Ist Lesen eine Kunst? Eine Leidenschaft? Eine "edle Beschäftigung"? (Thoreau) "Ein großes Wunder"? (Marie von Ebner Eschenbach) Ein lebenslanges (Selbst)Studium? Ein Gespräch über alle Grenzen von Raum und Zeit hinweg? Ein "Emporwachsen der Seele" ? (Voltaire)Was Lesen alles ist, war, sein kann, zeigt die Wunder kammer des Lesens. Eine schwelgerische Liebeserklärung an unzählige Details der Lektüre - von der Poesie des Umblätterns bis zu wissenschaftliche Erkenntnissen über das lesende Hirn und die heilende Wirkung von Texten. Von den Denkfiguren der Literaturwissenschaft über internationale Lesebräuchebis hin zu magischen Momenten beim Lesen und Schreiben. Dazu: Skurrilitäten, Hintergrundwissen und viele Gedanken, Gedichte und Geschichten, die das Lesen noch staunenswerter machen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Inhaltlich durchaus berechtigt, gestalterisch ein "lilagelbes Grafikgrauen", urteilt Rezensent Andreas Platthaus über Thomas Böhms "Wunderkammer des Lesens": Buchbegeisterte Texte aus zwei Jahrtausenden sollen ein Publikum aufrütteln, das vom Verschwinden bedroht ist, so zumindest die Kassandrarufe, die den Niedergang des Lesens prophezeien. Das kennt Platthaus schon von der Arbeit Böhms, der neben seinen Publikationen im Verlag "Das kulturelle Gedächtnis" von Autorenschaft bis Kritiker viele Positionen im literarischen Feld einnimmt, aber hier funktioniert es nicht so recht, meint er. Die Texte von P.G. Wodehouse oder John Ruskin, die hier versammelt sind, sind zwar durchaus spannend, aber im Grunde genommen "predigt Böhms Buch zu den bereits Bekehrten". Keine rechte Empfehlung des Kritikers.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2023Lektüreblütenlektüre
Thomas Böhm trägt Gründe fürs Lesen zusammen
Ach, was muss man jetzt von bösen Zahlen hören oder lesen! Buchhandel und Verlage schlagen Alarm, weil die nicht mehr ausreichend nachwachsenden Lesergenerationen nur noch durch Preissteigerungen kompensiert werden können, die irgendwann wohl auch die älteren Buchliebhaber abschrecken werden. Zudem sei Literatur immer weniger rezensorischer Gegenstand in der Medienlandschaft. Und dann bleibe dort auch noch ausgerechnet ein Kompendium mit guten Gründen fürs Lesen weitgehend unbeachtet.
Nicht mit uns! Schon deshalb nicht, weil derjenige, der da unter dem Titel "Die Wunderkammer des Lesens" Texte von Buchbegeisterten aus mehr als zweitausend Jahren zusammengetragen hat, Thomas Böhm ist, den wir selbst über sein vielfältiges Wirken (Lektor fürs "Schreibheft", Chef des Literaturhauses in Köln, Programmleiter bei Buchmessen und -festivals, Audiobuchproduzent, Kritiker, Autor) als Buchbegeisterten kennen. Bei dem 2017 als Rettungsinsel für die vom Untergang bedrohte Lesekultur gegründeten Berliner Verlag Das kulturelle Gedächtnis ist er regelmäßig mit Publikationen präsent, beginnend 2019 mit "Die Wunderkammer der deutschen Sprache", seinerzeit als eines der schönsten deutschen Bücher ausgezeichnet.
An dessen gestalterischem Erfolgsrezept orientierte sich dann zwei Jahre später "Die Wunderkammer des Reisens" und jetzt auch die des Lesens - leider, muss man sagen, denn dass es ein solches Kuddelmuddel aus Schriften, Grafiken und Designmätzchen in eine ernsthaft jurierte Auswahl "schönster Bücher" schaffte, war schon 2020 rätselhaft. Würde man beim Lesen nur das alte Motto "Augen zu und durch" beherzigen können, aber Hörbücher macht Das kulturelle Gedächtnis nicht. Dabei ist, was da inhaltlich geboten wird, sowohl hochinteressant als bisweilen auch hochskurril. Wenn man etwa die Liste der Bibliothek auf der Raumstation ISS liest. Schudder! Wobei das Englisch-russische Wörterbuch Hoffnung macht, und mit P. G. Wodehouse könnten die frisch des Englisch kundigen Kosmonauten dann auch den Spaß haben, den ihnen Terry Brooks, James Patterson oder David Weber als Speerspitzen der sonst dominierenden Fantasy-Thriller-Science-Fiction-Flut nicht bieten.
John Ruskin wollte dagegen weniger weit hinaus ins All als vielmehr tief hinein in die Erde. Seine Vorstellung eines guten Lesers, so lesen wir, ist das Äquivalent eines australischen Bergmanns. Nicht weil es dem leichtfiele, Schätze zu schürfen, sondern gerade im Gegenteil: weil er so viel Mühe hat und nicht ohne Werkzeuge arbeitet. Beim Leser sind das für Ruskin "Sorgfalt, Klugheit und Gelehrsamkeit". Ja, wir Buchbegeisterten waren schon immer überzeugt von unserem (geistigen) Vermögen, und natürlich predigt Böhms Buch zu den bereits Bekehrten. Aber schon ein einziger Proselyt wäre ja etwas. Und wer weiß? Vielleicht lockte den das lilagelbe Grafikgrauen sogar noch. apl
Thomas Böhm (Hrsg.): "Die Wunderkammer des Lesens".
Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin 2023. 320 S., Abb., geb.,
28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Thomas Böhm trägt Gründe fürs Lesen zusammen
Ach, was muss man jetzt von bösen Zahlen hören oder lesen! Buchhandel und Verlage schlagen Alarm, weil die nicht mehr ausreichend nachwachsenden Lesergenerationen nur noch durch Preissteigerungen kompensiert werden können, die irgendwann wohl auch die älteren Buchliebhaber abschrecken werden. Zudem sei Literatur immer weniger rezensorischer Gegenstand in der Medienlandschaft. Und dann bleibe dort auch noch ausgerechnet ein Kompendium mit guten Gründen fürs Lesen weitgehend unbeachtet.
Nicht mit uns! Schon deshalb nicht, weil derjenige, der da unter dem Titel "Die Wunderkammer des Lesens" Texte von Buchbegeisterten aus mehr als zweitausend Jahren zusammengetragen hat, Thomas Böhm ist, den wir selbst über sein vielfältiges Wirken (Lektor fürs "Schreibheft", Chef des Literaturhauses in Köln, Programmleiter bei Buchmessen und -festivals, Audiobuchproduzent, Kritiker, Autor) als Buchbegeisterten kennen. Bei dem 2017 als Rettungsinsel für die vom Untergang bedrohte Lesekultur gegründeten Berliner Verlag Das kulturelle Gedächtnis ist er regelmäßig mit Publikationen präsent, beginnend 2019 mit "Die Wunderkammer der deutschen Sprache", seinerzeit als eines der schönsten deutschen Bücher ausgezeichnet.
An dessen gestalterischem Erfolgsrezept orientierte sich dann zwei Jahre später "Die Wunderkammer des Reisens" und jetzt auch die des Lesens - leider, muss man sagen, denn dass es ein solches Kuddelmuddel aus Schriften, Grafiken und Designmätzchen in eine ernsthaft jurierte Auswahl "schönster Bücher" schaffte, war schon 2020 rätselhaft. Würde man beim Lesen nur das alte Motto "Augen zu und durch" beherzigen können, aber Hörbücher macht Das kulturelle Gedächtnis nicht. Dabei ist, was da inhaltlich geboten wird, sowohl hochinteressant als bisweilen auch hochskurril. Wenn man etwa die Liste der Bibliothek auf der Raumstation ISS liest. Schudder! Wobei das Englisch-russische Wörterbuch Hoffnung macht, und mit P. G. Wodehouse könnten die frisch des Englisch kundigen Kosmonauten dann auch den Spaß haben, den ihnen Terry Brooks, James Patterson oder David Weber als Speerspitzen der sonst dominierenden Fantasy-Thriller-Science-Fiction-Flut nicht bieten.
John Ruskin wollte dagegen weniger weit hinaus ins All als vielmehr tief hinein in die Erde. Seine Vorstellung eines guten Lesers, so lesen wir, ist das Äquivalent eines australischen Bergmanns. Nicht weil es dem leichtfiele, Schätze zu schürfen, sondern gerade im Gegenteil: weil er so viel Mühe hat und nicht ohne Werkzeuge arbeitet. Beim Leser sind das für Ruskin "Sorgfalt, Klugheit und Gelehrsamkeit". Ja, wir Buchbegeisterten waren schon immer überzeugt von unserem (geistigen) Vermögen, und natürlich predigt Böhms Buch zu den bereits Bekehrten. Aber schon ein einziger Proselyt wäre ja etwas. Und wer weiß? Vielleicht lockte den das lilagelbe Grafikgrauen sogar noch. apl
Thomas Böhm (Hrsg.): "Die Wunderkammer des Lesens".
Verlag Das Kulturelle Gedächtnis, Berlin 2023. 320 S., Abb., geb.,
28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main