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Diese Zusammenstellung von Augenzeugenberichten von 1755-1880 wirft ein ganz neues Bild auf das damals noch lebendige Alltagsleben der Indianer Nordamerikas. Männer und Frauen, die jahrelang mit den Indianern lebten, die freiwillig oder unfreiwillig zu "weißen Indianern" wurden oder als Missionare, Künstler oder Abenteurer das Leben der Indianer teilten, kommen hier zu Wort. Ihre Berichte umfassen alle Facetten indianischer Kultur: Liebeswerben und Hochzeitsgebräuche, Jagd und Krieg, Mythen und Begräbnisriten, Lieder, Spiele und Tänze, Heilmethoden, Kunstfertigkeiten und Bilderschrift sowie den Umgang untereinander und mit den Weißen.…mehr

Produktbeschreibung
Diese Zusammenstellung von Augenzeugenberichten von 1755-1880 wirft ein ganz neues Bild auf das damals noch lebendige Alltagsleben der Indianer Nordamerikas.
Männer und Frauen, die jahrelang mit den Indianern lebten, die freiwillig oder unfreiwillig zu "weißen Indianern" wurden oder als Missionare, Künstler oder Abenteurer das Leben der Indianer teilten, kommen hier zu Wort.
Ihre Berichte umfassen alle Facetten indianischer Kultur: Liebeswerben und Hochzeitsgebräuche, Jagd und Krieg, Mythen und Begräbnisriten, Lieder, Spiele und Tänze, Heilmethoden, Kunstfertigkeiten und Bilderschrift sowie den Umgang untereinander und mit den Weißen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.1997

Weiser Rabe, hurtige Feldmaus
Indianer und Indianerin im Auge westlicher Zeugen

Als Christoph Columbus im Jahr 1492 in Amerika landete, traf er auf eine Menschenart, die die Europäer bis heute fasziniert - die Indianer. In Abenteuergeschichten wurden sie verteufelt oder verklärt, mal waren es die "gefährlichsten Raubtiere der Wildnis", dann wiederum die "edlen Wilden", die von der Zivilisation noch unverdorben waren. Siegfried Augustin hat in dem Buch "Die Welt der Indianer in Augenzeugenberichten" zeitgenössische Schilderungen zusammengetragen, die Einblicke in die Sitten und Gebräuche der Ureinwohner Nordamerikas gewähren sollen. Die Geschichten stammen von "Weißen Indianern" - also Weißen, die gezwungenermaßen bei den Indianern gelebt haben und später Stammesmitglieder wurden - und Missionaren sowie von Wissenschaftlern, Künstlern und Abenteurern. Sie reichen von 1755 bis in die achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts.

Aus vielen der Berichte ist mehr über den damaligen Zeitgeist und die Autoren als tatsächlich über die Indianer zu lernen - wobei angemerkt sei, daß man die Bevölkerung eines so riesigen Territoriums wie Nordamerika sowieso nicht über einen Kamm scheren kann. Schließlich haben auch die Sizilianer andere Hochzeitsbräuche als die Lappen, und polnische Religiosität ist schwerlich mit der niederländischen vergleichbar. Der Missionar Johann Heckewelder zum Beispiel hatte bemerkt, daß die Ehrfurcht vor dem Alter unter Delawaren und Irokesen verbreitet war. Es paßte nicht zu anderen Schilderungen der Zeit: "Es hat Reisende gegeben, die zu behaupten gewagt haben, daß alte Leute unter den Indianern nicht nur vernachlässigt und dem Mangel preisgegeben würden, sondern daß man sie sogar, wenn sie sich selbst nicht länger helfen könnten, gänzlich aus dem Weg räumte. Ich erkläre dagegen dreist, daß wenn unter allen den Indianervölkern, mit denen ich bekannt geworden bin, irgendeiner bloß aus dem Grund einen bejahrten Mann oder bejahrte Frau töten würde, weil sie für die Gesellschaft unnütz und eine Last geworden sind, dies als ein unverzeihliches Verbrechen würde angesehen werden; der allgemeine Unwille würde dadurch erregt und der Mörder augenblicklich zu Tode gebracht werden." Beide Sitten hat es aber gegeben.

Das Gute im Indianer versucht auch Georg Heinrich Loskiel vom Orden der Mährischen Brüder hervorzuheben, wenn er schreibt: "So wenig Kultur unter den Indianern ist, so zeichnen sie sich doch in ihrem sittlichen Leben so aus, daß vielleicht kein anderes heidnisches Volk so viel Schein des Guten und der Tugend hat." Andererseits hieß es bei ihm auch: "Gegen ihre Feinde sind sie grausam und unerbittlich, und wenn sie vom Zorn übermannt werden, gehen sie gleich auf Mord und Totschlag los."

Das Bild eines dem Fremdling gegenüber höflich-zurückhaltenden Volkes der Arapaho zeichnet der Händler Friedrich Pajeken in seinen unter dem Titel "Aus dem wilden Westen Nordamerikas" herausgegebenen Skizzen: "Die Arapaho, die mich in meinen Blockhütten in den Bighorn-Mountains besuchten, pflegten gewöhnlich sofort nach ihrer Ankunft im Freien im Kreis niederzuhocken und zu rauchen. Keiner sprach dabei ein Wort, nur stieß dieser oder jener bisweilen ein Grunzen aus. War die Pfeife leergebrannt, so erhoben sich alle zu gleicher Zeit und reichten mir die Hand oder gaben mir einen leichten Schlag auf die Schulter."

Wie anders klingt dagegen die Schilderung Friedrich Strubbergs (Pseudonym: Armand) von einem Besuch, den ihm zunächst zwei junge Frauen, dann in deren Gefolge auch ein Häuptling nebst Begleitern der Mescalero-Apachen abstatten. Armand scheint dabei, offenbar von Wunschdenken beseelt, nur ein erotisches Abenteuer im Kopf zu haben, wenn er über eine der beiden Frauen schreibt: "Ihre ganze Erscheinung war voll jugendlichen Lebens, ungebändigt, wild, aber reizend und lieblich. Der dunkle Ton ihrer zarten Haut spielte aus dem Hellbraunen leicht in das Olivenfarbige und bekundete, daß unter ihr jene wärmeren Gefühle wohnten, die nur unter einer heißen Sonne geboren werden. Cachakia war jetzt die erste, die sich an mich schmiegte und mit ihrer kleinen Hand nach dem Weinglas deutete, während sie mit ihren glühenden Augen freundlich zu mir heraufsah. Sie drückten mir die Hände, schlangen ihre schönen Arme um mich und würden mir sicher auch einige Küsse gegeben haben, wenn dieses Zeichen der Zuneigung nicht den Indianern ganz fremd wäre."

Bei einer derartigen Sicht überrascht es kaum, daß die Sitten und Gebräuche der Indianer von vielen Zeitzeugen entweder gar nicht wahrgenommen oder nicht verstanden wurden. Auch das Wirken der Medizinmänner, von einigen Weißen zumindest akzeptiert, stieß bei Beobachtern wie dem Naturforscher Edwin James auf völliges Unverständnis: "Schon aus einer flüchtigen Prüfung geht hervor, daß die sogenannten Medizinmänner eine Rotte verschmitzter Betrüger sind, die zum größten Teil auf Kosten der Leichtgläubigkeit anderer leben." Hätte es nur solche Zeitzeugen gegeben, wäre es um unser Wissen, wie die Indianer früher lebten, noch schlechter bestellt, als es tatsächlich schon ist. Zum Glück gibt es aber auch die in dem Buch ebenfalls berücksichtigten Berichte von Reisenden wie Balduin Möllhausen oder Friedrich Kurz, deren Beobachtungsgabe weit schärfer ausgeprägt war. Insgesamt liefert das Buch einen interessanten, leider aber unkommentierten Überblick, wie unterschiedlich seinerzeit die Indianer von den Weißen wahrgenommen wurden. Eine Kulturgeschichte der Ureinwohner Nordamerikas kann man von den wiedergegebenen Augenzeugenberichten nicht erwarten. GÜNTER PAUL

Siegfried Augustin (Hrsg.): "Die Welt der Indianer in Augenzeugenberichten". Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, München 1997. 340 S., Abb., geb., 39,90 DM.

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