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Ist das menschliche Leben wirklich das Zentrum der Welt?
»Ich liebe dieses Buch. Es liegt eine solche Zärtlichkeit in dieser Geschichte.« Dagens Nyheter
»... ein philosophischer Roman von geradezu unheimlicher Lebendigkeit.« Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung
Woher kommt es, das Leben, und was bedeutet es eigentlich? Um diese beiden Fragen kreist der neue Roman von Karl Ove Knausgård - der in einem inneren Zusammenhang zu seinem letzten Buch "Der Morgenstern" steht. Was ist geschehen, bevor dieser unerklärliche, weithin sichtbare Stern am Himmel auftauchte und anscheinend sämtliche…mehr

Produktbeschreibung
Ist das menschliche Leben wirklich das Zentrum der Welt?

»Ich liebe dieses Buch. Es liegt eine solche Zärtlichkeit in dieser Geschichte.« Dagens Nyheter

»... ein philosophischer Roman von geradezu unheimlicher Lebendigkeit.« Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung

Woher kommt es, das Leben, und was bedeutet es eigentlich? Um diese beiden Fragen kreist der neue Roman von Karl Ove Knausgård - der in einem inneren Zusammenhang zu seinem letzten Buch "Der Morgenstern" steht. Was ist geschehen, bevor dieser unerklärliche, weithin sichtbare Stern am Himmel auftauchte und anscheinend sämtliche physikalische Regeln außer Kraft setzte?

Alles beginnt 1986 im Süden Norwegens. Der junge Syvert Løyning kehrt vom Militärdienst zu seiner Mutter und seinem Bruder ins Haus der Familie zurück. Im fernen Tschernobyl ist gerade ein Atomreaktor explodiert, Norwegen selbst wird von einer Regierungskrise erschüttert. Syvert weiß nicht wirklich, wohin mit sich. Was hält die Zukunft für ihn bereit? Eines Nachts träumt er von seinem toten Vater, und ein unheimliches Gefühl beginnt sich in ihm festzusetzen: sein Vater will ihm eine Botschaft übermitteln. Aber welche könnte das sein? Ratlos beginnt er sich die nachgelassenen Sachen von ihm genauer anzuschauen. Und muss schließlich feststellen, dass es ein anderes Leben gab, das sein Vater führte. Eines, das bis in die Sowjetunion führt.

Ein Leben, das mit der russischen Wissenschaftlerin Alevtina zu tun hat, die viele Jahre später an einem Wochenende mit ihrem Sohn nach Samara reist, um den achtzigsten Geburtstag ihres Vaters zu feiern, und da noch nicht weiß, dass sie bald Besuch aus Norwegen bekommen wird. Und mit ihrer alten Freundin Vasilisa, einer Lyrikerin, die ein Buch über einen eigenwilligen und alten Zug der russischen Kultur schreibt: den Glauben an ein ewiges Leben ...
Autorenporträt
Karl Ove Knausgård wurde 1968 geboren und gilt als wichtigster norwegischer Autor der Gegenwart. Die Romane seines sechsbändigen, autobiographischen Projektes wurden weltweit zur Sensation. Sie sind in 35 Sprachen übersetzt und vielfach preisgekrönt. 2015 erhielt Karl Ove Knausgård den WELT-Literaturpreis, 2017 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur, 2022 nahm er in Kopenhagen den Hans-Christan-Andersen-Literaturpreis entgegen. Er lebt in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2023

Russland im Sommer 2023

Verführungskraft einer Vision: Karl Ove Knausgård setzt seinen "Morgenstern"-Romanzyklus mit dem zweiten Band "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit" fort. Darin nimmt das apokalyptische Geschehen eine spektakuläre Wendung: moralisch,

aber auch geographisch.

Als Karl Ove Knausgård vor einem Jahr kurz in Deutschland war, um seinen Roman "Der Morgenstern" vorzustellen, war dessen Fortsetzung in Norwegen bereits erschienen - aber noch nirgendwo sonst. Was man also kannte, war allein der Titel dieses zweiten Teils: "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit", ein Zitat aus einem Essay der russischen Dichterin Marina Zwetajewa. Heute erscheint Knausgårds Roman nun auch bei uns, mit 1050 Seiten noch etwas dicker als der Vorgänger. Aber das wird das Publikum nicht abschrecken, im Gegenteil. Der Sog der ausufernden Prosa dieses Autors ist oft beschrieben worden. Sie entsteht nicht zuletzt aus einer Detailfreude beim Erzählen, die phänomenologische Leidenschaft für den Alltag erkennen lässt - so etwa diesmal in Form einer Szene, in der unter der Dusche nach einem Seifenstück gehascht wird. Braucht man das? Knausgård würde mit seinem Lieblingsschriftsteller Flaubert antworten, der während der Niederschrift von "Madame Bovary" feststellte: "Jetzt bin ich in einer völlig anderen Welt von genauer Beobachtung trivialster Details." Denn der norwegische Autor hat auch Leidenschaft für große Literatur.

Was diese Faszination angeht, war vor allem Knausgårds Vorliebe für die deutsche Geistesgeschichte bekannt. Es ist ja geradezu notorisch geworden, dass Knausgård jenen vor zwölf Jahren abgeschlossenen autofiktionalen Romanzyklus, dem er seinen Weltruhm als Schriftsteller verdankt, im Original mit "Min kamp" betitelt hat: der norwegischen Übersetzung des Titels von Hitlers "Mein Kampf". Die sechs von Paul Berf ins Deutsche gebrachten Einzelbände haben auf diese Bezeichnung verzichtet und kamen stattdessen als "Sterben", "Lieben", "Spielen", "Leben" und "Träumen" daher, ehe mit dem Abschlussband "Kämpfen" die Originalbenennung zumindest anklang. Die Titelübernahme der autobiographischen Programmschrift des Diktators ist Knausgård als frivol vorgehalten worden, aber sie resultierte aus jenem Interesse an Deutschland in all dessen literatur- und realgeschichtlicher Ambivalenz, das sich auch noch in den Büchern nach "Min kamp" gezeigt hat: Texte von Hölderlin, Rilke, Heidegger und Sloterdijk sind in "Der Morgenstern" wichtige Bezugsgrößen fürs Romanpersonal. Aber nun Zwetajewa als Titelinspiration des neuen Buchs? Faszination für Russland? Und das in diesen Tagen?

Knausgård erzählte vor einem Jahr, wie schockierend der russische Überfall auf die Ukraine für ihn gewesen sei. Auch deshalb, weil die zweite Hälfte seines neuen Romans im Moskau des Spätsommers 2023 spielt - genau an jenen Tagen, die auch Handlungszeitpunkt von "Der Morgenstern" sind. Das Moskau des Romans ist ein friedliches, denn Knausgård konnte von dem, was seit dem 4. Februar 2022 passiert ist, nichts ahnen, als er "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit" schrieb. "Mich hat es in dem, was ich lese, immer zum Herzen gezogen, ich habe die Welt immer durch die Gefühle in dem gesucht, was ich geschrieben habe", hat Knausgård 2019 bei seinen Poetikvorlesungen in Tübingen erklärt, die jetzt parallel zum neuen Roman veröffentlicht worden sind. In "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit" kommt also Knausgårds Liebe zur russischen Kultur und Literatur zum Ausdruck - im schwärzesten Moment der jüngeren russischen Geschichte.

Was verbindet diesen zweiten Teil mit dem ersten? Zunächst einmal Handlungsort und die jeweils zwischen zahlreichen Ich-Erzählern aufgesplitterte Perspektive: Es geht los in der norwegischen Stadt Bergen, in deren Nähe ein elfjähriger Junge namens Helge (der erste Erzähler des neuen Romans) am Meeresufer einen im Auto ertrunkenen Mann entdeckt. Es ist das Jahr 1977, doch erzählt wird von Helge aus mehr als 35 Jahren Abstand. Dann wechselt die Perspektive, und wir begleiten den neunzehnjährigen Syvert, der nach seiner Militärdienstzeit nach Bergen zurückkehrt, ohne zu wissen, was er nun tun soll. Es ist das Jahr 1986, diesmal auch als Erzählzeit, und mehr als der halbe Roman, 530 Seiten, gelten Syverts Bemühungen, sich im heimischen Alltag zurechtzufinden. Bis wir erfahren, dass er der Sohn des neun Jahre zuvor ertrunkenen Mannes ist, braucht es Zeit. Aber die kann Knausgård sich bei der breiten Anlage seiner Bücher leicht nehmen.

Wir sind somit in der ersten Hälfte von "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit" noch ganz weit weg vom September 2023 als Handlungszeit in "Der Morgenstern". Und Helge wie Syvert sind neu eingeführte Erzähler - erst mal nur zwei im Gegensatz zu den insgesamt elf des Vorgängers. In der zweiten Romanhälfte kommen noch drei dazu: alles Russen, zwei Frauen und ein Mann. Eine der Frauen verbindet etwas mit Syvert, aber es wäre schade für Leser, wenn sie es zu früh wüssten, denn Knausgård bemüht sich ersichtlich, Spuren fürs Verständnis zu legen, ohne sie zu offensichtlich zu machen. Was indes thematisch schon den Weg ins Russland des Jahres 2023 vorbereitet, ist die Handlungszeit von Syverts Schilderung: Sie ist parallel zur Atomkatastrophe von Tschernobyl angesiedelt. Russland ist unsichtbar die ganze Zeit präsent. Und bald auf andere Weise für Syvert auch sichtbar.

In Tübingen hatte Knausgård 2019 betont, wie wichtig es ihm sei, auch in seine nicht autobiographischen Bücher eigene Erfahrungen einfließen zu lassen, - und zugleich eine daraus resultierende Herausforderung betont: "Wie sieht man voller Erstaunen eine Beschreibung von dem, was man selbst erlebt hat?" Denn wer sein Publikum überraschen will, dem sollte es nach Knausgårds Überzeugung tunlichst auch sich selbst gegenüber beim Schreibprozess gelingen. Die Herausgabe des Bändchens mit seinen beiden Poetikvorlesungen ist gerade jetzt hochinteressant, weil sie zu einem Zeitpunkt gehalten wurden, als Knausgård gerade erst mit der Niederschrift von "Der Morgenstern" begonnen hatte. Und in Kenntnis des Fortsetzungsbandes liest man erstaunt, wie wenig er damals noch selbst darüber wusste, was er erzählen wollte. Kein Wort etwa in Tübingen über Russland. Dafür allerdings viel über die Präsenz des Bösen im "Morgenstern"-Stoff. Im ersten Band war sie mit Satanisten, schwarzen Messen und Apokalyptik offensichtlich; nun jedoch gilt es, bis zuletzt zu warten, ehe beim Überfall auf ein Juweliergeschäft ein teuflischer Giftpfeil in die Handlung dringt, während auch über Moskau der unheilverkündende Morgenstern am Himmel steht.

Doch zum Ende nimmt die Handlung eine Wendung, die das ganze Romanprojekt in ein neues Licht rückt, das Knausgård durch jeweils einen essayistischen Einschub in die beiden Romane vorbereitet hat: die Frage der Unsterblichkeit und damit Hoffnung statt Unheil. War es im ersten Roman der Essay eines mit sich und seinem Glauben hadernden norwegischen Dokumentarfilmers, ist es nun einer aus der Feder einer russischen Literaturwissenschaftlerin, die ausgehend von Nikolai Fjodorow, einem Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts, der die Überwindung des Todes zur "großen Aufgabe" der Menschheit erklärt und damit Tolstoi und die Bolschewiken gleichermaßen inspiriert hatte, gegen den christlichen Gedanken der Auferstehung deren technische Machbarkeit setzt. Knausgård schickt sich offenbar an, auf Don DeLillos "Zero K" von 2016 nun den zweiten großen Roman zur Kryonik folgen zu lassen. Aber das muss erst einmal Thema im dritten Teil des auf fünf Bände projektierten "Morgenstern"-Zyklus werden.

Im zweiten ist alles metaphysisch Teuflische des ersten plötzlich zum menschlich Teuflischen geworden - ganz im Sinne von Knausgårds positivem Teufelsbild: In seinen Poetikvorlesungen kennzeichnet er den Roman als "Ort der Ambivalenz" und damit als "Form des Teufels". Das passt zum Schauplatz Russland, und es wird interessant sein zu lesen, wie Knausgård damit im dritten Teil umgehen wird. Der ist seit einigen Monaten auf Norwegisch schon da und heißt "Det tredje riket". Übersetzt: "Das dritte Reich". Kokett? Gewiss. Aber damit sind wir auch wieder mitten in der Ambivalenz der deutschen Geschichte, und es dürfte richtig böse werden. Aber erst mal muss Paul Berf diesen verdächtig schmalen Roman (keine fünfhundert Seiten) übersetzen. ANDREAS PLATTHAUS

Karl Ove Knausgård: "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit". Roman.

Aus dem Norwegischen von Paul Berf. Luchterhand Literaturverlag, München 2023. 1054 S., geb., 30,- Euro.

Karl Ove Knausgård: "Der Roman ist die Form des Teufels". Tübinger Vorlesung.

Aus dem Norwegischen von Paul Berf. Btb, München 2023. 128 S., br., 15,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Den für Knausgard typischen "Sog der Ödnis" macht Kritikerin Katharina Teutsch auch in seinem neuesten, ausnahmsweise mal nicht autobiografischen, Roman fest. Über tausend Seiten umfasst die Geschichte um den jungen Syvert, der sich im Jahr 1986 auf die Suche nach Leben(sstationen) und Gefühlen seines früh verstorbenen Vaters macht: In der ersten in der norwegischen Provinz angesiedelten Hälfte ist das recht handlungsarm, meint Teutsch, in der zweiten, die in Russland spielt, geht es ihr dann ein wenig zu schnell. Dass zunächst nicht viel passiert, macht sie zwar auch als Stärke des Autors aus, mit den Erwartungen des Publikums zu spielen, aber sie hätte sich gewünscht, dass er die vielen verschiedenen Figuren, die anhand des gleich bleibenden Tons kaum zu unterscheiden sind, mit mehr Liebe zum Individuellen ausgestattet hätte. Auch die vielen ausgelegten Handlungsfäden, etwa zur Kommunikation in der Pflanzenwelt, hätte sie gern weiterverfolgt. Vielleicht beim nächsten Tausendseiter, schließt die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Spannender als jeder Krimi.« Stefan Kister / Stuttgarter Zeitung