Vor einem Jahrhundert, am 14. August 1919 wurde die Weimarer Reichsverfassung verkündet. Sie war das Ergebnis einer Revolution, die für die einen zu weit ging und für die anderen unvollendet blieb. Es war die erste republikanische Verfassung der Deutschen, von gewählten Vertretern des Volkes beschlossen und in Kraft gesetzt. Die Verfassung von Weimar war es aber auch, auf deren Grundlage der Reichspräsident am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannte, deren Erosion und Scheitern für den Zusammenbruch von Demokratie, Rechtsstaat und Zivilisation in der Mitte Europas steht.Auch heute bleibt die Frage offen, ob die Weimarer Demokratie mit daran gescheitert ist, weil ihre Verfassung institutionell falsch angelegt war. Es lohnt sich hier, vorgeblich altbekanntes Terrain neu zu vermessen, um aus der Vergangenheit etwas für die Gegenwart zu lernen. Di Fabio analysiert verfassungshistorisch tragende staatsorganisationsrechtliche Entscheidungen, ihre Folgen im praktischen politischen Prozess, aber auch die Kräfte, denen das Recht mitunter machtlos gegenübersteht. Es geht dabei nicht so sehr um den rechtstechnischen Vergleich zum Grundgesetz, sondern weit mehr um die Einsicht, wie Recht einer Demokratie die Spielregeln vorgibt, sie damit stützen, fördern, aber auch blockieren kann. Die institutionelle Analyse zeigt aber auch, dass letztlich keine rechtliche Sicherung vor einem Verfall der politischen Kultur zu schützen vermag. Das Recht behält nur dann seine Wirkung, wenn die Kultur der Demokratie in den Köpfen und Herzen der Menschen verwurzelt ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2018Die Monarchie war kein Schönheitsfehler
Ein Jurist als Historiker: Udo Di Fabio widmet sich Aufstieg und Niedergang der Weimarer Verfassung. Entstanden ist ein Buch zum Jubiläum, dessen Thesen ihre beste Zeit hinter sich haben.
Je verwundbarer die Ordnung des Grundgesetzes wirkt, desto mehr Faszination übt die Weimarer Republik als ein Gespenst aus, das uns immer ähnlicher zu werden droht. Was man von diesem Grusel lernen kann, ist nicht klar: eine gewisse Demut gegenüber dem Unvollkommenen der Politik und den Nöten der Alten vielleicht, kaum Konkreteres, das uns für die Gegenwart weiterhelfen könnte. Vor diesem Dilemma steht auch der Buchmarkt, der diese Faszination bedienen will, indem er sich der nun schnell abfolgenden Weimar-Jubiläen annimmt. Dafür ist das vorliegende Buch des ehemaligen Bundesverfassungsrichters und Bonner Staatsrechtlers Udo Di Fabio ein bemerkenswertes Beispiel.
Vom Verlag als Marke eingeführt ("Der neue Di Fabio") und offensiv mit einer Buchvorstellung mit Christian Lindner in Berlin vermarktet ("Erleben Sie zwei außergewöhnliche Menschen im Dialog"), war der Autor doch eigenwillig genug, ein fußnotenreiches Werk mit wissenschaftlichem Anspruch zu verfassen. In einer solchen Konstellation nicht völlig überraschend bleiben die Adressaten des Unternehmens aber ungewiss. Wer sich mit der Geschichte der Weimarer Republik auskennt, wird nicht zum ersten historischen Werk eines Verfassungsrechtlers greifen, das weitgehend aus Sekundärquellen gearbeitet ist. Wer sich neu informieren will, wird es mit dem vorliegenden Buch aber schwer haben, weil bloße Anspielungen auf "Kelsen" oder den "Panthersprung nach Agadir" ohne weitere Erläuterung nicht recht verständlich sind. Diese Ambivalenz muss auch den Verfasser selbst beschäftigt haben. So gibt er schon auf die Frage, was genau Gegenstand des Buches ist, keine klare Antwort. Untertitel und Selbstbeschreibung folgend handelt es sich um eine "verfassungshistorische Analyse".
In der Sache liegt eine Art verdichteter Gesamtdarstellung vor, in der die Epoche der Weimarer Republik zugleich systematisch sortiert und chronologisch berichtet wird. Ein Schwerpunkt liegt auf der politischen Geschichte, namentlich auf Vorgeschichte und Gründung sowie dem Erlöschen der Republik seit Brünings Amtsantritt als Reichskanzler. Dazwischen finden sich Darstellungen und Reflexionen zur Wirtschaftsgeschichte, zu Kunst und Kultur, zur Außenpolitik, zur politischen Ideengeschichte, immer wieder theoretische Einsprengsel und manche Referenz an die aktuelle Politik der Bundesrepublik.
Bemerkenswert wenig bietet das Buch ausgerechnet zur Weimarer Reichsverfassung selbst. Zwar setzt Di Fabio einige Akzente, die Bedeutung des berüchtigten Notverordnungsrechts des Reichspräsidenten wird plausibel relativiert, dafür der Modus der Präsidentenwahl aufschlussreich problematisiert. Doch wirkt all dies auf den Kenner kurzatmig, auf den Novizen zu eigenwillig. Raum, um etwas Eigenes zu entwickeln, bleibt wenig. Die Rolle des Reichsgerichts als Staatsgerichtshof findet ebenso nur beiläufige Erwähnung wie die von Horst Dreier aufgearbeitete, lange unterschätzte Bedeutung der Grundrechte.
Viele verfassungshistorische Überlegungen bleiben zudem terminologisch unstimmig. So schreibt Di Fabio: "Bereits das Reich von 1867/71 war mit der legislativen Zentralität des frei gewählten Reichstags nach damaligen Maßstäben durchaus eine Demokratie, allerdings eine mit konstitutionellen Schönheitsfehlern. Einer der Schönheitsfehler war die unvollständige Parlamentarisierung Preußens durch die Vorenthaltung der Wahlrechtsgleichheit ..." Einmal abgesehen davon, dass die Monarchie im Kaiserreich mit der Kategorie Schönheitsfehler wenig hilfreich beschrieben ist, wird im ersten Satz Demokratisierung mit Parlamentsmacht gleichgesetzt, im zweiten Parlamentarisierung mit dem Wahlrecht. Beides ist bestenfalls ungenau.
Die Geschichte des parlamentarischen Regierungssystems erzählt Di Fabio konsequent aus der Perspektive der Reichspräsidenten. Ebert ist der Held des Buches, der "größte Staatsmann" der Weimarer Republik, ohne dass wirklich klar würde, welche Entscheidungen Di Fabio mit ihm verbindet, während Hindenburg in einer Weise zum Übeltäter gerät, die die Bedeutung von Strukturen stark in den Hintergrund treten lässt. Für die Arbeit des Reichstags stehen im Buch acht Seiten zur Verfügung, für die der Reichspräsidenten gut dreißig. Mit einer solchen Akzentsetzung werden die antiparlamentarischen "geistesgeschichtlichen Tiefenschichten", die Di Fabio an vielen Stellen diagnostiziert, vielleicht weniger reflektiert als unfreiwillig fortgesetzt.
Vor allem verwischen die im Buch immer wieder auftauchenden Reminiszenzen an ein "Verfassungsrecht aus heutiger Sicht" den tiefen Graben, den das bundesrepublikanische Verfassungsverständnis von dem der Weimarer Republik trennt. Ob sich die Änderung in der Geschäftsordnung des Preußischen Landtags, mit der die Regierung des Sozialdemokraten Braun ohne Mehrheit im Amt blieb, aus einer grundgesetzlichen Perspektive beurteilen lässt, erscheint fraglich.
In einer anderen Passage spekuliert Di Fabio, ob der Reichspräsident nach der Reichstagswahl vom Juli 1930 das Recht gehabt hätte, den Reichstag aufzulösen und nicht wiedereinzuberufen, um so die Republik zu retten. Di Fabio zufolge wäre das zwar ein gewagter Schritt gewesen, der aber immerhin methodisch mit dem Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts bei der Überprüfung europäischer Rechtsakte zu vergleichen sei. Wird man die Hindenburg-Analogie in Di Fabios altem Senat mit Vergnügen lesen?
Solche riskanten Überlegungen bleiben freilich die Ausnahme. Irritierend ist dies, wenn der Autor sich mit seinen Thesen von "gängigen" Ansichten abzusetzen sucht, die oft weniger gängig sind als seine eigenen. Wer hätte schon behauptet, dass das wilhelminische Kaiserreich ein "absolutistisches Regime" gewesen sei? Auch die Annahme, die Republik sei an ihrer Verfassung gescheitert, hat ihre besten Tage lange hinter sich. Di Fabios eingangs formulierte Wendung gegen "einfache Kausalitätsmodelle" hatte den Leser schon darauf vorbereitet, dass wenig Gewagtes folgen würde. Seit dem Erscheinen von Karl Dietrich Brachers Studie zur Auflösung der Weimarer Republik vor gut sechzig Jahren sind monokausale Würdigungen des Endes der Weimarer Republik nicht mehr satisfaktionsfähig.
Di Fabios eigene Überlegungen zum Untergang der Republik verlieren sich gegen Ende des Buchs mehr und mehr im Dickicht einer um Hindenburg kreisenden Ereignisgeschichte. Hinweise auf den "vorpolitischen Prägeraum" der öffentlichen Meinung sollen belegen, dass die Weimarer Republik vor allem an seiner Öffentlichkeitsarbeit gescheitert sei. Zugleich entwickelt der Autor ein so großes Verständnis für die anderen Beteiligten, von der SPD im Reichstag bis zu Brüning, dass die politische Entwicklung letztlich zur quasi unwiderstehlichen Notwendigkeit gerät. Dies ist sympathisch, soweit es peinlich darauf achtet, Besserwisserei der Nachgeborenen zu vermeiden. Doch verweigert sich das dargestellte Nebeneinander von fataler ideologischer Tradition und persönlichen Dispositionen letztlich jedweder Erklärung. An die Stelle der verworfenen Monokausalität kommt eine dichte Beschreibung aus dem Büro des Reichspräsidenten.
Es war Joachim Fest, ehemaliger Mitherausgeber dieser Zeitung und bekennender Konservativer, der feststellte, dass keine gesellschaftliche Gruppe beim Untergang der Weimarer Republik mehr versagt habe als die Nationalkonservativen, die eben nicht nur aus missgünstigen Militärs und autoritären Großindustriellen bestanden. Ein einflussreicher konservativer Intellektueller wie Udo Di Fabio hätte uns zum Untergang der Republik in dieser Hinsicht vielleicht mehr sagen können, anstatt den schwierigen Versuch zu unternehmen, mit dem Stand der Geschichtsschreibung zu konkurrieren.
CHRISTOPH MÖLLERS
Udo Di Fabio:
"Die Weimarer Verfassung". Aufbruch und Scheitern. Eine verfassungshistorische Analyse.
C. H. Beck Verlag, München 2018. 299 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Jurist als Historiker: Udo Di Fabio widmet sich Aufstieg und Niedergang der Weimarer Verfassung. Entstanden ist ein Buch zum Jubiläum, dessen Thesen ihre beste Zeit hinter sich haben.
Je verwundbarer die Ordnung des Grundgesetzes wirkt, desto mehr Faszination übt die Weimarer Republik als ein Gespenst aus, das uns immer ähnlicher zu werden droht. Was man von diesem Grusel lernen kann, ist nicht klar: eine gewisse Demut gegenüber dem Unvollkommenen der Politik und den Nöten der Alten vielleicht, kaum Konkreteres, das uns für die Gegenwart weiterhelfen könnte. Vor diesem Dilemma steht auch der Buchmarkt, der diese Faszination bedienen will, indem er sich der nun schnell abfolgenden Weimar-Jubiläen annimmt. Dafür ist das vorliegende Buch des ehemaligen Bundesverfassungsrichters und Bonner Staatsrechtlers Udo Di Fabio ein bemerkenswertes Beispiel.
Vom Verlag als Marke eingeführt ("Der neue Di Fabio") und offensiv mit einer Buchvorstellung mit Christian Lindner in Berlin vermarktet ("Erleben Sie zwei außergewöhnliche Menschen im Dialog"), war der Autor doch eigenwillig genug, ein fußnotenreiches Werk mit wissenschaftlichem Anspruch zu verfassen. In einer solchen Konstellation nicht völlig überraschend bleiben die Adressaten des Unternehmens aber ungewiss. Wer sich mit der Geschichte der Weimarer Republik auskennt, wird nicht zum ersten historischen Werk eines Verfassungsrechtlers greifen, das weitgehend aus Sekundärquellen gearbeitet ist. Wer sich neu informieren will, wird es mit dem vorliegenden Buch aber schwer haben, weil bloße Anspielungen auf "Kelsen" oder den "Panthersprung nach Agadir" ohne weitere Erläuterung nicht recht verständlich sind. Diese Ambivalenz muss auch den Verfasser selbst beschäftigt haben. So gibt er schon auf die Frage, was genau Gegenstand des Buches ist, keine klare Antwort. Untertitel und Selbstbeschreibung folgend handelt es sich um eine "verfassungshistorische Analyse".
In der Sache liegt eine Art verdichteter Gesamtdarstellung vor, in der die Epoche der Weimarer Republik zugleich systematisch sortiert und chronologisch berichtet wird. Ein Schwerpunkt liegt auf der politischen Geschichte, namentlich auf Vorgeschichte und Gründung sowie dem Erlöschen der Republik seit Brünings Amtsantritt als Reichskanzler. Dazwischen finden sich Darstellungen und Reflexionen zur Wirtschaftsgeschichte, zu Kunst und Kultur, zur Außenpolitik, zur politischen Ideengeschichte, immer wieder theoretische Einsprengsel und manche Referenz an die aktuelle Politik der Bundesrepublik.
Bemerkenswert wenig bietet das Buch ausgerechnet zur Weimarer Reichsverfassung selbst. Zwar setzt Di Fabio einige Akzente, die Bedeutung des berüchtigten Notverordnungsrechts des Reichspräsidenten wird plausibel relativiert, dafür der Modus der Präsidentenwahl aufschlussreich problematisiert. Doch wirkt all dies auf den Kenner kurzatmig, auf den Novizen zu eigenwillig. Raum, um etwas Eigenes zu entwickeln, bleibt wenig. Die Rolle des Reichsgerichts als Staatsgerichtshof findet ebenso nur beiläufige Erwähnung wie die von Horst Dreier aufgearbeitete, lange unterschätzte Bedeutung der Grundrechte.
Viele verfassungshistorische Überlegungen bleiben zudem terminologisch unstimmig. So schreibt Di Fabio: "Bereits das Reich von 1867/71 war mit der legislativen Zentralität des frei gewählten Reichstags nach damaligen Maßstäben durchaus eine Demokratie, allerdings eine mit konstitutionellen Schönheitsfehlern. Einer der Schönheitsfehler war die unvollständige Parlamentarisierung Preußens durch die Vorenthaltung der Wahlrechtsgleichheit ..." Einmal abgesehen davon, dass die Monarchie im Kaiserreich mit der Kategorie Schönheitsfehler wenig hilfreich beschrieben ist, wird im ersten Satz Demokratisierung mit Parlamentsmacht gleichgesetzt, im zweiten Parlamentarisierung mit dem Wahlrecht. Beides ist bestenfalls ungenau.
Die Geschichte des parlamentarischen Regierungssystems erzählt Di Fabio konsequent aus der Perspektive der Reichspräsidenten. Ebert ist der Held des Buches, der "größte Staatsmann" der Weimarer Republik, ohne dass wirklich klar würde, welche Entscheidungen Di Fabio mit ihm verbindet, während Hindenburg in einer Weise zum Übeltäter gerät, die die Bedeutung von Strukturen stark in den Hintergrund treten lässt. Für die Arbeit des Reichstags stehen im Buch acht Seiten zur Verfügung, für die der Reichspräsidenten gut dreißig. Mit einer solchen Akzentsetzung werden die antiparlamentarischen "geistesgeschichtlichen Tiefenschichten", die Di Fabio an vielen Stellen diagnostiziert, vielleicht weniger reflektiert als unfreiwillig fortgesetzt.
Vor allem verwischen die im Buch immer wieder auftauchenden Reminiszenzen an ein "Verfassungsrecht aus heutiger Sicht" den tiefen Graben, den das bundesrepublikanische Verfassungsverständnis von dem der Weimarer Republik trennt. Ob sich die Änderung in der Geschäftsordnung des Preußischen Landtags, mit der die Regierung des Sozialdemokraten Braun ohne Mehrheit im Amt blieb, aus einer grundgesetzlichen Perspektive beurteilen lässt, erscheint fraglich.
In einer anderen Passage spekuliert Di Fabio, ob der Reichspräsident nach der Reichstagswahl vom Juli 1930 das Recht gehabt hätte, den Reichstag aufzulösen und nicht wiedereinzuberufen, um so die Republik zu retten. Di Fabio zufolge wäre das zwar ein gewagter Schritt gewesen, der aber immerhin methodisch mit dem Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts bei der Überprüfung europäischer Rechtsakte zu vergleichen sei. Wird man die Hindenburg-Analogie in Di Fabios altem Senat mit Vergnügen lesen?
Solche riskanten Überlegungen bleiben freilich die Ausnahme. Irritierend ist dies, wenn der Autor sich mit seinen Thesen von "gängigen" Ansichten abzusetzen sucht, die oft weniger gängig sind als seine eigenen. Wer hätte schon behauptet, dass das wilhelminische Kaiserreich ein "absolutistisches Regime" gewesen sei? Auch die Annahme, die Republik sei an ihrer Verfassung gescheitert, hat ihre besten Tage lange hinter sich. Di Fabios eingangs formulierte Wendung gegen "einfache Kausalitätsmodelle" hatte den Leser schon darauf vorbereitet, dass wenig Gewagtes folgen würde. Seit dem Erscheinen von Karl Dietrich Brachers Studie zur Auflösung der Weimarer Republik vor gut sechzig Jahren sind monokausale Würdigungen des Endes der Weimarer Republik nicht mehr satisfaktionsfähig.
Di Fabios eigene Überlegungen zum Untergang der Republik verlieren sich gegen Ende des Buchs mehr und mehr im Dickicht einer um Hindenburg kreisenden Ereignisgeschichte. Hinweise auf den "vorpolitischen Prägeraum" der öffentlichen Meinung sollen belegen, dass die Weimarer Republik vor allem an seiner Öffentlichkeitsarbeit gescheitert sei. Zugleich entwickelt der Autor ein so großes Verständnis für die anderen Beteiligten, von der SPD im Reichstag bis zu Brüning, dass die politische Entwicklung letztlich zur quasi unwiderstehlichen Notwendigkeit gerät. Dies ist sympathisch, soweit es peinlich darauf achtet, Besserwisserei der Nachgeborenen zu vermeiden. Doch verweigert sich das dargestellte Nebeneinander von fataler ideologischer Tradition und persönlichen Dispositionen letztlich jedweder Erklärung. An die Stelle der verworfenen Monokausalität kommt eine dichte Beschreibung aus dem Büro des Reichspräsidenten.
Es war Joachim Fest, ehemaliger Mitherausgeber dieser Zeitung und bekennender Konservativer, der feststellte, dass keine gesellschaftliche Gruppe beim Untergang der Weimarer Republik mehr versagt habe als die Nationalkonservativen, die eben nicht nur aus missgünstigen Militärs und autoritären Großindustriellen bestanden. Ein einflussreicher konservativer Intellektueller wie Udo Di Fabio hätte uns zum Untergang der Republik in dieser Hinsicht vielleicht mehr sagen können, anstatt den schwierigen Versuch zu unternehmen, mit dem Stand der Geschichtsschreibung zu konkurrieren.
CHRISTOPH MÖLLERS
Udo Di Fabio:
"Die Weimarer Verfassung". Aufbruch und Scheitern. Eine verfassungshistorische Analyse.
C. H. Beck Verlag, München 2018. 299 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main