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Philippa Foot ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Moralphilosophinnen der Gegenwart. Obwohl ihr Rang, der Scharfsinn und Witz ihrer Beiträge zu der seit mindestens zwei Jahrzehnten aktuellen Debatte über Fragen der Moralphilosophie international unbestritten sind, sind ihre häufig bahnbrechenden Texte bis heute nicht in deutscher Übersetzung greifbar. Diesen bedauerlichen Mangel beseitigt endlich der von Ursula Wolf und Anton Leist herausgegebene Band von Aufsätzen Philippa Foots. Er versammelt die entscheidenden Studien, mit denen sie seit den fünfziger Jahren in die zum Teil äußerst…mehr

Produktbeschreibung
Philippa Foot ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Moralphilosophinnen der Gegenwart. Obwohl ihr Rang, der Scharfsinn und Witz ihrer Beiträge zu der seit mindestens zwei Jahrzehnten aktuellen Debatte über Fragen der Moralphilosophie international unbestritten sind, sind ihre häufig bahnbrechenden Texte bis heute nicht in deutscher Übersetzung greifbar. Diesen bedauerlichen Mangel beseitigt endlich der von Ursula Wolf und Anton Leist herausgegebene Band von Aufsätzen Philippa Foots. Er versammelt die entscheidenden Studien, mit denen sie seit den fünfziger Jahren in die zum Teil äußerst kontrovers geführte Auseinandersetzung um die Wirklichkeit des Guten eingegriffen hat. Damit wird den deutschsprachigen Lesern nicht nur Gelegenheit gegeben, den intellektuellen Werdegang und die Argumentationsentwicklung einer Philosophin zu verfolgen, die seit den fünfziger Jahren dafür gestritten hat, daß Moral mehr ist als ein auf subjektiven Gefühlen gründendes Überzeugungssystem. Darüber hi naus erlaubt die Lektüre der Arbeiten Foots einen Einblick in die jüngere Geschichte der angelsächsischen Moralphilosophie, die gegenwärtig zur Wiederentdeckung aristotelischer Überlegungen führt, nach denen wir das genuin moralische Vermögen des Menschen anzuerkennen haben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.1998

Mit Thomas von Aquin gegen Heinrich Himmler
Philippa Foot baut an einer Moralphilosophie in einer gottlosen Welt ohne Platon

Die in der englisch-amerikanischen Welt vielfach ausgezeichnete und geehrte britische Philosophin Philippa Foot war im deutschsprachigen Raum bislang fast unbekannt. Vor einigen Jahren erschienen in einem Sammelband des Suhrkamp Verlages zwei Aufsätze von ihr über Euthanasie und Abtreibung. Ihr wichtigster Gewährsmann ist Thomas von Aquin, und wesentlich inspiriert wurde sie von Elizabeth Anscombe, einer aktiven Katholikin. Vor der "Moderne" empfindet sie "keine große Achtung", und entschieden glaubt sie an die Natur des Menschen. Zudem streitet sie vehement für die Rehabilitation der Tugendphilosophie. Wer nun allerdings annimmt, sie tummele sich womöglich in päpstlichen Ethik-Gremien, wird bitter enttäuscht. Die 1920 geborene und viele Jahre auch in den Vereinigten Staaten lehrende Foot bezeichnet sich als Atheistin. Letzteres erfahren wir aus einem angenehm lesbaren Gespräch zwischen ihr und Anton Leist, dem Mitherausgeber und Mitübersetzer ihrer erstmals ins Deutsche übertragenen ausgewählten Schriften. Dieses Gespräch ist einem der Aufsätze vorangestellt.

Ist Philippa Foot der Philosophie der Moderne nach eigener Auskunft nicht wohlgesinnt, so ist ihre Methode doch der analytischen Philosophie verpflichtet. Nun ist das Hauptgebiet der analytischen Philosophie die Logik der Sprache. Betritt die analytische Philosophie den Bereich der Ethik, meint man zuweilen, daß ein Berg gekreißt und eine Maus geboren hat. Diese Vermutung beschleicht den Leser bei einigen der Aufsätze Foots. Empirisch fast unglaubhafte Beispiele werden auf zuweilen etwas langweilige Art zum Austrag gebracht. Haben wir es hier mit der Zelebrierung sophistischer Intelligenz zu tun?

Wohl nicht ganz. Denn Foot beherzigt das alte Prinzip, daß die Moralphilosophie nicht am Reißbrett konstruiert werden dürfe. Mit Beispielen geizt sie nicht, manche davon sind sogar anschaulich. Doch geraten sie nicht immer stimmig. So beispielsweise, wenn sie Heinrich Himmler mit Thomas von Aquin zu Leibe rückt. Zunächst hält sie ihm im Sinne des Aquinaten ein Gewissen zugute - wenn auch ein irrendes - und schreibt dann: "Wenn also jemand wie Himmler glaubte, er sollte jüdische Männer, Frauen und Kinder (also unstrittig unschuldige menschliche Wesen) vergasen, dann hätte Thomas gesagt, wenn er das glaubte, dann konnte er nicht anders als schlecht handeln; denn entweder verschonte er die Leute und handelte damit gegen sein Gewissen, oder er tötete sie und handelte auf diese Weise schlecht." Man tritt Himmler wohl nicht zu nahe, wenn man gerade im Sinne traditioneller Ethik annimmt, daß dessen Gewissen entweder verdunkelt, ihm nicht hörbar oder bestenfalls in Rudimenten vorhanden war. Das Beispiel zeigt, wie leicht man den Begriff des Gewissens auf den Hund beziehungsweise auf Himmler bringen kann.

Aber diese absurde Verirrung Foots dürfen wir keinesfalls der Autorin allein anlasten. Denn der Vorgänger des christlich-abendländischen Gewissensbegriffes war das wesentlich effektivere platonisch-sokratische "daimonion". Diese innere, göttlich gedachte Stimme sprach streng ex negativo, zu deutsch: Sie riet einfach nur ab. Sie sprach allerdings nur zu jenen, die bereit waren zu hören. Daß Philippa Foot nicht bemerkt, daß zwischen dem "daimonion" Platons und Himmlers vermeintlichen Gewissenserwägungen Höllen liegen, mag erstaunen, wird aber erklärlich durch ihre Geringschätzung des griechischen Philosophen.

In ihrem zentralen Aufsatz "Tugenden und Laster" bekennt Foot schon im zweiten Absatz: "Platon habe ich persönlich weniger nützlich gefunden, weil er in seinem Werk die einzelnen Tugenden und Laster nicht so klar und konsequent unterscheidet." Diese Aussage muß schon deswegen bedauert werden, weil sie den ganzen Aufsatz erkenntnistheoretisch etwas belastet. Denn hier gerät begrifflich nun manches durcheinander, was vielleicht - und wir nehmen es zugunsten Philippa Foots an - zum Teil auch der Übersetzung anzulasten ist.

Bei der Aufzählung der vier Kardinaltugenden finden wir neben der Mäßigung ("Maß" wäre wohl die konzisere Übersetzung gewesen), Weisheit, Gerechtigkeit und "Mut". Nun gibt es im Griechischen ein reichhaltigeres Angebot als im Englischen an Ausdrücken für die Fähigkeit des Menschen, sein eigenes Wohl für das Gute aufs Spiel zu setzen. Wer Platons "Staat" gelesen hat, weiß, daß hier der Mut und die Tapferkeit so genau unterschieden werden wie später kaum mehr. Platon spielt in bildhafter Sprache eine Analogie zwischen der Seele des einzelnen Menschen und der Gesellschaft durch. Der "muthafte" Teil der menschlichen Seele, dargestellt durch einen Löwen, steht zwischen der Vernunft und dem reinen Trieb: Er kann beiden dienen. Der Mut wird, politisch betrachtet, bei Platon als Soldatenstand zwischen dem Philosophenherrscher und den nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Händlern angesiedelt.

Angesichts dieses Problems ist nicht viel gewonnen mit der Bemerkung, daß der Mut sich nicht als Tugend auswirke, wenn ein Mörder die Tugend des Mutes zu schlechten Zwecken einsetze. Der Mut ist natürlich nie eine Tugend, wenn er zu schlechten Zwecken eingesetzt wird! Die präzisen Kommentare des jüngst verstorbenen Philosophen Josef Pieper zur Tugendlehre Platons, Aristoteles' und Thomas von Aquins lassen dem deutschsprachigen Leser diese Foot-Ausgabe zuweilen leider als philosophisches Fast food erscheinen. Das liegt nicht allein an der Autorin und ihren Übersetzern. Es geht auch nicht um den traditionsreichen Chauvinismus deutscher Philosophie. Foots Buch bezeichnet wieder einmal die Grenzen, die der definitionsfreudigen Disziplin der Philosophie gezogen werden, wenn die antike griechische Sprache, mittelalterliches Latein, neues Englisch und neues Deutsch vor- und zurückübersetzt werden.

Anders verhält es sich mit dem anregenden Essay über "Nietzsches Immoralismus". Hier ringt Foot geschickt mit einem Philosophen, der den "Tod Gottes" mit der Umwertung der moralischen Werte in eins setzte. Dies muß eine Philosophin herausfordern, die eine Moral ohne Gott zu begründen trachtet. Doch läßt sich darüber streiten, ob es gerecht ist, ausgerechnet Thomas Mann als Kronzeugen gegen Nietzsche zu benennen. In seinem 1947 gehaltenen Vortrag über "Nietzsches Philosophie im Lichte unserer Erfahrung" setzt Mann Nietzsches sogenannte "Romantisierung des Bösen" eher zurückhaltend in einen Bezug zu den Nazi-Verbrechen. Diese Passage zitiert Foot, ohne zu erwähnen, daß der Vortrag - wie bei Thomas Mann nicht anders zu erwarten - in eine Eloge auf Nietzsche mündet.

Am Beginn ihres Nietzsche-Essays bekennt Foot, daß es "für uns Angehörige der simpel redenden Schule der analytischen Philosophie schwierig" sei, "mit seinem Werk auf die richtige Weise umzugehen". Hinter dieser Aussage verbirgt sich Selbstironie und britisch-selbstbewußtes Understatement. Und ein solches Eingeständnis versöhnt auch etwas mit der Tatsache, daß ihre erste ins Deutsche übersetzte Aufsatzsammlung einer Bruchlandung gleichkommt. MARTIN THOEMMES

Philippa Foot: "Die Wirklichkeit des Guten". Moralphilosophische Aufsätze. Herausgegeben und eingeleitet von Ursula Wolf und Anton Leist. Aus dem Englischen von Anton Leist, Hermann Vetter, Ursula Wolf. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1997. 254 S., 26,90 DM.

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