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Dirk Eckert jagt als "Wahlmittenwalder" und fanatischer Sammler von "Werdenfelser Larven" schon seit langem den Holzmasken dieser Region nach. Doch die wirklich wertvollen Stück sind schwer zu finden. Selbst in den Museen sind sie äußerst selten anzutreffen, denn die meisten der sehr alten Larven haben eine bewegte Geschichte hinter sich. Für gewöhnlich verlassen solche Stücke nie mehr das Haus. Viele der durch den Autor in den privaten Stuben fotografierten Larven hat schon Jahrzehnte lang niemand mehr "zu Gesicht" bekommen und sie galten zum Teil schlichtweg als verschollen. Neben diesen…mehr

Produktbeschreibung
Dirk Eckert jagt als "Wahlmittenwalder" und fanatischer Sammler von "Werdenfelser Larven" schon seit langem den Holzmasken dieser Region nach. Doch die wirklich wertvollen Stück sind schwer zu finden. Selbst in den Museen sind sie äußerst selten anzutreffen, denn die meisten der sehr alten Larven haben eine bewegte Geschichte hinter sich. Für gewöhnlich verlassen solche Stücke nie mehr das Haus. Viele der durch den Autor in den privaten Stuben fotografierten Larven hat schon Jahrzehnte lang niemand mehr "zu Gesicht" bekommen und sie galten zum Teil schlichtweg als verschollen. Neben diesen Larvenportraits ist der vorliegende Band die umfangreichste Zusammenstellung aller schriftlichen Quellen, Erzählungen und historischen Fotos rund um die "Werdenfelser Fasnacht."
Autorenporträt
Dirk Eckert, geboren 1968 in Traunstein, studierte in München Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Marketing und Markt- & Werbepsychologie; arbeitete dann beim Bayrischen Rundfunk, ProSieben, BMG Ariola München und mehreren New-Media Agenturen. Heute lebt er mit seiner Familie als freier Graphiker und Illustrator in Herrsching am Ammersee.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.02.2016

Archaische Maschkera
In Prunksitzungen und Schunkelseligkeit erkennen viele den Karneval. Doch die wahren Mysterien des Faschings zeigen sich im Werdenfelser
Land. Hinter kunstvollen Masken verborgen, machen sich die Menschen über die Obrigkeit lustig. Und schlagen gerne über die Stränge
VON HANS KRATZER
München – Ausschweifungen, Schlägereien und eine hilflose Polizei haben die Silvesternacht in Deutschland geprägt und die Öffentlichkeit heftig erschüttert. Und doch sind diese Exzesse kein neues Phänomen. Schon 1865 sah zum Beispiel der Garmischer Magistrat an den Faschingstagen die öffentliche Ruhe und Sicherheit nicht mehr gewährleistet. „Die Gendarmen werden ausgepfiffen, verlacht, verhöhnt und verspottet“, heißt es in einem Bericht, „die Rotte zerstäubt sich eilends, erkannt wurde keiner und so haben die geärgerten Polizei-Organe oder sonst Beleidigten einfach das Nachsehen.“ Die Parallelen zu den Vorfällen in Köln sind frappierend.
  In den Faschingshochburgen sehen nun viele mit Bangen den närrischen Tagen entgegen, die als Teil der deutschen Kultur selbst für Einheimische nicht immer leicht zu verstehen sind. Trotzdem versucht die Polizei wenigstens den Flüchtlingen das Wesen der Fastnacht zu erklären, etwa dass freizügige Kleidung und fröhliches Feiern keine Aufforderung zu Intimitäten seien. Man sieht allein daran, welches Mysterium dem Karneval und dem Fasching innewohnt, ein Geheimnis, das durch biedere Prunksitzungen, Schunkelseligkeit und Büttenkäse oberflächlich verdeckt wird. In Wirklichkeit handelt es sich um eine archaische Angelegenheit, deren Kern aber nur noch selten zu erkennen ist.
  Wer sich dem wahren Wesen des Faschings nähern will, sollte deshalb das Werdenfelser Land besuchen, jenen oberbayerischen Landstrich zwischen Mittenwald, Garmisch-Partenkirchen und Farchant, der sich schon sprachlich durch eine kehlige Variante des Südbairischen stark vom Rest der Republik unterscheidet. Deshalb maskieren sich die Menschen in dieser Gegend auch nicht, sondern sie „gehen Maschkera“. Vor allem setzen sie dabei die für diese Region typischen, kunstvoll geschnitzten Masken auf, die an den venezianischen Karneval erinnern, auch wenn sie oft derber und volkstümlicher wirken.
  Um archaische Faschingsriten und Masken zu erleben, muss man also nicht nach Afrika oder in die Südsee reisen, hat der Autor Dirk Eckert festgestellt, der lange Zeit afrikanische Masken gesammelt hat. Bis er eines Tages die Werdenfelser Fasnacht kennenlernte, die ihn sofort in ihren Bann zog. Seit vielen Jahrhunderten verstecken sich dort erwachsene Männer hinter Masken, um eigenartige Rituale zu pflegen, die noch immer nicht dem Diktat des Tourismus unterliegen. Das herausragende Element dieser Handlungen sind die hölzernen Larven, die sich in der Regel seit Generationen im Familienbesitz befinden.
  Eckert, der sich selber als Faschingsmuffel bezeichnet, hat soeben ein schwergewichtiges Buch zu diesen Masken vorgelegt, das aufzeigt, wie tief deren Geschichte in die Geheimnisse menschlicher Verhaltensweisen und der Psychologie hineinreicht. Es ist freilich nicht leicht, an die Masken heranzukommen. Die kostbarsten Stücke, insbesondere die berühmten „Kirchenlarven“, werden nämlich als Familienschätze strengstens gehütet. Selbst in Museen sind sie nur selten zu finden, weshalb bei den Abbildungen im Buch so manche kleine Sensation zu entdecken ist.
  Die Larven haben den Zweck, Anonymität herzustellen. Eckert definiert die Fasnacht als anarchischen Freiraum, in dem die Welt auf den Kopf gestellt wird. „Die Anonymität an Fasnacht hatte eine Ventilfunktion“, sagt er, „einmal im Jahr konnte man in Zeiten ohne Meinungsfreiheit all das loswerden, was sich angestaut hatte.“ Geschützt durch die Maske, durften die Menschen also ungestraft Luft ablassen gegenüber der Obrigkeit. Und nicht nur das: In der Fasnacht wurde gerauft, es gab Ausschweifungen sexueller Art, es wurde getanzt, es wurde sehr viel getrunken.
  Die Werdenfelser Pfleger, welche die weltliche Gerichtsbarkeit ausübten, hatten die soziale Reinigungsfunktion der Fasnacht bald erkannt. Sie wussten: Durften die Menschen einmal im Jahr die Sau rauslassen, ließ sich in der restlichen Zeit leichter Ruhe herstellen. Während sie die Fasnacht unterstützten, wetterten die Pfarrer unablässig gegen das unzüchtige Verhalten des Faschingsvolks – jedoch ohne Erfolg. „Die Menschen haben ihre Fasnacht mit Zähnen und Klauen verteidigt“, sagt Eckert, der in den Akten den Fall eines Pfarrers entdeckte, der seinen Widerstand sogar mit dem Leben bezahlte. Nicht einmal die Nazis schafften es, die Faschingsriten in ihrem Sinne umzuformatieren.
  Wer den Faschingsendspurt im Werdenfelser Land erleben will, sollte sich freilich vor allzu großer Nähe zu den Maschkera und Schellenrührern hüten. Einen Maschkera zu berühren, steht nämlich unter strenger Strafe. Alte Garmisch-Partenkirchener erinnern sich an regelrechte Maschkera-Schlachten in alten Zeiten. Dabei wirkt allein schon der Lärm, den die Schellenrührer mit ihren umgebundenen Kuhglocken erzeugen, infernalisch. Früher, als die Welt noch nicht so laut war wie heute, glaubte man, damit böse Geister zu vertreiben. Das damit einhergehende Winteraustreiben hat sich eh erübrigt.
Dirk Eckert: Die Werdenfelser Fasnacht und ihre Larven, 432 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Volk Verlag, 49,90 Euro.
Nicht einmal die Nazis
schafften es, die alten Riten
umzuformatieren
Fliegender Maschkera, der sich durch das eingeschränkte Gesichtsfeld der Maske nicht beirren lässt (links). Daneben die bunte Gesellschaft einer Farchanter Fasnachtshochzeit.
Fotos: Clausing; Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen / Jänicke; Privatarchiv Eckert
Es gibt viele Formen von Masken: Männerlarven, Geigenbauerlarven,
Schellenrührerlarven und Schweizer-Seppl-Larven. Auch hinter den Weiberlarven verbergen sich ausschließlich Männer. Manchmal sind sie realen Gesichtern nachempfunden.
Fotos: Volk Verlag
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