Produktdetails
- KiWi Taschenbücher
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Gewicht: 292g
- ISBN-13: 9783462028553
- ISBN-10: 3462028553
- Artikelnr.: 08124154
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2000Im Fahrstuhl zur Chefetage
Wie sich Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff eine neue Frauenbewegung vorstellen
Die Frauenbewegung ist tot. Es lebe die Frauenbewegung! Die Feministinnen der siebziger Jahre haben abgewirtschaftet, sie haben sich in Glaubenskriegen müde gekämpft und wirken auf ihre Töchter schon lange nicht mehr attraktiv. Die wissen zwar die Erfolge ihrer Vorgängerinnen in Sachen Gleichberechtigung zu schätzen – mit Lila-Latzhosen- und Quoten-Feminismus haben sie jedoch nichts am Hut. Eine neue Frauenbewegung muss her, mit modernem Gesicht und mit frischen Zielen.
Auf „Widerspenstige Töchter” setzen die Spiegel-Redakteurinnen Marianne Wellershoff und Susanne Weingarten bei ihrem provozierend gedachten Aufruf zum Handeln. Damit haben die jungen Frauen, so ihr Befund, ohnehin schon längst begonnen: „In Deutschland gibt es einen Feminismus ohne Frauenbewegung. ” Frauen von heute sind selbstbewusst und emanzipiert, sie haben die Wahl zwischen den verschiedensten Lebensstilen vom Spaß-Girlie bis zur Teilzeit-Mutter – und keine Lust mehr darauf, sich als die ewigen Opfer des Patriarchats zu sehen.
Ganz so weit, wie junge Frauen glauben, ist es mit der Gleichberechtigung dennoch nicht gediehen. Vor allem im Berufsleben nicht: Immer noch verdienen Frauen weniger als Männer, immer noch machen sie seltener Karriere. Die Männerbünde funktionieren nach wie vor; Chefs fördern bevorzugt junge Männer, in denen sie sich und die eigene Jugend wiedererkennen. Die verunsicherten Frauen, so Wellershoff und Weingarten, suchen darob Hilfe bei Ratgebern wie Machiavelli für Frauen oder Romanen von Hera Lind. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie „nicht an persönlichen Defiziten, sondern an ungerechten strukturellen Vorgaben scheitern”. Und ihnen ist auch nicht klar, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche jederzeit einen „massiven Backlash” auslösen können, der – wie nach der Wende in Ostdeutschland – die emanzipierte Lebenswirklichkeit rasch ins Gegenteil kippen lassen kann.
So weit, so schlecht – und wohlbekannt. Wenig überraschend sind auch die neuen Ziele, die Wellershoff und Weingarten anzubieten haben. Sie fordern einen „pragmatischen, politischen Feminismus”, der Gleichberechtigung „innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen” anstrebt. Was für sie vor allem bedeutet: Frauen sollen „im Fahrstuhl zur Chefetage” düsen, weil die Strukturen der Arbeitswelt nur aufbrechen, wenn Frauen von oben nach unten Veränderungen durchsetzen. Zu diesem Zweck werden „Modelle gegenseitiger weiblicher Karriere-Unterstützung” gefordert. Frauen sollen Netzwerke bilden, selbstbewusster mit Geld umgehen und sich im Internet schlau surfen, um den Anschluss an die Informationsgesellschaft nicht zu verpassen. Ja, wenn das alles ist . . .
Als Materialsammlung bietet dieses Buch – vermutlich besonders jungen Frauen – einen Überblick über den Stand der feministischen Dinge, über die Thesen von Katharina Rutschky, Natasha Walter oder Naomi Wolf. Die Rhetorik ist pointiert; eingestreute Protokolle und Interviews mit einer „Cyberfeministin” oder mit Bundesministerin Christine Bergmann machen es, bei aller Redundanz, abwechslungsreich und leicht verdaulich. Doch ob ein bißchen Wortgeklingel ausreicht, um eine neue Frauenbewegung in Gang zu bringen? Skepsis ist angebracht. Aber wer weiß: Totgesagte leben ja bekanntlich länger. Manchmal sogar fideler denn je.
ANTJE WEBER
SUSANNE WEINGARTEN, MARIANNE WELLERSHOFF: Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999, 269 Seiten. 24,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Wie sich Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff eine neue Frauenbewegung vorstellen
Die Frauenbewegung ist tot. Es lebe die Frauenbewegung! Die Feministinnen der siebziger Jahre haben abgewirtschaftet, sie haben sich in Glaubenskriegen müde gekämpft und wirken auf ihre Töchter schon lange nicht mehr attraktiv. Die wissen zwar die Erfolge ihrer Vorgängerinnen in Sachen Gleichberechtigung zu schätzen – mit Lila-Latzhosen- und Quoten-Feminismus haben sie jedoch nichts am Hut. Eine neue Frauenbewegung muss her, mit modernem Gesicht und mit frischen Zielen.
Auf „Widerspenstige Töchter” setzen die Spiegel-Redakteurinnen Marianne Wellershoff und Susanne Weingarten bei ihrem provozierend gedachten Aufruf zum Handeln. Damit haben die jungen Frauen, so ihr Befund, ohnehin schon längst begonnen: „In Deutschland gibt es einen Feminismus ohne Frauenbewegung. ” Frauen von heute sind selbstbewusst und emanzipiert, sie haben die Wahl zwischen den verschiedensten Lebensstilen vom Spaß-Girlie bis zur Teilzeit-Mutter – und keine Lust mehr darauf, sich als die ewigen Opfer des Patriarchats zu sehen.
Ganz so weit, wie junge Frauen glauben, ist es mit der Gleichberechtigung dennoch nicht gediehen. Vor allem im Berufsleben nicht: Immer noch verdienen Frauen weniger als Männer, immer noch machen sie seltener Karriere. Die Männerbünde funktionieren nach wie vor; Chefs fördern bevorzugt junge Männer, in denen sie sich und die eigene Jugend wiedererkennen. Die verunsicherten Frauen, so Wellershoff und Weingarten, suchen darob Hilfe bei Ratgebern wie Machiavelli für Frauen oder Romanen von Hera Lind. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie „nicht an persönlichen Defiziten, sondern an ungerechten strukturellen Vorgaben scheitern”. Und ihnen ist auch nicht klar, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche jederzeit einen „massiven Backlash” auslösen können, der – wie nach der Wende in Ostdeutschland – die emanzipierte Lebenswirklichkeit rasch ins Gegenteil kippen lassen kann.
So weit, so schlecht – und wohlbekannt. Wenig überraschend sind auch die neuen Ziele, die Wellershoff und Weingarten anzubieten haben. Sie fordern einen „pragmatischen, politischen Feminismus”, der Gleichberechtigung „innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen” anstrebt. Was für sie vor allem bedeutet: Frauen sollen „im Fahrstuhl zur Chefetage” düsen, weil die Strukturen der Arbeitswelt nur aufbrechen, wenn Frauen von oben nach unten Veränderungen durchsetzen. Zu diesem Zweck werden „Modelle gegenseitiger weiblicher Karriere-Unterstützung” gefordert. Frauen sollen Netzwerke bilden, selbstbewusster mit Geld umgehen und sich im Internet schlau surfen, um den Anschluss an die Informationsgesellschaft nicht zu verpassen. Ja, wenn das alles ist . . .
Als Materialsammlung bietet dieses Buch – vermutlich besonders jungen Frauen – einen Überblick über den Stand der feministischen Dinge, über die Thesen von Katharina Rutschky, Natasha Walter oder Naomi Wolf. Die Rhetorik ist pointiert; eingestreute Protokolle und Interviews mit einer „Cyberfeministin” oder mit Bundesministerin Christine Bergmann machen es, bei aller Redundanz, abwechslungsreich und leicht verdaulich. Doch ob ein bißchen Wortgeklingel ausreicht, um eine neue Frauenbewegung in Gang zu bringen? Skepsis ist angebracht. Aber wer weiß: Totgesagte leben ja bekanntlich länger. Manchmal sogar fideler denn je.
ANTJE WEBER
SUSANNE WEINGARTEN, MARIANNE WELLERSHOFF: Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999, 269 Seiten. 24,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.1999Der Widerspenstigen Lähmung
Der Feminismus ist auch nicht mehr, was er einmal war
Der Feminismus ist in die Jahre gekommen. Die Alltagshoffnungen sind zerstoben, die Debatten erkaltet. Traurig welken die akademischen gender studies vor sich hin, während intellektuelles fast food vom Schlage eines "Machiavelli für Frauen" den Buchmarkt überschwemmt. Die Managerinnen von morgen wollen keinesfalls auf Quotenticket fahren, nur Auslaufmodelle wie Rita Süssmuth oder Alice Schwarzer halten die Fahnen der Patriarchatskritik weiterhin hoch: Die "Nachgeborenen" haben sich vom Aktionismus ihrer Mütter verabschiedet. So sehen es jedenfalls die "Spiegel"-Redakteurinnen Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff, die den "widerspenstigen Töchtern" der Veteraninnen auf den Zahn gefühlt haben.
Dabei herausgekommen ist ein Buch, das über weite Strecken das Frauenbild von "Cosmopolitan" und Co. aufs Putzigste kopiert. Die Generation der Zwanzig- und Dreißigjährigen hält sich demnach für rundum emanzipiert, genießt das Leben und hat mit dem "Opfer-Feminismus" der Altvorderen nichts mehr am Hut. Die lust-, macht- und männerfeindlichen "Klageweiber" aus den Siebzigern beißen bei den Girlies auf Granit. Ihre Verdienste - etwa um die Neuregelung des Paragraphen 218 - weiß der Nachwuchs zwar zu würdigen. Doch vom Geschlechterkampf hat er die Nase voll.
Auch Weingarten und Wellershoff möchten alle Gesinnungsgefechte einstellen. Gleichwohl registrieren sie anhaltende Diskriminierungen des weiblichen Geschlechts und plädieren deshalb für eine "neue Frauenbewegung", die das Erbe der siebziger Jahre über Bord werfen soll. Statt eine "andere Gesellschaftspolitik" anzusteuern, wollen die Autorinnen "das Recht des Stärkeren" als "strategische Maßnahme" akzeptieren. Der politische und wirtschaftliche Status quo bleibt unangetastet - Revolution adieu. Frauen, so das Credo, müssen ganz einfach vermehrt in Führungspositionen einrücken, um sich die "Teilhabe an der Macht" zu sichern.
Aussagen dieser Art sind ebenso konsensfähig wie banal. Obendrein lassen Weingarten und Wellershoff offen, wie sie ihren "pragmatischen Neuansatz" auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen gedenken. Die Theorielastigkeit, die beide Publizistinnen der alten Frauenbewegung ankreiden, verkehren sie selbst ins Gegenteil: Wo soziale Visionen fehlen, wird mit hochtrabenden Begrifflichkeiten herumgefuchtelt.
Auch das Dilemma "Kinder oder Karriere" hat sich für Weingarten und Wellershoff grosso modo erledigt. Ihrer Ansicht nach kann jede entsprechend ausgebildete Frau den "Fahrstuhl zur Chefetage" nehmen - sie muss sich bloß dafür entscheiden. Die Frauenministerin Christine Bergmann, die ihnen Rede und Antwort stand, weiß es besser: Sie kritisiert eine noch immer "antiquierte Vorstellung von der Rollenverteilung" ebenso wie die Kinderbetreuungsmisere oder die wenig ausgeprägte Bereitschaft der Väter, in Erziehungsurlaub zu gehen. Wer die Männer nicht in die Pflicht nimmt, wird im "Fahrstuhl zur Chefetage" hängen bleiben - und zwar auf den unteren Etagen. So nüchtern sieht das Bild aus, das die regierungsamtliche Expertin zeichnet.
Von der "neuen Frauenbewegung", der nach Weingarten-Wellershoff'scher Diagnose nur noch "eine kollektive Identität und ein kollektives Label" fehlen, haben die Herren der Schöpfung keinerlei Missionierungsversuche zu befürchten. Das Differenzdenken à la Beauvoir wird ad acta gelegt, der altbackene "Zwang zur Kinderlosigkeit", Homosexualität und Make-up-Verzicht, der die Lila-Latzhosen-Ära angeblich beherrschte, beseitigt - anything goes im poststrukturalistischen Feminat!
Schade nur, dass der Mensch allen wohlmeinenden Angeboten zum Trotz ein Gewöhnungstier bleibt. Das verraten jene Gespräche mit "widerspenstigen Töchtern" (und Söhnen), die Weingarten und Wellershoff dokumentieren. Da fragt sich Ute, wo "die echten Kerle geblieben" seien, und lamentiert, dass ihr im Bett "das Archaische fehlt". Anton, Patrick und Janosch diskutieren über Frauen, um festzustellen, dass Promiskuität für Männer eben doch "viel befriedigender" sei. Claudia und Miriam lehnen Hausmänner ab, Ulrike dagegen träumt von Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Obwohl manche Wortmeldung an jene Berufsexhibitionisten erinnert, die sich nachmittags im Fernsehen spreizen, fällt eines auf: Welches Selbstbewusstsein Männer und Frauen sich zulegen, hängt nach wie vor von ihrem Gegenüber ab. Ganz nebenbei zeigen sich hier die Grenzen der Emanzipation, vielleicht auch die Versäumnisse ihrer Vorkämpferinnen: Die lustvolle Phrasendrescherei kann das Ausmaß der Verunsicherung auf beiden Seiten nicht kaschieren.
Solche Untertöne stoßen bei Weingarten und Wellershoff jedoch auf taube Ohren. Entsprechend oberflächlich sind ihre Porträts der "widerspenstigen Töchter" ausgefallen. Die Abrechnung mit der alten Garde macht eben noch keinen feministischen Frühling. Wem dieses Buch Gewinn bringen soll, bleibt deshalb einigermaßen rätselhaft.
DORION WEICKMANN
Susanne Weingarten, Marianne Wellershoff: "Die widerspenstigen Töchter". Für eine neue Frauenbewegung. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 268 S., br., 24,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Feminismus ist auch nicht mehr, was er einmal war
Der Feminismus ist in die Jahre gekommen. Die Alltagshoffnungen sind zerstoben, die Debatten erkaltet. Traurig welken die akademischen gender studies vor sich hin, während intellektuelles fast food vom Schlage eines "Machiavelli für Frauen" den Buchmarkt überschwemmt. Die Managerinnen von morgen wollen keinesfalls auf Quotenticket fahren, nur Auslaufmodelle wie Rita Süssmuth oder Alice Schwarzer halten die Fahnen der Patriarchatskritik weiterhin hoch: Die "Nachgeborenen" haben sich vom Aktionismus ihrer Mütter verabschiedet. So sehen es jedenfalls die "Spiegel"-Redakteurinnen Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff, die den "widerspenstigen Töchtern" der Veteraninnen auf den Zahn gefühlt haben.
Dabei herausgekommen ist ein Buch, das über weite Strecken das Frauenbild von "Cosmopolitan" und Co. aufs Putzigste kopiert. Die Generation der Zwanzig- und Dreißigjährigen hält sich demnach für rundum emanzipiert, genießt das Leben und hat mit dem "Opfer-Feminismus" der Altvorderen nichts mehr am Hut. Die lust-, macht- und männerfeindlichen "Klageweiber" aus den Siebzigern beißen bei den Girlies auf Granit. Ihre Verdienste - etwa um die Neuregelung des Paragraphen 218 - weiß der Nachwuchs zwar zu würdigen. Doch vom Geschlechterkampf hat er die Nase voll.
Auch Weingarten und Wellershoff möchten alle Gesinnungsgefechte einstellen. Gleichwohl registrieren sie anhaltende Diskriminierungen des weiblichen Geschlechts und plädieren deshalb für eine "neue Frauenbewegung", die das Erbe der siebziger Jahre über Bord werfen soll. Statt eine "andere Gesellschaftspolitik" anzusteuern, wollen die Autorinnen "das Recht des Stärkeren" als "strategische Maßnahme" akzeptieren. Der politische und wirtschaftliche Status quo bleibt unangetastet - Revolution adieu. Frauen, so das Credo, müssen ganz einfach vermehrt in Führungspositionen einrücken, um sich die "Teilhabe an der Macht" zu sichern.
Aussagen dieser Art sind ebenso konsensfähig wie banal. Obendrein lassen Weingarten und Wellershoff offen, wie sie ihren "pragmatischen Neuansatz" auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen gedenken. Die Theorielastigkeit, die beide Publizistinnen der alten Frauenbewegung ankreiden, verkehren sie selbst ins Gegenteil: Wo soziale Visionen fehlen, wird mit hochtrabenden Begrifflichkeiten herumgefuchtelt.
Auch das Dilemma "Kinder oder Karriere" hat sich für Weingarten und Wellershoff grosso modo erledigt. Ihrer Ansicht nach kann jede entsprechend ausgebildete Frau den "Fahrstuhl zur Chefetage" nehmen - sie muss sich bloß dafür entscheiden. Die Frauenministerin Christine Bergmann, die ihnen Rede und Antwort stand, weiß es besser: Sie kritisiert eine noch immer "antiquierte Vorstellung von der Rollenverteilung" ebenso wie die Kinderbetreuungsmisere oder die wenig ausgeprägte Bereitschaft der Väter, in Erziehungsurlaub zu gehen. Wer die Männer nicht in die Pflicht nimmt, wird im "Fahrstuhl zur Chefetage" hängen bleiben - und zwar auf den unteren Etagen. So nüchtern sieht das Bild aus, das die regierungsamtliche Expertin zeichnet.
Von der "neuen Frauenbewegung", der nach Weingarten-Wellershoff'scher Diagnose nur noch "eine kollektive Identität und ein kollektives Label" fehlen, haben die Herren der Schöpfung keinerlei Missionierungsversuche zu befürchten. Das Differenzdenken à la Beauvoir wird ad acta gelegt, der altbackene "Zwang zur Kinderlosigkeit", Homosexualität und Make-up-Verzicht, der die Lila-Latzhosen-Ära angeblich beherrschte, beseitigt - anything goes im poststrukturalistischen Feminat!
Schade nur, dass der Mensch allen wohlmeinenden Angeboten zum Trotz ein Gewöhnungstier bleibt. Das verraten jene Gespräche mit "widerspenstigen Töchtern" (und Söhnen), die Weingarten und Wellershoff dokumentieren. Da fragt sich Ute, wo "die echten Kerle geblieben" seien, und lamentiert, dass ihr im Bett "das Archaische fehlt". Anton, Patrick und Janosch diskutieren über Frauen, um festzustellen, dass Promiskuität für Männer eben doch "viel befriedigender" sei. Claudia und Miriam lehnen Hausmänner ab, Ulrike dagegen träumt von Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Obwohl manche Wortmeldung an jene Berufsexhibitionisten erinnert, die sich nachmittags im Fernsehen spreizen, fällt eines auf: Welches Selbstbewusstsein Männer und Frauen sich zulegen, hängt nach wie vor von ihrem Gegenüber ab. Ganz nebenbei zeigen sich hier die Grenzen der Emanzipation, vielleicht auch die Versäumnisse ihrer Vorkämpferinnen: Die lustvolle Phrasendrescherei kann das Ausmaß der Verunsicherung auf beiden Seiten nicht kaschieren.
Solche Untertöne stoßen bei Weingarten und Wellershoff jedoch auf taube Ohren. Entsprechend oberflächlich sind ihre Porträts der "widerspenstigen Töchter" ausgefallen. Die Abrechnung mit der alten Garde macht eben noch keinen feministischen Frühling. Wem dieses Buch Gewinn bringen soll, bleibt deshalb einigermaßen rätselhaft.
DORION WEICKMANN
Susanne Weingarten, Marianne Wellershoff: "Die widerspenstigen Töchter". Für eine neue Frauenbewegung. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 268 S., br., 24,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Hilal Sezgin bespricht recht flüssig und mit einigem Witz zwei Publikationen zur Lage der Frauen. Beide Bücher rechnen mit den Dogmen Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre ab, die in der Sicht der Autorinnen von einer völlig verzerrten Weltsicht, Hysterie und Puritanismus gekennzeichnet war.
1) Elisabeth Fox-Genevese: "
1) Elisabeth Fox-Genevese: "