Sie wissen Bescheid über die Globalisierung? Dann wissen Sie auch, daß jährlich einige hunderttausend amerikanische Steuererklärungen in Indien erstellt werden, daß USRadiologen routinemäßig kurz vor Feierabend CT-Aufnahmen nach Australien schicken, um am nächsten Morgen die fertige Auswertung aus dem elektronischen Postfach zu nehmen, und daß Sie selber möglicherweise schon einmal, ohne es zu ahnen, in einem Callcenter angerufen haben, obwohl Sie nur einen Tisch im Restaurant reservieren wollten? Als der Pulitzer-Preisträger und »weltbeste Zeitungskolumnist« (The Independent) Thomas L. Friedman 2004 das »indische Silicon Valley« in Bangalore besuchte, begriff er, daß die Globalisierung seit der Jahrhundertwende in eine neue Phase getreten ist: Nicht mehr allein die Herstellung von Turnschuhen und T-Shirts, auch geistige Dienstleistungen werden heute dort erbracht, wo sie am wenigsten kosten. Friedmans Erkenntnis: Die Welt des 21. Jahrhunderts ist flach, der Globus eingeebnet durch die Möglichkeit, digitale Daten von beliebigen Winkeln der Erdkugel in andere zu verschicken, und zwar höchst billig und weitaus schneller, als man einen Stapel Papiere von Büro zu Büro tragen kann. Deshalb wetteifern Blogger mit Nachrichtenagenturen, deshalb haben selbst Nachhilfelehrer keinen Wettbewerbsvorteil mehr, wenn sie gleich um die Ecke wohnen – und deshalb müssen immer mehr Menschen in immer mehr Tätigkeitsbereichen auf einem globalen Arbeitsmarkt konkurrieren. Friedman folgt den Datenströmen und führt vor, wie sie die Existenz von Managern und Mittelständlern, von chinesischen Studenten und Hausfrauen in Utah entscheidend verändern. Sein Buch ist erhellend und fesselnd – lebendige Reportage und prägnante Einführung in die Dynamiken der globalen Gegenwart in einem. Die Veränderungen betreffen uns alle, egal, wo wir leben, egal, was wir tun. Wir sollten ihnen, so sein Plädoyer, mit gebotener Dringlichkeit, mit Realismus und Optimismus begegnen – er liefert das Anschauungsmaterial und die Anleitung.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.02.2007Wirtschaftsbuch
Die Welt der kurzen Wege
Nicht viele Menschen kennen Rob McEwen. Das ist vielleicht ein Fehler, denn der Chef des amerikanischen Bergbauunternehmens Goldcorp hat etwas Spektakuläres getan. Er hat eines Tages einfach alle Daten seiner Goldminen im Internet veröffentlicht. Ziemlich riskant, aber McEwen wollte wissen, wo andere Bergbauer die größten Chancen sehen, auf eine Goldader zu stoßen. Als Preisgeld lobte er 575 000 Dollar aus. McEwan tat dies, weil die Betriebskosten von Goldcorp damals zu hoch waren und die Golderträge in der Mine zu gering. McEwens Plan: Wenn er es schaffen würde, die besten Experten der Welt für die Goldsuche in Red Lake zu interessieren, könnte er sich die Ideen kluger Köpfe zunutze machen, die sich sonst nie für seine Zwecke würden einspannen lassen.
Der New-York-Times-Kolumnist und mehrfache Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman liebt solche Beispiele. Sein neues Buch ist damit bestens bestückt, und nicht nur auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos lieferte es kürzlich Stoff für Streitgespräche. Friedmans These: Die Welt wird immer flacher. Was er damit meint? „Mehr Menschen als je zuvor sind jetzt nicht nur miteinander vernetzt, sondern auch in der Lage, digitale Inhalte in Kooperation zu bearbeiten.”
Tatsächlich waren die Folgen des Goldcorp-Aufrufs überraschend: Mehr als 1400 Wissenschaftler, Ingenieure und Geologen aus 50 Ländern beteiligten sich. Gewonnen haben zwei australische Firmen. Sie legten gemeinsam virtuell die Schürfgebiete fest, ohne je einen Fuß auf das Gelände gesetzt zu haben. Der Erfolg verblüffte: Nur ein Jahr später konnte Goldcorp seine Goldfunde in der Red-Lake-Mine verzehnfachen. Und seine Helfer wurden über Nacht berühmt in der internationalen Bergbauszene.
Australier unterstützen US-Konzerne, Deutsche helfen russischen Free-Software-Projekten und indische Programmierer wickeln die Arbeit deutscher Steuerberater ab: Was in Zeiten des Eisernen Vorhangs als illusionäre Schwärmerei bezeichnet wurde, ist längst Wirklichkeit geworden, meint Friedman. Nicht einmal 20 Jahre habe die Welt gebraucht, um flach zu werden. „Zuerst fielen die Mauern, der PC trat seinen Siegeszug an, Windows öffnete die Fenster zur Welt, und so konnten mehr Menschen als je zuvor ihre eigenen Inhalte erstellen und digitalisieren.” Die von Friedman beschriebenen Entwicklungen sind bekannt: Das Internet breitete sich aus den Universitäten in die Haushalte aus, fortan konnte jeder durchs Web surfen. Und die Folge? Mehr Menschen als je zuvor können jetzt in Kontakt treten und ihr Wissen anderen zur Verfügung stellen. Möglich wurde dies durch die standardisierten Übertragungswege und Protokolle, mit denen alle Computer und Softwareanwendungen ungehindert zusammenarbeiten können. Und heute? Mehr Menschen als je zuvor bearbeiten digitale Inhalte gemeinschaftlich und parallel. In einer flachen Welt, in der jeder nur einen Klick vom anderen entfernt ist.
Friedman beschreibt die Kräfte, die dies entfacht: das Outsourcing von Arbeitsabläufen, die Verlagerung von Produktionen ins Ausland oder die Wertschöpfungsketten großer Computerhersteller. Der Amerikaner weiß, wovon er spricht. Er reiste für das Buch durch die ganze Welt und befragte Experten, wie sich die Welt im 21. Jahrhundert verändern wird. Wo immer er einen Trend vermutete, hat er sich vor Ort überzeugt. Und so bietet sein Buch eine überbordende Fülle an Beispielen, die bisher nur wenig bekannt waren. Das Ergebnis ist ein Plädoyer für die „Globalisierung 3.0”, in der sich die Menschen nicht mehr als Wölfe unter Wölfen begreifen, sondern sich gegenseitig unterstützen. Das sind neue freundliche Töne in der Globalisierungsdebatte! Peter Felixberger
Thomas L. Friedman:
Die Welt ist flach. Eine kurze
Geschichte des 21. Jahrhunderts.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2006, 712 Seiten, 26,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Die Welt der kurzen Wege
Nicht viele Menschen kennen Rob McEwen. Das ist vielleicht ein Fehler, denn der Chef des amerikanischen Bergbauunternehmens Goldcorp hat etwas Spektakuläres getan. Er hat eines Tages einfach alle Daten seiner Goldminen im Internet veröffentlicht. Ziemlich riskant, aber McEwen wollte wissen, wo andere Bergbauer die größten Chancen sehen, auf eine Goldader zu stoßen. Als Preisgeld lobte er 575 000 Dollar aus. McEwan tat dies, weil die Betriebskosten von Goldcorp damals zu hoch waren und die Golderträge in der Mine zu gering. McEwens Plan: Wenn er es schaffen würde, die besten Experten der Welt für die Goldsuche in Red Lake zu interessieren, könnte er sich die Ideen kluger Köpfe zunutze machen, die sich sonst nie für seine Zwecke würden einspannen lassen.
Der New-York-Times-Kolumnist und mehrfache Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman liebt solche Beispiele. Sein neues Buch ist damit bestens bestückt, und nicht nur auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos lieferte es kürzlich Stoff für Streitgespräche. Friedmans These: Die Welt wird immer flacher. Was er damit meint? „Mehr Menschen als je zuvor sind jetzt nicht nur miteinander vernetzt, sondern auch in der Lage, digitale Inhalte in Kooperation zu bearbeiten.”
Tatsächlich waren die Folgen des Goldcorp-Aufrufs überraschend: Mehr als 1400 Wissenschaftler, Ingenieure und Geologen aus 50 Ländern beteiligten sich. Gewonnen haben zwei australische Firmen. Sie legten gemeinsam virtuell die Schürfgebiete fest, ohne je einen Fuß auf das Gelände gesetzt zu haben. Der Erfolg verblüffte: Nur ein Jahr später konnte Goldcorp seine Goldfunde in der Red-Lake-Mine verzehnfachen. Und seine Helfer wurden über Nacht berühmt in der internationalen Bergbauszene.
Australier unterstützen US-Konzerne, Deutsche helfen russischen Free-Software-Projekten und indische Programmierer wickeln die Arbeit deutscher Steuerberater ab: Was in Zeiten des Eisernen Vorhangs als illusionäre Schwärmerei bezeichnet wurde, ist längst Wirklichkeit geworden, meint Friedman. Nicht einmal 20 Jahre habe die Welt gebraucht, um flach zu werden. „Zuerst fielen die Mauern, der PC trat seinen Siegeszug an, Windows öffnete die Fenster zur Welt, und so konnten mehr Menschen als je zuvor ihre eigenen Inhalte erstellen und digitalisieren.” Die von Friedman beschriebenen Entwicklungen sind bekannt: Das Internet breitete sich aus den Universitäten in die Haushalte aus, fortan konnte jeder durchs Web surfen. Und die Folge? Mehr Menschen als je zuvor können jetzt in Kontakt treten und ihr Wissen anderen zur Verfügung stellen. Möglich wurde dies durch die standardisierten Übertragungswege und Protokolle, mit denen alle Computer und Softwareanwendungen ungehindert zusammenarbeiten können. Und heute? Mehr Menschen als je zuvor bearbeiten digitale Inhalte gemeinschaftlich und parallel. In einer flachen Welt, in der jeder nur einen Klick vom anderen entfernt ist.
Friedman beschreibt die Kräfte, die dies entfacht: das Outsourcing von Arbeitsabläufen, die Verlagerung von Produktionen ins Ausland oder die Wertschöpfungsketten großer Computerhersteller. Der Amerikaner weiß, wovon er spricht. Er reiste für das Buch durch die ganze Welt und befragte Experten, wie sich die Welt im 21. Jahrhundert verändern wird. Wo immer er einen Trend vermutete, hat er sich vor Ort überzeugt. Und so bietet sein Buch eine überbordende Fülle an Beispielen, die bisher nur wenig bekannt waren. Das Ergebnis ist ein Plädoyer für die „Globalisierung 3.0”, in der sich die Menschen nicht mehr als Wölfe unter Wölfen begreifen, sondern sich gegenseitig unterstützen. Das sind neue freundliche Töne in der Globalisierungsdebatte! Peter Felixberger
Thomas L. Friedman:
Die Welt ist flach. Eine kurze
Geschichte des 21. Jahrhunderts.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2006, 712 Seiten, 26,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2006Amerika, Indien und China können auf das Pflegeheim Westeuropa nicht warten
Der Journalist Thomas L. Friedman wirft in seinem Bestseller die amerikanische Traumfabrik wieder an und erklärt, warum es gut ist, daß die Welt immer flacher wird
In den Augen von Thomas L. Friedman, Journalist bei der "New York Times", ist Westeuropa ein Pflegeheim. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine Siedlung mit einem hohen Zaun drum herum, drinnen sitzen Leute, die sich darüber beklagen, daß die anderen faul sind, und vor dem Zaun warten Einwanderer. Lateinamerika ist ein Vergnügungsviertel, wo man den lieben langen Vormittag in den Betten liegt. Die arabische Welt ist eine ganz düstere Gegend (es gibt Ausnahmen wie Dubai und Marokko), und das einzige, was hier immer wieder ans Tageslicht kommt, das sind neue Tankstellen, während ansonsten überall die Gitter vor den Fenstern heruntergelassen sind. Indien, China und Ostasien dagegen geht es blendend, die Märkte gedeihen, die Leute sitzen auf ihrem Hosenboden und tun was. In Afrika sind die Schotten alle dicht, nur Krankenhäuser werden gebaut.
Der Amerikaner Friedman, 53 Jahre alt, ist in der Welt herumgekommen. Im letzten Jahr erschien sein Buch "The World Is Flat" auf englisch. Es hat sich eineinhalb Millionen Mal verkauft und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Es paßt offenbar ganz gut in die Welt. Jetzt liegt es auf deutsch vor. Wird es Schwung in das Pflegeheim Westeuropa bringen?
Eines Tages hatte Friedman die Vision einer immer flacher werdenden Welt, so, wie andere Leute eines Tages die Vision eines richtigen Lebens haben. Während die Leute mit der Vision eines richtigen Lebens ihren Job (als Personalberater oder sonstwas) an den Nagel hängen und in die Berge zum Meditieren gehen, trieb Friedman seine Vision durch einige ausgewählte Gegenden (er kennt Leute in einigen Ländern, er ist bei der "New York Times" zuständig für die auswärtigen Angelegenheiten). Seine Vision hat man in einem Satz, und der lautet: Die Welt ist flach.
Über diesen einen Satz hat er ein sehr dickes Buch geschrieben, das dünner sein könnte, wenn es nur darauf angekommen wäre, zu sagen, was, wirtschaftlich aufs Ganze gesehen, los ist. Aber heutzutage kann man kein bahnbrechendes Buch über Globalisierung schreiben und sagen, man habe hier Neuland entdeckt. Daß China und Indien auf den Weltmarkt drängen - geschenkt, das steht schon in Zeitungen und Zeitschriften. Daß dabei die Kommunikationstechnologien eine entscheidende Rolle spielen - geschenkt, das kann man sich selbst denken. Neu ist vielleicht etwas anderes. Neu ist, daß die Globalisierung, welche die Welt immer flacher macht, einen erbitterten Feind gefunden hat: die islamistischen Terroristen. Am 11. September 2001 (nachdem am 9. November 1989 die große ideologische Mauer zwischen dem Westen und dem Sowjetreich gefallen war - für Kabbalisten: 9/11 und 11/9) wurde die erste ernstzunehmende Mauer in der flachen Welt wieder hochgezogen.
Friedmans Buch, das anekdotenreich von der Globalisierung durch PCs, Glasfaserkabel und Workflow-Software erzählt, ist letztendlich eine lange Rede an die amerikanische Nation, sich von dieser neuen Mauer nicht verrückt machen zu lassen. Die Terroristen, die sich aus dem Heer der durch den erfolgreichen Westen Erniedrigten rekrutieren, erreichen ihr Ziel, wenn es ihnen gelingt, das Vertrauen zu zerstören, welches die Grundlage der offenen westlichen Welt bildet - das Vertrauen in eine Welt, in der man seinen Geschäften nachgehen kann, ohne an jeder Straßenecke, auf jedem Flug mit Attentaten rechnen zu müssen. Wer weltweit Geschäfte machen möchte, muß beherzt und mit kühlem Kopf seiner Wege gehen können, statt sich daheim zu verkriechen oder, wie Präsident George Bush, blind um sich zu schlagen.
Bush hat aus einem Amerika, das die Hoffnung exportierte, ein Amerika gemacht, das die Angst in die Welt bringt. Das ist nicht nur ein totaler Imageschaden, sondern eine völlig falsche Strategie. Friedman meint, daß die Ökonomie den Frieden bringt. Keine zwei Länder, die in derselben globalen Wertschöpfungskette eingespannt seien, würden gegeneinander Krieg führen. Die islamistischen Terroristen kann der offene Westen nur aushebeln, wenn alle Länder erfolgreich Teil der einen, der flachen Welt geworden sind (die neue Welt wird sich offenbar wie ein Beruhigungsmittel der Vernunft auch in den leicht aufzuregenden muslimischen Köpfen ausbreiten).
Der Irak, Syrien, der Südlibanon, Nordkorea, Pakistan, Afghanistan und Iran, sagt Friedman, seien allesamt Länder, die nicht in der globalen Wertschöpfungskette drin sind, weshalb sie "jederzeit explodieren und die Einebnung der Welt bremsen und rückgängig machen können". Wie ehemalige schlechte Marxisten denkt auch Friedman, der dem "Kommunistischen Manifest" weitsichtige Einsichten in die Weltläufigkeit und Bewegungsfreudigkeit des Kapitals bescheinigt, daß der Überbau (die Kultur) nicht übel sein kann, wenn die Basis (Wirtschaft und Politik) erst einmal stimmt.
Die Rückständigkeit der arabisch-islamischen Welt sei nicht zu übersehen und führe bei vielen jungen Arabern zu einer "kognitiven Dissonanz": Sie glauben, im Besitz der überlegenen Religion zu sein, und sehen doch mit eigenen Augen, daß der Westen mehr auf der Pfanne hat. "Laut dem zweiten Arab Human Development Report, der 2003 im Auftrag des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen von einer Gruppe mutiger arabischer Sozialwissenschaftler verfaßt wurde", schreibt Friedman, "haben die arabischen Staaten im Zeitraum von 1980 bis 1999 171 internationale Patente hervorgebracht. Südkorea allein hat in dieser Zeitspanne 16 328 Patente registrieren lassen. Hewlett-Packard läßt täglich im Durchschnitt elf Patente eintragen . . . Im arabischen Raum kommen heute nur 18 Computer auf tausend Menschen, im Vergleich zu 78,3 im globalen Durchschnitt. Nur 1,6 Prozent der arabischen Bevölkerung verfügen über einen Internetzugang."
Friedman schiebt seine Vision der flachen Welt gleichsam der amerikanischen Außenpolitik hin - als eine Alternative zum Krieg. In die flache Welt kann doch schließlich jedes Land eintreten: Es muß nur eine dazu passende Infrastruktur bereitstellen - die Menschen brauchen einen billigen Internetzugang, sie brauchen Mobiltelefone und moderne Flughäfen, und sie brauchen ein gutes Straßennetz. Das Anwärterland soll sich um die Ausbildung seiner Bevölkerung kümmern, damit die Menschen in der Lage sind, an der flachen Welt mit Innovationen und Kooperationen teilzunehmen. Und schließlich muß dieses Land, das den Anschluß nicht verpassen will, eine gute Regierung haben, welche die Verbindung zwischen den Menschen und der flachen Welt steuert und unterstützt.
Früher, sagt Friedman, dem nicht nur Amerika, sondern auch seine Familie am Herzen liegt, früher, als er ein kleiner Junge gewesen war, haben seine Eltern ihn ständig ermahnt: Thomas, iß deinen Teller auf, in Indien und in China haben die Kinder gar nichts zu essen. Heute sagt er seinen Kindern nach dem Mittagessen (offenbar werden alle Menschen in Indien und China jetzt satt): Kinder, hört mal her, macht jetzt bitte eure Hausaufgaben, in Indien und in China sind die Menschen ganz hungrig darauf, euch die Jobs wegzunehmen. Das ist der Nachteil der flachen Welt: daß alle (alle Nichtamerikaner) an alles rankönnen - einerseits. Andererseits gibt es immer wieder noch Dinge, die der Amerikaner Friedman nicht hat, aber haben möchte.
Einmal fuhr er mit einem Freund (der Freund leitet das Büro der "New York Times" in Tokio) in einem Hochgeschwindigkeitszug von Tokio nach Mishima und kam auf der Fahrt aus dem Staunen nicht heraus. Nicht etwa, weil er aus dem Fenster schaute, sondern weil er zu seinem Freund schaute, der mit einem drahtlosen Computer online gegangen war. (Das sind wahrscheinlich Momente im Leben Friedmans, wo er sich tatsächlich zurückgesetzt fühlt.) Man braucht in Japan nur einen Computer mit Wireless Card oder ein japanisches Mobiltelefon - und schon kann man überall in Japan, ein paar Bergdörfer und Inseln ausgenommen (Loser gibt es überall), ins Internet gehen.
Die flache Welt besteht aus Angebot und Nachfrage, aus Auftraggebern und Auftragnehmern, aus Anbietern von Produkten und Dienstleistungen einerseits und Kunden andererseits. Wer deswegen heute nicht an die agilen Inder und Chinesen denkt, die vieles schneller, besser und billiger hinkriegen, der lebt hinterm Berg. Und eines möchte Friedman in seiner Vision nicht sehen: solche Berge. Die gibt es, aber da ist er nicht hingefahren. Vor den tausend Bergen, aus denen die Welt besteht, wäre er sicherlich melancholisch geworden. Ein Melancholiker, ein Pessimist möchte er aber nicht sein, weil er (und mit ihm Amerika) ins Abseits rücken würde: "Wenn wir als Gesellschaft dem Pessimismus verfallen, wenn wir aufhören, die ,Traumfabrik' der Welt zu sein, dann machen wir aus ihr nicht allein einen dunkleren, sondern auch einen ärmeren Ort." Ein Stück Traumfabrik ist sein Buch von der flachen Welt.
In dem Traum, den Amerika wirklich werden lassen muß, damit das Land wieder in die Puschen kommt, kommt eine gute Fee vor, die alles richten wird, und diese gute Fee heißt: bessere Bildung. Nur eine bessere Ausbildung bringt die Amerikaner vor den Indern und den Chinesen in Sicherheit: "Die Inder und die Chinesen jagen uns nicht aus dem Haus", ruft Friedman aufmunternd seinen Landsleuten zu, die noch im Garten dösen, "sie jagen uns die Treppe hinauf, und das tut uns gut!" Im Grunde sind Politiker dafür da, den Menschen die Augen zu öffnen, in welcher Welt sie leben. Da sie das nicht oder nur unzureichend machen, muß Friedman jetzt ran. Der Mann hat eine Mission.
Familien der indischen Mittelschicht halten ihre Kinder dazu an, Ingenieure oder Ärzte zu werden. Friedman sieht schwarz, wenn er auf Amerika schaut. "Was die Zahl der Amerikaner im Alter von 18 bis 24 mit einem naturwissenschaftlichen Abschluß angeht", schreibt er und verweist dabei auf einen Bericht des National Science Board, "rangieren die Vereinigten Staaten weltweit auf Platz 17; vor drei Jahren lagen wir auf dem dritten Platz. Von den 2,8 Millionen Bachelor-Abschlüssen, die 2003 weltweit vergeben wurden, entfielen 1,2 Millionen auf asiatische, 830 000 auf europäische und 400 000 auf amerikanische Universitäten. In den Ingenieurswissenschaften vergeben asiatische Universitäten heute achtmal so viele Bachelor-Abschlüsse wie die Universitäten in den Vereinigten Staaten." Von wegen Theologie studieren!
Friedmans flache Welt sieht aus wie der kleinste gemeinsame Nenner einer völlig entkernten Weltbevölkerung, die nur aus Produktanbietern und Kunden besteht. Am besten wird es sein, sie sprechen alle Englisch. Mit dieser optimistischen Vision die Welt von Amerika her aufrollen - die Aussicht macht einen platt. Es kann nicht sein, daß man die Welt nur so sehen muß, wie Friedman sie sieht, denn dann wäre man schon ein Teil der flachen Welt geworden.
Andrzej Stasiuk zum Beispiel, von dem Friedman wahrscheinlich nie etwas gehört hat und nie etwas hören wird (obwohl die beiden im selben deutschen Verlag verlegt werden), der polnische Dichter Andrzej Stasiuk (Jahrgang 1960) macht glücklicherweise das ganze Jahr nichts anderes, als jene weiten Gegenden aufzusuchen und zu beschreiben, die noch nicht Teil der flachen Welt geworden sind und, allein wenn es nach ihm ginge, auch niemals ein Teil der flachen Welt werden - es gibt in diesen verlassenen Gegenden nichts für den Markt zu holen. Stasiuk ist ein Melancholiker und lebt hinter den Bergen ("Hinter Dukla", wie einer seiner schönsten, traurigsten Romane heißt) - hinter den Bergen, die Friedman nicht sehen will. Wir sagen das hier zum Schluß nur, damit das nicht vergessen wird auf der flachen Friedman-Welt.
EBERHARD RATHGEB
Thomas L. Friedman: "Die Welt ist flach". Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts. Aus dem Englischen von Michael Bayer, Hans Freudl und Thomas Pfeiffer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 712 S., geb., 26,80 .
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Journalist Thomas L. Friedman wirft in seinem Bestseller die amerikanische Traumfabrik wieder an und erklärt, warum es gut ist, daß die Welt immer flacher wird
In den Augen von Thomas L. Friedman, Journalist bei der "New York Times", ist Westeuropa ein Pflegeheim. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine Siedlung mit einem hohen Zaun drum herum, drinnen sitzen Leute, die sich darüber beklagen, daß die anderen faul sind, und vor dem Zaun warten Einwanderer. Lateinamerika ist ein Vergnügungsviertel, wo man den lieben langen Vormittag in den Betten liegt. Die arabische Welt ist eine ganz düstere Gegend (es gibt Ausnahmen wie Dubai und Marokko), und das einzige, was hier immer wieder ans Tageslicht kommt, das sind neue Tankstellen, während ansonsten überall die Gitter vor den Fenstern heruntergelassen sind. Indien, China und Ostasien dagegen geht es blendend, die Märkte gedeihen, die Leute sitzen auf ihrem Hosenboden und tun was. In Afrika sind die Schotten alle dicht, nur Krankenhäuser werden gebaut.
Der Amerikaner Friedman, 53 Jahre alt, ist in der Welt herumgekommen. Im letzten Jahr erschien sein Buch "The World Is Flat" auf englisch. Es hat sich eineinhalb Millionen Mal verkauft und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Es paßt offenbar ganz gut in die Welt. Jetzt liegt es auf deutsch vor. Wird es Schwung in das Pflegeheim Westeuropa bringen?
Eines Tages hatte Friedman die Vision einer immer flacher werdenden Welt, so, wie andere Leute eines Tages die Vision eines richtigen Lebens haben. Während die Leute mit der Vision eines richtigen Lebens ihren Job (als Personalberater oder sonstwas) an den Nagel hängen und in die Berge zum Meditieren gehen, trieb Friedman seine Vision durch einige ausgewählte Gegenden (er kennt Leute in einigen Ländern, er ist bei der "New York Times" zuständig für die auswärtigen Angelegenheiten). Seine Vision hat man in einem Satz, und der lautet: Die Welt ist flach.
Über diesen einen Satz hat er ein sehr dickes Buch geschrieben, das dünner sein könnte, wenn es nur darauf angekommen wäre, zu sagen, was, wirtschaftlich aufs Ganze gesehen, los ist. Aber heutzutage kann man kein bahnbrechendes Buch über Globalisierung schreiben und sagen, man habe hier Neuland entdeckt. Daß China und Indien auf den Weltmarkt drängen - geschenkt, das steht schon in Zeitungen und Zeitschriften. Daß dabei die Kommunikationstechnologien eine entscheidende Rolle spielen - geschenkt, das kann man sich selbst denken. Neu ist vielleicht etwas anderes. Neu ist, daß die Globalisierung, welche die Welt immer flacher macht, einen erbitterten Feind gefunden hat: die islamistischen Terroristen. Am 11. September 2001 (nachdem am 9. November 1989 die große ideologische Mauer zwischen dem Westen und dem Sowjetreich gefallen war - für Kabbalisten: 9/11 und 11/9) wurde die erste ernstzunehmende Mauer in der flachen Welt wieder hochgezogen.
Friedmans Buch, das anekdotenreich von der Globalisierung durch PCs, Glasfaserkabel und Workflow-Software erzählt, ist letztendlich eine lange Rede an die amerikanische Nation, sich von dieser neuen Mauer nicht verrückt machen zu lassen. Die Terroristen, die sich aus dem Heer der durch den erfolgreichen Westen Erniedrigten rekrutieren, erreichen ihr Ziel, wenn es ihnen gelingt, das Vertrauen zu zerstören, welches die Grundlage der offenen westlichen Welt bildet - das Vertrauen in eine Welt, in der man seinen Geschäften nachgehen kann, ohne an jeder Straßenecke, auf jedem Flug mit Attentaten rechnen zu müssen. Wer weltweit Geschäfte machen möchte, muß beherzt und mit kühlem Kopf seiner Wege gehen können, statt sich daheim zu verkriechen oder, wie Präsident George Bush, blind um sich zu schlagen.
Bush hat aus einem Amerika, das die Hoffnung exportierte, ein Amerika gemacht, das die Angst in die Welt bringt. Das ist nicht nur ein totaler Imageschaden, sondern eine völlig falsche Strategie. Friedman meint, daß die Ökonomie den Frieden bringt. Keine zwei Länder, die in derselben globalen Wertschöpfungskette eingespannt seien, würden gegeneinander Krieg führen. Die islamistischen Terroristen kann der offene Westen nur aushebeln, wenn alle Länder erfolgreich Teil der einen, der flachen Welt geworden sind (die neue Welt wird sich offenbar wie ein Beruhigungsmittel der Vernunft auch in den leicht aufzuregenden muslimischen Köpfen ausbreiten).
Der Irak, Syrien, der Südlibanon, Nordkorea, Pakistan, Afghanistan und Iran, sagt Friedman, seien allesamt Länder, die nicht in der globalen Wertschöpfungskette drin sind, weshalb sie "jederzeit explodieren und die Einebnung der Welt bremsen und rückgängig machen können". Wie ehemalige schlechte Marxisten denkt auch Friedman, der dem "Kommunistischen Manifest" weitsichtige Einsichten in die Weltläufigkeit und Bewegungsfreudigkeit des Kapitals bescheinigt, daß der Überbau (die Kultur) nicht übel sein kann, wenn die Basis (Wirtschaft und Politik) erst einmal stimmt.
Die Rückständigkeit der arabisch-islamischen Welt sei nicht zu übersehen und führe bei vielen jungen Arabern zu einer "kognitiven Dissonanz": Sie glauben, im Besitz der überlegenen Religion zu sein, und sehen doch mit eigenen Augen, daß der Westen mehr auf der Pfanne hat. "Laut dem zweiten Arab Human Development Report, der 2003 im Auftrag des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen von einer Gruppe mutiger arabischer Sozialwissenschaftler verfaßt wurde", schreibt Friedman, "haben die arabischen Staaten im Zeitraum von 1980 bis 1999 171 internationale Patente hervorgebracht. Südkorea allein hat in dieser Zeitspanne 16 328 Patente registrieren lassen. Hewlett-Packard läßt täglich im Durchschnitt elf Patente eintragen . . . Im arabischen Raum kommen heute nur 18 Computer auf tausend Menschen, im Vergleich zu 78,3 im globalen Durchschnitt. Nur 1,6 Prozent der arabischen Bevölkerung verfügen über einen Internetzugang."
Friedman schiebt seine Vision der flachen Welt gleichsam der amerikanischen Außenpolitik hin - als eine Alternative zum Krieg. In die flache Welt kann doch schließlich jedes Land eintreten: Es muß nur eine dazu passende Infrastruktur bereitstellen - die Menschen brauchen einen billigen Internetzugang, sie brauchen Mobiltelefone und moderne Flughäfen, und sie brauchen ein gutes Straßennetz. Das Anwärterland soll sich um die Ausbildung seiner Bevölkerung kümmern, damit die Menschen in der Lage sind, an der flachen Welt mit Innovationen und Kooperationen teilzunehmen. Und schließlich muß dieses Land, das den Anschluß nicht verpassen will, eine gute Regierung haben, welche die Verbindung zwischen den Menschen und der flachen Welt steuert und unterstützt.
Früher, sagt Friedman, dem nicht nur Amerika, sondern auch seine Familie am Herzen liegt, früher, als er ein kleiner Junge gewesen war, haben seine Eltern ihn ständig ermahnt: Thomas, iß deinen Teller auf, in Indien und in China haben die Kinder gar nichts zu essen. Heute sagt er seinen Kindern nach dem Mittagessen (offenbar werden alle Menschen in Indien und China jetzt satt): Kinder, hört mal her, macht jetzt bitte eure Hausaufgaben, in Indien und in China sind die Menschen ganz hungrig darauf, euch die Jobs wegzunehmen. Das ist der Nachteil der flachen Welt: daß alle (alle Nichtamerikaner) an alles rankönnen - einerseits. Andererseits gibt es immer wieder noch Dinge, die der Amerikaner Friedman nicht hat, aber haben möchte.
Einmal fuhr er mit einem Freund (der Freund leitet das Büro der "New York Times" in Tokio) in einem Hochgeschwindigkeitszug von Tokio nach Mishima und kam auf der Fahrt aus dem Staunen nicht heraus. Nicht etwa, weil er aus dem Fenster schaute, sondern weil er zu seinem Freund schaute, der mit einem drahtlosen Computer online gegangen war. (Das sind wahrscheinlich Momente im Leben Friedmans, wo er sich tatsächlich zurückgesetzt fühlt.) Man braucht in Japan nur einen Computer mit Wireless Card oder ein japanisches Mobiltelefon - und schon kann man überall in Japan, ein paar Bergdörfer und Inseln ausgenommen (Loser gibt es überall), ins Internet gehen.
Die flache Welt besteht aus Angebot und Nachfrage, aus Auftraggebern und Auftragnehmern, aus Anbietern von Produkten und Dienstleistungen einerseits und Kunden andererseits. Wer deswegen heute nicht an die agilen Inder und Chinesen denkt, die vieles schneller, besser und billiger hinkriegen, der lebt hinterm Berg. Und eines möchte Friedman in seiner Vision nicht sehen: solche Berge. Die gibt es, aber da ist er nicht hingefahren. Vor den tausend Bergen, aus denen die Welt besteht, wäre er sicherlich melancholisch geworden. Ein Melancholiker, ein Pessimist möchte er aber nicht sein, weil er (und mit ihm Amerika) ins Abseits rücken würde: "Wenn wir als Gesellschaft dem Pessimismus verfallen, wenn wir aufhören, die ,Traumfabrik' der Welt zu sein, dann machen wir aus ihr nicht allein einen dunkleren, sondern auch einen ärmeren Ort." Ein Stück Traumfabrik ist sein Buch von der flachen Welt.
In dem Traum, den Amerika wirklich werden lassen muß, damit das Land wieder in die Puschen kommt, kommt eine gute Fee vor, die alles richten wird, und diese gute Fee heißt: bessere Bildung. Nur eine bessere Ausbildung bringt die Amerikaner vor den Indern und den Chinesen in Sicherheit: "Die Inder und die Chinesen jagen uns nicht aus dem Haus", ruft Friedman aufmunternd seinen Landsleuten zu, die noch im Garten dösen, "sie jagen uns die Treppe hinauf, und das tut uns gut!" Im Grunde sind Politiker dafür da, den Menschen die Augen zu öffnen, in welcher Welt sie leben. Da sie das nicht oder nur unzureichend machen, muß Friedman jetzt ran. Der Mann hat eine Mission.
Familien der indischen Mittelschicht halten ihre Kinder dazu an, Ingenieure oder Ärzte zu werden. Friedman sieht schwarz, wenn er auf Amerika schaut. "Was die Zahl der Amerikaner im Alter von 18 bis 24 mit einem naturwissenschaftlichen Abschluß angeht", schreibt er und verweist dabei auf einen Bericht des National Science Board, "rangieren die Vereinigten Staaten weltweit auf Platz 17; vor drei Jahren lagen wir auf dem dritten Platz. Von den 2,8 Millionen Bachelor-Abschlüssen, die 2003 weltweit vergeben wurden, entfielen 1,2 Millionen auf asiatische, 830 000 auf europäische und 400 000 auf amerikanische Universitäten. In den Ingenieurswissenschaften vergeben asiatische Universitäten heute achtmal so viele Bachelor-Abschlüsse wie die Universitäten in den Vereinigten Staaten." Von wegen Theologie studieren!
Friedmans flache Welt sieht aus wie der kleinste gemeinsame Nenner einer völlig entkernten Weltbevölkerung, die nur aus Produktanbietern und Kunden besteht. Am besten wird es sein, sie sprechen alle Englisch. Mit dieser optimistischen Vision die Welt von Amerika her aufrollen - die Aussicht macht einen platt. Es kann nicht sein, daß man die Welt nur so sehen muß, wie Friedman sie sieht, denn dann wäre man schon ein Teil der flachen Welt geworden.
Andrzej Stasiuk zum Beispiel, von dem Friedman wahrscheinlich nie etwas gehört hat und nie etwas hören wird (obwohl die beiden im selben deutschen Verlag verlegt werden), der polnische Dichter Andrzej Stasiuk (Jahrgang 1960) macht glücklicherweise das ganze Jahr nichts anderes, als jene weiten Gegenden aufzusuchen und zu beschreiben, die noch nicht Teil der flachen Welt geworden sind und, allein wenn es nach ihm ginge, auch niemals ein Teil der flachen Welt werden - es gibt in diesen verlassenen Gegenden nichts für den Markt zu holen. Stasiuk ist ein Melancholiker und lebt hinter den Bergen ("Hinter Dukla", wie einer seiner schönsten, traurigsten Romane heißt) - hinter den Bergen, die Friedman nicht sehen will. Wir sagen das hier zum Schluß nur, damit das nicht vergessen wird auf der flachen Friedman-Welt.
EBERHARD RATHGEB
Thomas L. Friedman: "Die Welt ist flach". Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts. Aus dem Englischen von Michael Bayer, Hans Freudl und Thomas Pfeiffer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 712 S., geb., 26,80 .
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ruth Fühner erkennt in den Argumenten Thomas L. Friedmans, der sich in seinem jüngsten Buch mit den Problemen der Globalisierung beschäftigt, mehr Klugheit und Überzeugungskraft, als ihm von seinen deutschen Kritikern gemeinhin zugebilligt wird. Seine Diagnose einer globalen Umverteilung von Wohlstand und Know-how sei zwar nicht wirklich neu, als fesselnd aber lobt die Rezensentin die Beispiele, mit denen sich der amerikanische Autor der wirtschaftlichen Entwicklung in China und Indien zuwendet. Wiewohl sich Friedman als "Ökonomist" zeigt, der der Globalisierung verbindende und ausgleichende Qualitäten zurechnet, ist er alles andere als "naiv" und behält auch die dunkle Seite der globalen Entwicklung im Blick, erkennt Fühner an. Der Autor mache sich deshalb für eine Kritik an der Globalisierung stark, die nicht Einschränkungen predigt, sondern sich für "kluge Partizipationsstrategien" stark macht, resümiert die Rezensentin zustimmend.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Friedmans Einblicke beschränken sich nicht auf spannende Details. Er hat das große Ganze im Griff und hilft dem Leser, die vielen Details einzuordnen. « DIE ZEIT