'Es war einmal ... ein König. Der König hatte elf Söhne und eine Tochter.' So beginnt die leichte und liebevolle Fassung des Märchens von Hans Christian Andersen in der Version von Lorenz Pauli und Miriam Zedelius. Die Illustratorin und der Erzähler haben sich an die ursprüngliche Geschichte gehalten, jedoch mit einem Augenzwinkern und einer guten Portion Freude am kindlichen Wesen.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungDie böse Stiefmutter fliegt einfach raus
Miriam Zedelius und Lorenz Pauli erzählen "Die wilden Schwäne" von Hans Christian Andersen mit viel Schwung im Pinsel
Von Silja von Rauchhaupt
Märchenbilderbücher sind beliebt, daher gibt es sie wie Sand am Meer. Es ist nicht leicht, da aus dem Rahmen zu fallen. "Die wilden Schwäne" aus dem Schweizer Stämpfli Verlag wurde von Miriam Zedelius und Lorenz Pauli mit so viel Schwung in Szene gesetzt, dass Hans Christian Andersens Erzählung von Geschwisterliebe, Selbstverleugnung und Beharrlichkeit ganz modern wirkt.
Es ist die Geschichte eines mutigen und willensstarken Mädchens, das sich auch durch Widerstände nicht von seinem Ziel abbringen lässt. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, ihre elf Brüder, die von der Stiefmutter zu Schwänen verzaubert wurden, zu erlösen. In jahrelanger Arbeit muss Prinzessin Elisa dafür,0 ohne auch nur ein Wort sprechen zu dürfen, elf Hemden aus Brennnesseln weben. Weil sie die Brennnesseln auf dem Friedhof pflücken muss, damit der Gegenzauber wirkt, wird sie beinah als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zum Schluss schafft sie es noch eben gerade, ihren Schwanenbrüdern die Hemden überzuwerfen, und damit hat sie nicht nur ihre Brüder gerettet, sondern auch sich selbst.
Die Bilder zu diesem Märchen wurden in Siebdrucktechnik von Miriam Zedelius erstellt. Die Farben sind sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzt, die Striche dick schwarz, entschieden und kühn. Hier wurde bewusst auf Verniedlichung verzichtet und stattdessen mit Phantasie und Humor gearbeitet. Zedelius zeigt eine Fülle an kreativen Einfällen, jede Seite ist eigenwillig gestaltet und nie willkürlich. So taucht die Idee, eine Bühne aus Pappkarton einzuführen, nicht nur einmal auf, sondern kommt in Variationen immer wieder vor.
Wenn die böse Stiefmutter Elisa aus dem Schloss schafft, sieht man die Pappschachtel von hinten, und so wird auch ohne Worte klar, dass dies alles hinter den Kulissen, also hinter dem Rücken des Königs geschieht. In Andersens Märchen wird genau beschrieben, wie winzig klein die Insel war, auf der sich Elisa mit ihren elf Brüdern ein Nachtlager richten musste, um am nächsten Tag weiter über das Meer zu reisen. Dies hat Zedelius so umgesetzt, dass die Brüder mit Elisa ein akrobatisches Kunststück vollbringen: Einer steht unten, hat zwei auf seinen Schultern, darauf stehen vier, darauf weitere, so kann man zu elft tatsächlich auf einer sehr kleinen Insel stehen, wenn man lange geübt hat. Und richtig, einige Seiten zuvor sieht man die zwölf Kinder zur Pyramide aufgebaut, doch man sieht auch, wie Elisa, die als Unterste auf einem Ball balanciert, von der bösen Stiefmutter gestoßen wird. Was das zur Folge hat, erfährt man beiläufig auf der nächsten Seite, denn dort sitzen alle elf Brüder auf einem Pferd, und jeder trägt an einer anderen Stelle einen Gips.
Doch nicht nur auf Komik verstehen sich die Bilder. Es gibt Seiten, die schiere Verzweiflung oder Traurigkeit ausdrücken, dann sind die Gestaltungsprinzipien Großformatigkeit statt Kleinteiligkeit. Das ikonenhafte Kindergesicht mit den von der Stiefmutter bösartig verfilzten Haaren ist fast formatfüllend und wird von fröhlich bunten Bäumen im Hintergrund kontrastiert. Mit dem Text stehen die Bilder in stetem Bezug. Oft sind einzelne Textteile direkt an Details herangerückt, oder die Typographie ist so gestaltet, dass der Text Teil des Bilds wird. Auch inhaltlich passt das zusammen: Lorenz Pauli findet eine Sprache, die klar und direkt ist, von trockenem Humor, aber auch voller Zartheit - und das ohne einen einzigen Stilbruch. Selbst ein Satz, der wörtlich von Andersen übernommen ist, passt, ohne aufzufallen, in den Text: "Es wurde ein Hochzeitszug, wie ihn noch kein König gesehen hatte."
Auch sonst geht Pauli sehr frei mit Andersens Märchen um. Am Ende kommt gar noch Besuch: Der Vater reist auf seinem Schiff zu Elisa und ihren Brüdern, um mitzufeiern. Und die böse Stiefmutter? Sie wird einfach aus dem Buch geworfen. Unten am Bildrand zappeln noch ihre Füße. Zu diesem Bilderbuch gibt es eine Hörbuchproduktion, die unter Beteiligung des Züricher Kammerorchesters und des Komponisten Rodolphe Schacher entstanden ist. Der Text des Bilderbuchs wurde jedoch abgeändert und verliert dadurch fast seinen ganzen Witz. Dafür wird man mit guter Filmmusik entschädigt. Ob die recht seichten Lieder der CD zu dem sonst so entschieden kitschfreien Konzept passen, ist die Frage. Man denkt schnell wieder an den Sand am Meer.
Lorenz Pauli: "Die wilden Schwäne". Nach Hans Christian Andersen.
Illustriert von Miriam Zedelius. Stämpfli Verlag, Bern 2011. 64 S., geb., 22,50 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Miriam Zedelius und Lorenz Pauli erzählen "Die wilden Schwäne" von Hans Christian Andersen mit viel Schwung im Pinsel
Von Silja von Rauchhaupt
Märchenbilderbücher sind beliebt, daher gibt es sie wie Sand am Meer. Es ist nicht leicht, da aus dem Rahmen zu fallen. "Die wilden Schwäne" aus dem Schweizer Stämpfli Verlag wurde von Miriam Zedelius und Lorenz Pauli mit so viel Schwung in Szene gesetzt, dass Hans Christian Andersens Erzählung von Geschwisterliebe, Selbstverleugnung und Beharrlichkeit ganz modern wirkt.
Es ist die Geschichte eines mutigen und willensstarken Mädchens, das sich auch durch Widerstände nicht von seinem Ziel abbringen lässt. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, ihre elf Brüder, die von der Stiefmutter zu Schwänen verzaubert wurden, zu erlösen. In jahrelanger Arbeit muss Prinzessin Elisa dafür,0 ohne auch nur ein Wort sprechen zu dürfen, elf Hemden aus Brennnesseln weben. Weil sie die Brennnesseln auf dem Friedhof pflücken muss, damit der Gegenzauber wirkt, wird sie beinah als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Zum Schluss schafft sie es noch eben gerade, ihren Schwanenbrüdern die Hemden überzuwerfen, und damit hat sie nicht nur ihre Brüder gerettet, sondern auch sich selbst.
Die Bilder zu diesem Märchen wurden in Siebdrucktechnik von Miriam Zedelius erstellt. Die Farben sind sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzt, die Striche dick schwarz, entschieden und kühn. Hier wurde bewusst auf Verniedlichung verzichtet und stattdessen mit Phantasie und Humor gearbeitet. Zedelius zeigt eine Fülle an kreativen Einfällen, jede Seite ist eigenwillig gestaltet und nie willkürlich. So taucht die Idee, eine Bühne aus Pappkarton einzuführen, nicht nur einmal auf, sondern kommt in Variationen immer wieder vor.
Wenn die böse Stiefmutter Elisa aus dem Schloss schafft, sieht man die Pappschachtel von hinten, und so wird auch ohne Worte klar, dass dies alles hinter den Kulissen, also hinter dem Rücken des Königs geschieht. In Andersens Märchen wird genau beschrieben, wie winzig klein die Insel war, auf der sich Elisa mit ihren elf Brüdern ein Nachtlager richten musste, um am nächsten Tag weiter über das Meer zu reisen. Dies hat Zedelius so umgesetzt, dass die Brüder mit Elisa ein akrobatisches Kunststück vollbringen: Einer steht unten, hat zwei auf seinen Schultern, darauf stehen vier, darauf weitere, so kann man zu elft tatsächlich auf einer sehr kleinen Insel stehen, wenn man lange geübt hat. Und richtig, einige Seiten zuvor sieht man die zwölf Kinder zur Pyramide aufgebaut, doch man sieht auch, wie Elisa, die als Unterste auf einem Ball balanciert, von der bösen Stiefmutter gestoßen wird. Was das zur Folge hat, erfährt man beiläufig auf der nächsten Seite, denn dort sitzen alle elf Brüder auf einem Pferd, und jeder trägt an einer anderen Stelle einen Gips.
Doch nicht nur auf Komik verstehen sich die Bilder. Es gibt Seiten, die schiere Verzweiflung oder Traurigkeit ausdrücken, dann sind die Gestaltungsprinzipien Großformatigkeit statt Kleinteiligkeit. Das ikonenhafte Kindergesicht mit den von der Stiefmutter bösartig verfilzten Haaren ist fast formatfüllend und wird von fröhlich bunten Bäumen im Hintergrund kontrastiert. Mit dem Text stehen die Bilder in stetem Bezug. Oft sind einzelne Textteile direkt an Details herangerückt, oder die Typographie ist so gestaltet, dass der Text Teil des Bilds wird. Auch inhaltlich passt das zusammen: Lorenz Pauli findet eine Sprache, die klar und direkt ist, von trockenem Humor, aber auch voller Zartheit - und das ohne einen einzigen Stilbruch. Selbst ein Satz, der wörtlich von Andersen übernommen ist, passt, ohne aufzufallen, in den Text: "Es wurde ein Hochzeitszug, wie ihn noch kein König gesehen hatte."
Auch sonst geht Pauli sehr frei mit Andersens Märchen um. Am Ende kommt gar noch Besuch: Der Vater reist auf seinem Schiff zu Elisa und ihren Brüdern, um mitzufeiern. Und die böse Stiefmutter? Sie wird einfach aus dem Buch geworfen. Unten am Bildrand zappeln noch ihre Füße. Zu diesem Bilderbuch gibt es eine Hörbuchproduktion, die unter Beteiligung des Züricher Kammerorchesters und des Komponisten Rodolphe Schacher entstanden ist. Der Text des Bilderbuchs wurde jedoch abgeändert und verliert dadurch fast seinen ganzen Witz. Dafür wird man mit guter Filmmusik entschädigt. Ob die recht seichten Lieder der CD zu dem sonst so entschieden kitschfreien Konzept passen, ist die Frage. Man denkt schnell wieder an den Sand am Meer.
Lorenz Pauli: "Die wilden Schwäne". Nach Hans Christian Andersen.
Illustriert von Miriam Zedelius. Stämpfli Verlag, Bern 2011. 64 S., geb., 22,50 [Euro]. Ab 4 J.
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