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Hamster, Hedgefonds und die Weltrevolution Niemand würde Serge und Clara ohne weiteres für Geschwister halten. Sie haben kaum Gemeinsamkeiten, doch die zusammen durchlittene Kindheit in einer Hippiekommune im Norden Englands - Batiktücher, Gemüseanbau, freie Liebe - hat sie für immer zusammengeschweißt. Jetzt kommen ihre Eltern, Marcus und Doro, auf den glorreichen Gedanken, nach Jahrzehnten des unehelichen Zusammenlebens nun doch noch zu heiraten. Nicht zuletzt wegen Oolie-Anna, der jüngsten Tochter mit Down-Syndrom. Ein Wirbel skurriler Ereignisse ist die Folge. Und Serge hat ein Geheimnis,…mehr

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Produktbeschreibung
Hamster, Hedgefonds und die Weltrevolution
Niemand würde Serge und Clara ohne weiteres für Geschwister halten. Sie haben kaum Gemeinsamkeiten, doch die zusammen durchlittene Kindheit in einer Hippiekommune im Norden Englands - Batiktücher, Gemüseanbau, freie Liebe - hat sie für immer zusammengeschweißt. Jetzt kommen ihre Eltern, Marcus und Doro, auf den glorreichen Gedanken, nach Jahrzehnten des unehelichen Zusammenlebens nun doch noch zu heiraten. Nicht zuletzt wegen Oolie-Anna, der jüngsten Tochter mit Down-Syndrom. Ein Wirbel skurriler Ereignisse ist die Folge. Und Serge hat ein Geheimnis, das die weltverbessernde Familie nie erfahren darf: Er hat seine Promotion in Cambridge geschmissen und will in London als Investmentbanker das ganz große Geld machen. Doch die Welt der Banken gerät ins Wanken ...
Autorenporträt
Marina Lewycka wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Kind ukrainischer Eltern in einem Flüchtlingslager in Kiel geboren und wuchs in England auf. Sie lebt in Sheffield und unterrichtet an der Sheffield Hallam University. Ihr erster Roman 'Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch' wurde zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte, eroberte die internationalen Bestsellerlisten, wurde in 33 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Marina Lewycka gilt als eine der wichtigsten und populärsten englischen Autorinnen der Gegenwart.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2013

Hebammen des Sozialismus

Die Britin Marina Lewycka ist eine komische und politische Autorin. In ihrem neuen Roman geht es um das Bankenwesen und die soziale Ungerechtigkeit. Er bezieht seine Komik aus allerlei Kontrasten, Konflikten und Kuriositäten.

Die Konstellation ist witzig: Ein alterndes Hippie-Paar überrascht die eigenen Kinder mit der Ankündigung, nach vierzig Jahren freier Liebe nun endlich in den repressiven Stand der Ehe treten zu wollen. Sie denken an ein Fest mit weit schwingenden Paillettenröcken und vielen Ehemaligen ihrer Kommune Solidarity Hall, in der einst das Geld, das Gemüse und die Partner eifersüchtig geteilt wurden. Doch die erwachsenen Kinder Clara und Serge haben ganz andere Sorgen. Der mathematisch begabte Sohn hat seine Doktorarbeit abgebrochen und ist heimlich als quantitativer Analyst bei einer internationalen Investmentbank tätig. Seine vor lauter Vernunft leicht verbitterte Schwester versucht als Lehrerin Ordnung in die soziale Unterschicht von Doncaster zu bringen.

Marina Lewycka ist eine erfolgreiche britische Autorin. Ihren Ruf als große Humoristin mit Blick für gesellschaftliche Realitäten verdankt sie vor allem ihrem temperamentvollen Debütroman "Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch". Er erschien 2005 kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag und wurde in dreiunddreißig Sprachen übersetzt. Bis dahin hatte die nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Flüchtlingslager in Kiel geborene und dann in England aufgewachsene Marina Lewycka als Dozentin an der Sheffield Hallam University gearbeitet und ohne öffentliche Resonanz geschrieben.

Die Komik ihres neuen Buchs entsteht durch Kontraste: mache zart, manche grell, meist zwischen Achtundsechzigeridealen und der herben Wirklichkeit. Einige liegen in der Vergangenheit und führen in die fleckige Küche von Solidarity Hall mitten ins Getümmel des Kommunelebens. Dort kämpfte man in nächtlichen Debatten an der Seite des Proletariats - "Bergarbeiter sind die Hebammen des Sozialismus" - und half rotmähnigen Frauen bei ihrer sexuellen Befreiung. Das revolutionäre Lebenskonzept mündet in eine Gegenwart, in der man beim Abwaschen wieder Schürze trägt. Aus dem "Zurück zur Natur" ist der Kampf um eine Schrebergartenkolonie geworden, für deren Erhalt "Genossen! Bürger von Doncaster! Kleingärtner der Welt" vor dem Rathaus mit der Parole "Gurken statt Gier" demonstrieren. Es ist ein aussichtsloser Kampf in einer süffisanten Satire.

Marina Lewycka wird in England nicht nur als komische, sondern auch als politische Autorin gelesen. Neben zahlreichen Preisen, die sie erhalten hat, war ihr zweiter Roman für den Orwell-Preis gelistet. So ist es konsequent, dass sie sich auch in ihrem neuen Buch großen Themen zuwendet: dem Bankenwesen und der sozialen Ungleichheit. Im Verlauf der Lektüre wird immer klarer, wozu die kühne Familienkonstellation mit ihrem Klamauk, ihren Konflikten und Kuriositäten auch dient: Die im steten Wechsel der Perspektive erzählten Geschichten der Kinder rehabilitieren zuletzt die brüchigen Ideale der Eltern.

Denn Sohn Serge stellt seine mathematischen Fähigkeiten samt Fibonacci-Folge und Gauß-Kurve zwar zunächst in den Dienst des Risikomanagements seiner Bank und nutzt sie für den Minnedienst an einer angebeteten Kollegin. Aber während der Bankenkrise im Jahr 2008 zeigt sich ihm hinter der bildschönen Fassade seiner Freundin die Fratze des Kapitalismus mit ihren bekannten Zügen: Gier, Selbstüberschätzung, bodenlose Lust am Risiko. Marina Lewycka hat gründlich recherchiert, um den Zusammenhang von Mathematik und Spekulation fachgerecht handhaben zu können. Aber die Analysekraft bleibt trotz allem schwach, und wie sollte es bei einem Gegenstand, der weite Teile von Politik und Wirtschaftswelt ratlos lässt, auch anders sein? Vom Finanzkrisenroman, in London mit John Lanchesters "Kapital" und Paul Tordays "Charlie Summers" naturgemäß verbreiteter als bei uns, können wir keine letzten Erklärungen verlangen, aber eine Darstellung, die Widersprüche und Folgen ökonomischen Handelns überzeugend gestaltet.

Marina Lewycka versucht dies mit Witz und wechselndem Blickwinkel. Denn sie stellt dem verführbaren Serge in seinem Ermenegildo-Zegna-Anzug seine moralisch viel bessere Schwester gegenüber. Aber die Charaktere und Lebensweisen geraten selbst für einen komischen Roman zu stereotyp. Kaum hat sich Serge verspekuliert, werden die Eltern der Kinder der Klassenlehrerin Clara arbeitslos. Sie übernimmt die mühsamen gesellschaftlichen Aufräumarbeiten und sortiert den Plastikmüll. Niemand lebt für sich allein.

Das denkt auch ihre Mutter, die warmherzige Kommunardin und späte Braut, wenn sie auf ihr Leben seit den sechziger Jahren zurückblickt. Ihre wilden Erinnerungen und schnellen Gedanken über das Alter, die Männer, über Verantwortung und die Frauen sind der Reiz des neuen Buchs von Marina Lewycka, das die Klasse ihres ersten nicht erreicht. Dieser Roman verband in berückender Weise die Komik einer skurrilen Familie mit dem Ernst der europäischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, mit dem historischen Schicksal der Ukraine, aus der die Familie der Autorin stammt.

SANDRA KERSCHBAUMER

Marina Lewycka: "Die Werte der modernen Welt unter Berücksichtigung diverser Kleintiere". Roman.

Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2013. 260 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In ihrem neuen Roman "Die Werte der modernen Welt unter Berücksichtigung diverser Kleintiere" macht sich Marina Lewycka daran, die Londoner Finanzwelt ein wenig auf die Schippe zu nehmen, berichtet Sandra Kerschbaumer. Ein alterndes Hippie-Paar entschließt sich, doch noch zu heiraten, samt "Paillettenröcken und vielen Ehemaligen ihrer Kommune Solidarity Hall". Ihre Kinder haben andere Sorgen als die späte sexuelle Konterrevolution der Eltern: der Sohn hat heimlich sein Mathestudium abgebrochen, um bei einem Börsenunternehmen als quantitativer Analyst einzusteigen, die Tochter ist Lehrerin, noch dazu an einer Problemschule, und moralisch über jeden Zweifel erhaben. Auch wenn von einem lustigen Roman nicht unbedingt Aufklärungsarbeit erwartet werden muss, Lewycka verstrickt sich dieses mal entschieden zu sehr in platten Stereotypen, findet Kerschbaumer. Ihr letztes Buch hatte der Rezensentin ungleich besser gefallen.

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