und fluffig wie die Zuckerwatte auf dem Christkindlmarkt, aber im scheinbar so banalen Dreigenerationenzwist (Großeltern, Kinder und Kindeskinder) kann man sich als Leserin oder Leser emotional doch ganz gut verorten und sich von der Autorin erklären lassen, warum es jedes Jahr aufs Neue so kommt beziehungsweise so kommen muss.
Ohne das Fachvokabular zu verwenden, erzählt Alexa Hennig von Lange von Regression, eingespielten Mustern, Übertragung, Neid und Familiendynamiken. Gesten und Tonfälle werden aufgeladen, vergrößert, Teil des persönlichen paranoiden Weihnachtswahns. Ein vieldeutiger Blick kann ausreichen, damit der andere explodiert.
Bei den "Weihnachtsgeschwistern" dringen Frust, Enttäuschung über das zwar halbwegs gelingende, aber letztlich doch gescheiterte Leben aus jeder Pore. "Les jeux sont faits" - früher wurde man zwar von den anderen ungerechterweise gezwungen, eine bestimmte Rolle einzunehmen, aber man hatte das Leben wenigstens noch vor sich. Inzwischen fühlt sich ein jeder festgefahren in einem kleinen Leben. Es sind schließlich dann aber doch wieder die Eltern der Geschwister, die Alten, die alles halten und retten können: indem sie sich dem Zirkus ihrer Kinder verweigern und die Geschwister zum Erwachsenwerden, zur sogenannten Integration der eigenen Konflikte und Neurosen zwingen.
Eine Totalintervention, könnte man sagen. Wenn man das Buch kurz vor Ankunft schließlich zuklappt, bleibt neben Glauben und Liebe vielleicht auch wieder ein bisschen Hoffnung. Es hilft aber sowieso immer, sich vorzunehmen, diesmal zu allen besonders nett zu sein.
aziz
Alexa Hennig von Lange: "Die Weihnachtsgeschwister". Dumont, 160 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main