Leonora Carrington, Malerin und Dichterin, war nicht nur die wilde Muse der Surrealisten. Wohl war sie mit Max Ernst liiert, und Breton erzählte bewundernd, wie sie einst in einem vornehmen Pariser Restaurant ihre Schuhe auszog und ihre Füße mit Senf bestrich. Doch Carrington war eine selbstbewusste surrealistische Künstlerin. Ihre Malerei stellte sie in Amsterdam und Paris aus und später in Mexiko.In den »Bizarren Geschichten« aus den dreißiger bis achtziger Jahren - kein anderes Buch der Künstlerin versammelt Werke aus einer solchen Zeitspanne - erzählt Leonora Carrington traumhafte, eindringliche, wundersame Begebenheiten.Ob sie schildert, wie ein junges Mädchen eine Hyäne statt seiner selbst zum verhassten Debütantinnenball schickt, ob sie eine Begegnung mit einem seltsamen Jäger im englischen Wald beschreibt oder von dressierten Ratten erzählt, die in Kriegszeiten Menschen in Lazaretten operieren - Carringtons Prosa ist wundersam, träumerisch und von starker Ausdruckskraft. Ausgewählte Gemälde der Künstlerin illustrieren das Buch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2010Dornenkratzer
Der Titel dieses Buchjuwels ist seltsam. Keine der dreiundzwanzig darin enthaltenen Geschichten von Leonora Carrington - darunter zehn deutsche Erstveröffentlichungen - enthält das Wort "Windsbraut". Das war vielmehr die Bezeichnung von Max Ernst für Carrington, seine Geliebte, von der er 1940 durch den Krieg getrennt wurde. Im Nachlass von Ernst aber fand sich manches Manuskript, das die 1917 geborene englische Malerin und Schriftstellerin längst verloren geglaubt hatte, und so kam in den siebziger Jahren die Rezeption ihrer surrealistischen Prosa erst richtig in Gang. Leonora Carrington schreibt meist auf Englisch, doch einige ihrer traumwandlerischen Texte sind nur als französische oder spanische Erstdrucke erhalten. Heribert Becker hat sie alle übersetzt und mit einem kundigen Nachwort versehen, das den schönen Band zu einem weiteren Baustein am Denkmal für den literarischen Surrealismus macht, das die Edition Nautilus mit ihrer "Kleinen Bücherei" errichtet. Leonora Carrington hat auf diesem immer noch vernachlässigten Feld einige der stärksten Texte zu bieten mit unvergesslichen Bildern: "Wenn sie dort am Ende des Gebirges vorbeikamen, zogen die Brombeerbüsche ihre Dornen ein wie die Katzen ihre Krallen." Solchen Respekt verdienen auch ihre Geschichten. (Leonora Carrington: "Die Windsbraut". Bizarre Geschichten. Aus dem Französischen, Englischen und Spanischen von Heribert Becker und Elaine Charwat. Edition Nautilus, Hamburg 2009. 256 S., Abb., br., 14,90 [Euro].) apl
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Titel dieses Buchjuwels ist seltsam. Keine der dreiundzwanzig darin enthaltenen Geschichten von Leonora Carrington - darunter zehn deutsche Erstveröffentlichungen - enthält das Wort "Windsbraut". Das war vielmehr die Bezeichnung von Max Ernst für Carrington, seine Geliebte, von der er 1940 durch den Krieg getrennt wurde. Im Nachlass von Ernst aber fand sich manches Manuskript, das die 1917 geborene englische Malerin und Schriftstellerin längst verloren geglaubt hatte, und so kam in den siebziger Jahren die Rezeption ihrer surrealistischen Prosa erst richtig in Gang. Leonora Carrington schreibt meist auf Englisch, doch einige ihrer traumwandlerischen Texte sind nur als französische oder spanische Erstdrucke erhalten. Heribert Becker hat sie alle übersetzt und mit einem kundigen Nachwort versehen, das den schönen Band zu einem weiteren Baustein am Denkmal für den literarischen Surrealismus macht, das die Edition Nautilus mit ihrer "Kleinen Bücherei" errichtet. Leonora Carrington hat auf diesem immer noch vernachlässigten Feld einige der stärksten Texte zu bieten mit unvergesslichen Bildern: "Wenn sie dort am Ende des Gebirges vorbeikamen, zogen die Brombeerbüsche ihre Dornen ein wie die Katzen ihre Krallen." Solchen Respekt verdienen auch ihre Geschichten. (Leonora Carrington: "Die Windsbraut". Bizarre Geschichten. Aus dem Französischen, Englischen und Spanischen von Heribert Becker und Elaine Charwat. Edition Nautilus, Hamburg 2009. 256 S., Abb., br., 14,90 [Euro].) apl
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erfreut zeigt sich Rezensent Hans-Peter Kunisch über diese handliche Ausgabe mit Geschichten der 1917 geborenen surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington. Er nutzt die Gelegenheit, die Autorin vorzustellen, berichtet von ihrer traurigen Kindheit, ihrer irischen Mutter und ihrem Vater, einem reichen Textilmagnaten, ihrem Kunststudium, der Begegnung mit Max Ernst und ihrer Flucht nach Mexiko. In Carringtons Geschichten mischen sich für ihn Einflüsse des Surrealismus, des lateinamerikanischen magischen Realismus sowie irischer und außereuropäischer Mythen. Erstaunlich findet Kunisch, wie die Autorin Spott auf die englische Gesellschaft, Mythen und deutsch-französischen Surrealismus zu einer "leichtfüßig zelebrierten Einheit" formt. Besonders hebt er dabei den Einsatz von Elementen des Schocks zusammen mit einem "verblüffenden" Witz hervor. Mit Lob bedenkt er auch das "angenehm leichte Deutsch" der vorliegenden Übersetzung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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