Jeder Garten ist ein Ökosystem. Selbst die Steinwüsten, die man derzeit gerne als „Vorgärten“ bezeichnet, sind nicht völlig tot, aber das sind nicht die Ökosysteme, für die sich Cynthia Nagel interessiert. Ihre Liebe gilt der Biodiversität und was sie in ihrem Garten schon alles beobachtet hat, ist
wirklich eindrucksvoll. Mit einem guten Makroobjektiv bewaffnet, macht sie Jagd auf die kleinen…mehrJeder Garten ist ein Ökosystem. Selbst die Steinwüsten, die man derzeit gerne als „Vorgärten“ bezeichnet, sind nicht völlig tot, aber das sind nicht die Ökosysteme, für die sich Cynthia Nagel interessiert. Ihre Liebe gilt der Biodiversität und was sie in ihrem Garten schon alles beobachtet hat, ist wirklich eindrucksvoll. Mit einem guten Makroobjektiv bewaffnet, macht sie Jagd auf die kleinen Besucher an Blüten, unter Laub und im Geäst und wenn sie einen gefunden hat, ist das oft der Startpunkt für eine spannende Geschichte. Aber es sind keine losgelösten, einzelne Geschichten, sondern alles ist mit allem verbunden: Die Pflanzen mit den Tieren, die Parasiten mit ihren Wirten, Schädlinge mit Nützlingen, Räuber mit ihrer Beute. Die Vielfalt ist fast unermesslich und dennoch gelingt es Cynthia Nagel, nicht nur die Übersicht zu bewahren, sondern auch ihre Leser dabei mitzunehmen. Zwar beschränkt sie sich auf die häufigen oder zumindest auffälligen Vertreter einer Gattung, aber ihre Auswahl geht weit über das hinaus, was man üblicherweise in Naturbüchern zu lesen bekommt. Mit großer Sachkenntnis und vielen Illustrationen zeigt sie die kleinen aber feinen Unterschiede, an denen man einzelne Arten erkennt und mit Erstaunen stellt man plötzlich fest, dass im eigenen Garten alleine ein halbes Dutzend verschiedener Blattlausarten leben.
Diese Vielfalt in Cynthia Nagels Garten kommt nicht von ungefähr. Sie schafft ganz gezielt Naturräume, die für viele Arten gute Lebensbedingungen bieten und dazu gehört weniger das „Insektenhotel“. Es ist eher ein pädagogisches Hilfsmittel, um Kinder an die ökologischen Zusammenhänge heranzuführen, der Biodiversität hilft so ein Häuschen nicht wirklich auf die Sprünge. Da sind Totholzhaufen, ein Gartenteich oder eine gezielt angelegte, sonnenbeschienene Freifläche für bodenbrütende Insekten viel nützlicher. Die Autorin erklärt die komplexen Zusammenhänge zwischen Nahrungsspezialisten und ihren Futterpflanzen, was sich in der Folge wieder auf Räuber und ebenso spezialisierte Parasiten auswirkt. Ihr Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf den Insekten (die auch bei weitem die größte Artenzahl im Garten liefern), aber auch Amphibien, Säugetiere, Vögel, Schnecken, Spinnen, kurz, alles was laufen oder kriechen kann, bekommt seinen angemessenen Raum.
„Die Welt in meinem Garten“ ist so ein Buch, in dem man sich festlesen kann, weil auf jeder Seite irgendeine Überraschung wartet. Und das Wunderbare ist, dass man mit unkomplizierten Maßnahmen auch im eigenen Garten Bedingungen schaffen kann, dass viele der interessanten Besucher einziehen (solange es in der Umgebung nach einen genügend großen Bestand gibt, dass sie auch einwandern können).
Kaum eine Art, die Cynthia Nagel vorstellt, ist so selten, dass es unwahrscheinlich wäre, dass man sie zu Gesicht bekommt und das ist angesichts der präsentierten Vielfalt schon erstaunlich. Wir werden unsere Natur mit unseren Gärten alleine sicher nicht retten können, aber Bücher wie dieses wecken ein Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge, das vielleicht irgendwann dazu führt, dass auch die Politik aus ihrem Dämmerschlaf erwacht und nicht nur wohlfeile Sonntagsreden hält, sondern auch etwas tut.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)