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"Wunderbar geschrieben, erzählt uns Rémi Bragues Buch von der Entstehung der Welt als Kosmos und gibt uns eine Ahnung davon, was wir seither verloren - oder verlassen - haben." Harvey Mansfield, Harvard University
Rémi Brague macht in diesem faszinierenden Buch ein grundlegendes Motiv der abendländischen Geistesgeschichte anschaulich. Die Vorstellung, daß die Welt ein schön und weise geordneter Kosmos sei, hat griechische, christliche, muslimische und jüdische Denker über zwei Jahrtausende bewegt. Rémi Brague zeigt die Entstehung dieses Gedankens und schildert die Geschichte seines…mehr

Produktbeschreibung
"Wunderbar geschrieben, erzählt uns Rémi Bragues Buch von der Entstehung der Welt als Kosmos und gibt uns eine Ahnung davon, was wir seither verloren - oder verlassen - haben."
Harvey Mansfield, Harvard University

Rémi Brague macht in diesem faszinierenden Buch ein grundlegendes Motiv der abendländischen Geistesgeschichte anschaulich. Die Vorstellung, daß die Welt ein schön und weise geordneter Kosmos sei, hat griechische, christliche, muslimische und jüdische Denker über zwei Jahrtausende bewegt. Rémi Brague zeigt die Entstehung dieses Gedankens und schildert die Geschichte seines Verlustes in der Moderne.

Wenn die Griechen in der Antike zum Himmel blickten, sahen sie nicht bloß Sonne und Mond, Sterne und Planeten, sondern den Kosmos - ein in sich geschlossenes, kohärentes Universum voller Schönheit, Wahrheit und Vernunft. Die Schönheit und Weisheit der Welt war den Menschen Vorbild und Maßstab für Ihr eigenes Leben. Griechische und muslimische Philosophen, christliche Denker und jüdische Kabbalisten waren sich einig, daß der Kosmos und der Sinn des menschliche Lebens aufs engste zusammenhingen. Kosmologische Welterkenntnis hatte daher direkte Auswirkungen auf Philosophie und Ethik. Mit der Moderne brach dieses geschlossene Weltbild in sich zusammen. Die Welt, vordem voller Güte, Heilsgewissheit und Weisheit, wurde ethisch indifferent und konnte nicht mehr länger als Leitstern für das moralisch richtige Leben dienen.
Rémi Brague führt den Leser durch zwei Jahrtausende eines abendländischen Denkens, das sich grundlegend von dem unserer eigenen Zeit unterscheidet.
Autorenporträt
Rémi Brague ist Professor für Arabische Philosophie an der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne).
Rezensionen
'Wunderbar geschrieben, erzählt uns Rémi Bragues Buch von der Entstehung der Welt als Kosmos und gibt uns eine Ahnung davon, was wir seither verloren - oder verlassen - haben.'

Harvey Mansfield, Harvard University

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Staunen und Bewunderung zeigt Rezensent Alexander Kissler über den Parcours des Autors durch die abendländische Frage nach dem Guten zwischen Himmel und Erde. Wahrhaft verblüffend, so der Rezensent, sei dann aber die "Pointe" am Ende der 300 Seiten durch 3000 Jahre, wenn Remi Brague als Religionswissenschaftler die moderne Technik als eine "Art Moral" aus dem Sack zaubere und sie als "vielleicht sogar die wahre Moral" hinstelle. Brague verstehe die moderne Impotenz, Werte zu bestimmen, als Resultat einer Trennung von Menschenbild und Schöpfungsbild, von Anthropologie und Welterklärung. Im antik-mittelalterlichen Weltbild sei die Natur noch das von sich aus Gute gewesen, auf das der weise Mensch nur zu hören oder blicken brauchte, um gut zu sein. Unter dem modernen Sternenhimmel einer "ethisch indifferenten" physikalischen Welt gerate auch Brague, vermerkt der Rezensent, an die Grenze zur "reflexionskritischen Verzweiflung", bis er gewissermaßen teleologisch eine "Moral nach der Moral" verkünde, wenn mit der Technik das "Gute zur Natur zurück" kehre.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2005

Den Himmel in die Welt tragen
Rémi Brague kreuzt durch die Weiten der kosmischen Ideen

Die Frage, inwieweit die Menschen schon durch ihre aufrechte Körperhaltung dazu bestimmt seien, in den Himmel zu blicken und daraus Weisheiten für ihr Leben abzuleiten, wird heute vielleicht anders gestellt als vor zweitausend Jahren. Kontrovers ist sie immer noch. Bereits Platons im "Timaios" geäußertes Postulat, die Natur um und über uns müsse uns Vorbild sein, fand sarkastische Zweifler. Plattfische wie der "uranoscopus" seien für den Blick nach oben besser geeignet als der Mensch, und selbst Esel bräuchten sich dabei weniger den Hals zu verdrehen, schrieb der Arzt Galienus im zweiten Jahrhundert.

Eine weit verbreitete Ansicht besagt aber, Antike und Mittelalter hätten beim Blick ins Firmament einen natürlich oder göttlich geordneten Aufbau des Kosmos gesehen, der auch Vorbild und Maßstab für das menschliche Handeln gewesen sei. Mit der Moderne sei dieses geschlossene Weltbild zerbrochen und die Reflexion über die richtige Lebensführung in ihrem Sinnbezug verwaist. Insgesamt scheint das auch der Inhalt dieses Buches zu sein. Zum Glück sind die angeführten Autoren und Textstellen aber so reichhaltig, daß die Grundthese im Detail der Gegenbeispiele immerfort wankt. Dem Autor ist das hochgelehrte Kunststück einer Theorie gelungen, die in allen Teilen sich selbst untergräbt und dennoch als großes Ganzes stehen bleibt.

Der in Paris Philosophie - auch arabische - und in München Religionswissenschaft lehrende Rémi Brague ist ein besonderer Kenner der Zeit zwischen Spätantike und Mittelalter, jenes Jahrtausends also, in dem unter der Nachwirkung der griechischen Philosophie die drei großen Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum, Islam in ihrer jeweiligen Phasenverschiebung sich aneinander rieben und theoretisch Gestalt annahmen. Wenn der Autor zu Beginn des Buchs also angibt, seine Untersuchung beschränke sich auf den Mittelmeerraum, dann reicht dieser von Alexandrien und Damaskus bis zum Amsterdam Spinozas. Dargestellt wird so etwas wie eine Geschichte des In-der-Welt-Seins: jene Langzeitentwicklung, in der Himmel und Erde zu einem kosmischen Ganzen sich fügten, das dem Menschen für sein Menschsein modellhaft erschien und Gegenstand nicht nur der Verehrung, auch nicht des reinen Wissens, sondern einer "Weisheit" wurde.

Ägypten und Mesopotamien kamen, so Brague, noch mit präkosmischen Weisheiten aus: Die Vielgestalt der Welt wurde bald einfach in ihren Teilen aufgezählt, bald als abstrakte organische Einheit gesetzt, die Götter, Menschen und Naturdinge gleichermaßen in sich faßt. Den entscheidenden Schritt tat die griechische Philosophie, indem sie den Menschen aus dieser Kontinuität herauslöste, als Wissenssubjekt dem Weltganzen gegenübergestellte und diesem Weltganzen erstmals einen Namen gab: "Kosmos", in der Redewendung vom "kata kosmon" früh als "gute Ordnung" etabliert.

Die Tücke solcher großräumiger Darstellung ist das drohende Abgleiten ins schematische Resümee. Brague versteht ihr, vorab im ersten, der Antike gewidmeten Teil seines Buchs, durch eine bald ins grammatikalisch Allgemeine, bald ins begriffsdramaturgisch Besondere der zitierten Texte ausgreifende Darstellung zu entgehen. Nachzuverfolgen, wie das bei Hesiod schon vorkommende Adjektiv "panta" in der Substantivierung bei Heraklit zu "ta panta" (alles) und, etwa bei Empedokles, in der Singularform zu "to pan" (das Ganze) wird, ist so spannend wie die Beobachtung des Perspektivenwechsels, der in Platons "Timaios" - laut Brague die erste Beschreibung der Wirklichkeit als vorbildlich geordnetes, sowohl gutes wie schönes Ganzes - die Welt vom Himmel her uminterpretiert und den Kosmos "uranisiert". Daß die Ordnung des Weltganzen bis übers Mittelalter hinaus eher aus der Himmelsbewegung als aus dem statischen Aufbau der irdischen Dinge erklärt wurde, ist schon bei Platon angelegt. Nachdem Sokrates von der Betrachtung des Naturganzen auf jene des menschlichen Handelns übergegangen war, wurde im "Timaios" die physische Realität der Welt wieder als vorbildliche Ordnungsinstanz für das menschliche Dasein etabliert und die Verbindung zwischen Kosmologie und Anthropologie neu geschlagen.

Die platonische Überzeugung vom Nutzen der Naturkenntnis für das menschliche Handeln weckte schon in der Antike Einspruch. Rémi Brague führt drei Gegenmodelle an. Epikur und Lukrez anerkannten den Nutzen des Naturstudiums, um die Seele zu beruhigen, leugneten aber jede Musterhaftigkeit der Natur im Sinne von "gut" oder "schlecht". Das "abrahamische Modell" der heiligen Schriften ging mit unterschiedlichen Ansätzen in Altem und Neuem Testament sowie im Koran von einer Welt aus, die zwar von einem gütigen Gott geschaffen war, die für den Menschen aber nicht die höchste Realität sein kann. Das "gnostische Modell" des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts war grundlegend antikosmisch: Die Welt mag in ihren Erscheinungsformen schön sein, in ihrer stofflichen Unbeständigkeit und Unvollkommenheit ist sie nur das Werk eines perversen oder unbeholfenen Demiurgen.

Auf dem Weg zwischen Spätantike und Mittelalter treten laut Brague das epikuräisch-atomistische und das gnostische Modell in den Hintergrund, während "Timaios" und "Abraham" eine Synthese eingehen. Das liest sich mitunter wie ein Abenteuerroman. Der durch den Einbruch der biblischen Offenbarung in die hellenisierte Kulturwelt erschütterte Weltbegriff brauchte Jahrhunderte, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen und die Zumutung eines Schöpfergottes ex nihilo zu verdauen. Ermöglicht wurde dieser Prozeß durch ein seit Ptolemäus praktisch konstant gebliebenes Weltbild der Sphären. Die obere, "supralunare" Sphäre der Welt ist bei Aristoteles und Theophrast, über Avicenna, bis zu Thomas von Aquin von so viel positivem Ordnungsüberschuß geprägt, daß das Böse hienieden nie mehr als eine Ausnahme sein kann. Das erlaubte eine Verschränkung von Kosmos und Ethos. Sein und Gutsein waren konvertierbar, schreibt Brague, auch vor der Scholastik, und das Gegensatzpaar Sein und Sollen hatte, in der Antike kaum thematisiert, eine lange Inkubationszeit bis zu seiner Ausformulierung in der Moderne.

In der Schilderung, wie dann nach Kopernikus der Kosmos ins Zufallschaos überging und das Menschsein von der himmlischen Ordnung entkoppelt wurde, erliegt das Buch schließlich doch der Schematik. Das Beobachtungsfeld verkürzt sich - zwangsläufig - aufs christlich geprägte Europa, da Islam und Byzanz die kopernikanische Wende ignorierten und das jüdische Denken wenig Interesse an Kosmologie zeigte. Was den Reiz der früheren Buchkapitel ausmachte, das Kreuzen der Kulturkreise mit unvermittelten Übergängen von Platon zu Abd al-Latif al-Baghdadi oder zu den "Lauteren Brüdern von Basra", weicht im Schlußteil der summarischen Beispielanreihung. Tatsächlich kann in Goethes "Werther", bei Hofmannsthal oder bei Dino Buzzati die Wahrnehmung derselben Naturszene je nach Stimmungs- oder Perspektivenwechsel beliebig zwischen Idylle und unerbittlichem Überlebenskampf des Kleingetiers im Gras hin und her springen, ohne höheren Sinnbezug und ohne Bezugspunkt zur Ethik. Doch was bedeutet das?

Er habe in seinen Forschungen bisher keinen Versuch gefunden, den Begriff der Welt auf der postkosmischen Grundlage neu zu denken, schreibt Brague - auch Kant und Heidegger seien kaum weitergekommen. Doch reicht für so einen Anspruch die Perspektive der Philosophie- und Religionsgeschichte vielleicht nicht ganz aus. Wir hätten heute eine immer genauere kosmographische Beschreibung der Welt, einen immer detaillierteren kosmogonischen Hypothesenkatalog über die physikalischen Ursprünge der Welt, stellt der Autor fest: Die Möglichkeit einer Kosmologie sei uns aber verloren gegangen. Dafür hätten wir um so mehr Weltanschauungen - nur kann mit diesen die Welt "uns nicht mehr behilflich sein, Menschen zu werden". Interessanter als das Ergebnis ist an diesem faszinierenden und vortrefflich übersetzten Buch der lange Weg, der dazu führte.

JOSEPH HANIMANN

Rémi Brague: "Die Weisheit der Welt". Kosmos und Welterfahrung im westlichen Denken. Aus dem Französischen von Gennaro Ghirardelli. C. H. Beck Verlag, München 2006. 381 S., geb., 29,90 [Euro].

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