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Der vierte Band der Theatergeschichte widmet sich dem Nebeneinander unterschiedlicher Positionen und künstlerischer Richtungen, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten. Das Theater entfaltete in dieser Epoche eine experimentelle Dynamik mit vielen neuen theatralen Formen und dramaturgischen Konzepten. Dabei erwies sich das Zusammenspiel von Theater und bildender Kunst als innovative Kraft. Zugleich entwickelte sich das Theater als Forum des gesellschaftlichen Wertediskurses, als Ort der Aufklärung, als Instrument ideologischer Indoktrination und politischer Agitation.
Die drei
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Produktbeschreibung
Der vierte Band der Theatergeschichte widmet sich dem Nebeneinander unterschiedlicher Positionen und künstlerischer Richtungen, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten. Das Theater entfaltete in dieser Epoche eine experimentelle Dynamik mit vielen neuen theatralen Formen und dramaturgischen Konzepten. Dabei erwies sich das Zusammenspiel von Theater und bildender Kunst als innovative Kraft. Zugleich entwickelte sich das Theater als Forum des gesellschaftlichen Wertediskurses, als Ort der Aufklärung, als Instrument ideologischer Indoktrination und politischer Agitation.

Die drei großen Theatermodelle aus den 20er und 30er Jahren sollten das Theater im 20. Jahrhundert dauerhaft inspirieren: der psychologisch verfeinerte Realismus Stanislavskijs, die grenzgängerische Theatervision Antonin Artauds, das epische Theater Bertolt Brechts. Der Band entwirft ein Bild dieser Entwicklungen.
Autorenporträt
Manfred Brauneck, Professor em. für Theaterwissenschaft, ehem. Direktor des Zentrums für Theaterforschung und Leiter des Studiengangs Schauspieltheater-Regie, Universität Hamburg
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.1996

Phädra und die Geometrie
Manfred Brauneck setzt seine Theatergeschichte Europas fort

Als vor drei Jahren der erste Band von Manfred Braunecks Theatergeschichte erschien, wurde in dieser Zeitung vermutet (siehe F. A. Z. vom 4. Juni 1994), das Opus magnum des Hamburger Theaterwissenschaftlers werde am Ende - nach dem Erscheinen des abschließenden zweiten Bandes - anderthalbtausend Seiten umfassen. Dieser Umfang ist nun mit dem ein Jahr später als geplant publizierten Band schon weit überschritten, und doch ist das Werk noch nicht abgeschlossen, ein dritter Band wird folgen. Der kleine Bruder von Heinz Kindermanns "Theatergeschichte Europas", die vor über zwanzig Jahren abgeschlossen wurde, hat sich durchaus zu einem großen Bruder ausgewachsen.

Der neue Band umfaßt das Theater des siebzehnten und des achtzehnten Jahrhunderts. Das Schauspiel steht ganz im Mittelpunkt, der Siegeszug der Oper - wiewohl dem Autor zufolge "die bedeutendste theaterkulturelle ,Erfindung' dieses Zeitraums" - wird ebenso wie das Ballett in den Hintergrund der Darstellung verlegt. Man merkt der deutschen Theaterwissenschaft halt immer noch an, daß sie - wie der Autor dieser Studie selber - aus der Germanistik stammt und mit Musik- und Tanztheater nicht allzuviel im Sinne hat.

Der Titel "Die Welt als Bühne" gewinnt für den in diesem Band behandelten Zeitraum besondere Berechtigung, hat sich doch keine Kulturepoche Europas so sehr im Zeichen des Theaters gesehen wie das Barockzeitalter. Anders dann die Signatur des Schauspiels der Aufklärung, das seinen Figuren wieder feste Bretter unterlegte, die zwar immer noch die Welt bedeuteten, aber sie weit eher real abbildeten und als "moralische Anstalt" zum Feld der Bewährung durch Vernunft machten.

Auch der zweite Band von Braunecks Theatergeschichte zeichnet sich durch vorbildliche Disposition der ausufernden Stoffmassen und übersichtliche Detailgliederung der Kapitel aus. Die Theaterkulturen aller europäischen Länder werden behandelt; Schwerpunkte sind etwa die Entwicklung der Kulissenbühne in Italien, das Theater des Siglo de oro in Spanien und des Classicisme in Frankreich oder das deutsche Schauspiel von der Aufklärung bis zur Weimarer Klassik.

Man findet praktisch fast alles, was man sucht, wenn auch hin und wieder - das ist der Nachteil der Bemühung, allem gerecht werden zu wollen - Titel-, Namen- und Datenreihungen an die Stelle eigentlicher Darstellung treten. Was da an Konkretheit fehlt, wird jedoch durch ein reizvolles Collage-Verfahren ausgeglichen: Am rechten und linken Seitenrand sind paradigmatische Zitate aus Quellen und Forschungsliteratur abgedruckt, und in den Text selber sind in reicher Fülle Abbildungen, großenteils farbig, eingefügt, welche manche verbale Ausführung ersetzen. Aufregend etwa, wie das Racine Kapitel nicht nur mit zeitgenössischen, sondern auch mit den konstruktivistischen Bühnenfigurinen zu Alexander Tairows Inszenierung der "Phädra" am Kammertheater Moskau 1922 bebildert wird, welche den geometrischen Geist der tragédie classique unvergleichlich zum Ausdruck bringen.

Es wäre schön gewesen, wenn dem kulinarischen Raffinement dieser Text-Bild-Collage die Darstellung Braunecks etwas mehr entsprochen hätte. Doch er bietet weithin trockenes Brot. Die Tugend, daß er keine eigenwilligen oder modischen Theorien entfaltet und ganz hinter dem aufbereiteten Material zurücktritt, wirft bisweilen leider den Schatten der Langeweile. Wenn etwa am Rande Norbert Elias' kultursoziologische Analysen des höfischen Zeremoniells collagiert werden, hätte man sich gewünscht, daß Brauneck ein wenig von diesen analytischen Einsichten in seine eigene Beschreibung einbezogen hätte. Doch kaum einmal erlaubt er sich einen originellen Zugriff auf das Material, immer wieder spürt man die Lieferung aus zweiter Hand ohne eigene analytische Durchdringung des Mitgeteilten. Doch wer wollte klagen: Welcher Theaterwissenschaftler verfügte über eine so universale Kompetenz, daß er zweitausend Jahre europäischer Theatergeschichte aus eigener Forscherperspektive überblicken könnte?

Ob sich viele Leser zu einer fortlaufenden Lektüre dieser Theatergeschichte entschließen werden, ist fraglich, doch als zuverlässiges Nachschlagewerk, das Theater als ästhetische Gesamterscheinung und seine Interaktion mit der Gesellschaft materialreich durch gut zwei Jahrhunderte verfolgt, hat auch dieser Band seine Meriten. Der dritte Band wird nun der Moderne gewidmet sein. Da Brauneck sich hier vielfach auf seine eigenen Forschungen stützen kann, wird er hoffentlich zu einem persönlicheren Ton finden. Dieser täte dem Unternehmen zu seinem Abschluß jedenfalls sehr gut. DIETER BORCHMEYER

Manfred Brauneck: "Die Welt als Bühne". Geschichte des europäischen Theaters. Zweiter Band. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar 1996. 1009 S., Abb., geb., Subskr.-Preis bis 31. 12. 1996 228,- DM; danach 258,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Das dicke Buch ist eine Fundgrube für Sachinformationen, daneben sind wie immer die vielen Illustrationen wertvoll." Dokumentationszentrum für Librettoforschung

"Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte nicht nur politische, soziale und ökonomische Umwälzungen bislang ungeahnten Ausmaßes, ebenso waren die Künste in einem zuvor kaum gekannten Gärungsprozess begriffen. Davon zeugt auch der vierte Band von Manfred Braunecks verdienstvoller Theatergeschichte 'Die Welt als Bühne - Geschichte des europäischen Theaters.'" Das Orchester

"Das monumentale Werk ist in der Tat einzigartig - und von Relevanz nicht nur für Theater-Interessierte." lehrerbibliothek.de

"Das streng wissenschaftliche, aber an ein breites Publikum Interessierter adressierte Buch des Direktors des Hamburger Zentrums für Theaterforschung ist flüssig geschrieben und hält sich erfreulich frei von Wissenschaftsjargon." Stuttgarter Zeitung

"Mit besonderer Ausführlichkeit wird das deutsche Theater behandelt, wobei Brauneck auch die historischen und institutionellen Rahmenbedingungen ergründet. Einen markanten Platz nimmt Max Reinhardt ein, daneben werden die diversen Bühnenzentren und -entwicklungen beleuchtet mit den Spielarten des politischen Theaters zwischen nationalsozialistischer Kulturpolitik und Bert Brecht." NZZ

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Was man nun von Manfred Braunecks groß angelegter Geschichte des europäischen Theaters, deren vierter Band hier besprochen wird, halten soll, weiß der Kritiker Hansres Jacobi offensichtlich selbst nicht so ganz. Lang und breit referiert er Aufbau und Inhalt des knapp 1000 Seiten dicken Wälzers: einen "ersten Schwerpunkt" setzt das französische Theater, "mit besonderer Ausführlichkeit" wird dann das deutsche Theater abgehandelt, wobei Max Reinhardt einen "markanten Platz" einnimmt. Ein "gebührenden Platz" hingegen wird dem Schweizer Theater eingeräumt, während die Tschechoslowakei anscheinend etwas zu kurz kommt. Dafür wird das englische Theater "etwas ausführlicher" behandelt, in angeblich "gebührender Kürze" das niederländische skizziert und schließlich mit "kräftigem Akzent" die russische beziehungsweise mit "wichtigem Akzent" die polnische Entwicklung dargestellt. Mehr ist dieser Kritik nicht zu entnehmen. Ach doch! Ein kluger Rat schließt die Inhaltsangabe: Wenn sich der Autor Brauneck schon die Mühe gemacht hat, vier Bände zu schreiben, dann wäre es doch "sinn- und verdienstvoll" auch noch einen fünften nachzuschieben. Man verstehe es als Lob.

© Perlentaucher Medien GmbH