Von der Heiligen Römischen Kirche bis zur Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters.Vom Urchristentum bis zu Scientology, von der Heiligen Römischen Kirche bis zur Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters: Gerald Willms entfaltet das Panorama der 2000-jährigen Kultur- und Ideengeschichte der religiösen Bewegungen des Abendlandes. Beginnend mit der "Sekte des Nazareners" und ihres Aufstiegs zum religiösen Global Player, gilt das besondere Augenmerk freilich immer den Parias der Religionsgeschichte: den Nonkonformisten, Verweigerern und Außenseitern. Es ist das Credo Willms`, die dauerhafte "Normalität" religiöser Abweichungen und "Sonderformen" schlicht zu dokumentieren, ohne sie zu verurteilen. Das Ziel ist weder Rechtfertigung noch gar "Verharmlosung", sondern der Versuch, das So-und-nicht-anders-Sein der sogenannten "Sekten" verstehbar zu machen. Und das heißt vor allem, die Ideen und Weltanschauungen der religiösen Phänomene zu begreifen und sie in ihre historischen, kulturellen und sozialen Zusammenhänge einzuordnen.Egal also ob Waldenser, Jesuiten oder Piusbrüder; Quäker, Amish oder Mormonen; Rosenkreuzer, Freimaurer oder Illuminaten; Swedenborgianer, Theosophen oder Satanisten; Munies, Scientologen oder Gotteskinder: Im Kern geht es immer darum, die Dinge abseits von den in historischer Sichtweise übrigens immer gleichen Sektenklischees zu begreifen. Genau dies ist die eigentliche Herausforderung und zwar für Leser und Autor gleichermaßen. Insofern täuscht der lockere Tonfall des Buches, denn die Leser werden nicht mit sensationsheischendem Journalismus, christlich-moralischer Belehrung oder subjektiver Betroffenheitslektüre, sondern mit empirischen Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen konfrontiert. Indem aber auf die explizite Darlegung theoretischer Diskurse und das übliche akademisch-diskursive Beiwerk verzichtet wird, erhält auch der interessierte Laie hiermit die Möglichkeit, echte Einblicke in weithin unbekannte religiöse Landschaften und Lebenswelten zu gewinnen.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Für ganz hervorragend hält Dirk Pilz dieses Buch über religiöse Gruppen und geht gegenüber allen potenziellen Kritikern gleich in die Vorwärtsverteidigung: Es seien bekanntlich die "Bescheid-Wisser" und Nicht-Verstehen-Woller", die sich beim Thema Religion hervortun und sie in ihrem säkularen Hochmut verunglimpften! Was der Göttinger Religionsforscher Gerald Willms nun über die verschiedenen religiösen Gruppen oder Sekten im Einzelnen schreibt, verrät Pilz nicht. Er hält vor allem für spannend, dass sich Willms den verschiedenen religiösen Gruppen - vom Christentum bis zu Scientology - nähert, ohne über sie zu urteilen, und ihnen allen attestiert, gleichermaßen die "weltanschaulichen Wahrheiten" ihrer Anhänger zu bündeln. Von Verblendung könne dabei nicht die Rede sein, stellt Pilz klar, es gehe ihr hier lediglich um die Verpflichtung gegenüber einer "Weltwahrnehmungsperspektive". Und wer kann schon sagen, welche der vielen Wahrheiten wahrer ist als andere? Schließlich habe auch das Christentum als jüdische Sekte angefangen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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