Peter von Matt nannte die Zauberflöte »neben Hamlet und Mona Lisa das dritte große Rätselwerk unserer Kultur«. Das Rätsel liegt im Zusammenhang des Ganzen. Anfang und Ende scheinen nicht zusammenzupassen, wichtige Protagonisten ändern ihren Charakter. Haben Mozart und Schikaneder mitten in der Arbeit die Handlung herumgeworfen, wie viele bis heute glauben, weil im Juni 1791 ein Stück herauskam, das auf demselben Wielandschen Märchen basierte? Der Kulturwissenschaftler Jan Assmann schlägt eine neue Deutung in ihrem freimaurerischen und theaterwissenschaftlichen Kontext vor: Als eine Mysterienreise, die den Initianden - Tamino - von der Oberwelt der Illusionen durch verschiedene Prüfungsstationen der Unterwelt in die Sphäre der Eingeweihten beziehungsweise Aufgeklärten führt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2019Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena!
Doch kein Machwerk? Jan Assmann über die "Zauberflöte"
Die Zauberflöte ist und bleibt eine pièce de résistance im Blick auf Mozart und auf das Theater. Seitdem sich eingebürgert hat, von ihr leichtfertig als einem Rätsel zu sprechen, sind der Bemühungen kein Ende, dieses Rätsel lösen zu wollen. Kaum eine andere Oper ist in den vergangenen Jahrzehnten derart schutzlos zum Gegenstand inszenatorischer Zerstörungswut geworden. Zu den wenigen Stimmen, die stets für eine andere Wahrnehmung des Werkes plädiert haben, gehört diejenige von Jan Assmann, der schon 2005 in einer umfangreichen Untersuchung eine besonnene Dechiffrierung anmahnte.
Assmanns neues, konzises, kristallin klar geschriebenes Zauberflöten-Bändchen geht jedoch noch einen Schritt weiter. Assmann greift einen Deutungsansatz auf, der gelegentlich in der Mozart-Literatur begegnet, aber nie systematisch durchgeführt wurde: dass die Disparatheit der Oper kein Betriebsunfall oder gar Geheimnis, sondern gewollt ist. Assmann will also kein Rätsel lösen, sondern dessen Struktur so erfassen, dass es gleichsam von selbst verschwindet.
Mit großer Sorgfalt und doch leichtfüßig eleganter Hand beschreibt er diese Struktur als Vermischung eines Initiationsrituals mit einem Liebesroman, das nur für jenen undurchdringlich erscheint, der sich nicht darauf einlassen möchte. Dafür relativiert er die vielfach überbetonten Ägyptenbezüge, hebt dagegen die auch strukturelle Nähe zum Landschaftsgarten hervor und beharrt schließlich auf der entscheidenden Rolle des Komponisten beim Libretto.
Assmanns Buch gibt die großen Züge vor und geht doch immer wieder ins Detail, auch der Partitur. Kurzum: Es ist ein methodisches und sprachliches Meisterstück - und mehr als nur eine Hoffnung für die Bühnen-Zukunft der "Zauberflöte". Man könnte sich am Ende lediglich fragen, ob die melancholische Kehrseite der oft festgestellten Disparatheit nicht doch darin liegt, dass die Verknüpfung von Initiationsritual und Liebesroman bei Tamino und Pamina zwar zum Ziel führt, dieses Ziel aber von Papageno auch ohne alles Drumherum erreicht wird. Dies wäre dann eine alles andere als optimistische Volte vom Ende des Aufklärungsjahrhunderts.
LAURENZ LÜTTEKEN.
Jan Assmann: "Die Zauberflöte". Eine Oper mit zwei Gesichtern.
Picus Verlag, Wien 2018. 112 S., geb., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Doch kein Machwerk? Jan Assmann über die "Zauberflöte"
Die Zauberflöte ist und bleibt eine pièce de résistance im Blick auf Mozart und auf das Theater. Seitdem sich eingebürgert hat, von ihr leichtfertig als einem Rätsel zu sprechen, sind der Bemühungen kein Ende, dieses Rätsel lösen zu wollen. Kaum eine andere Oper ist in den vergangenen Jahrzehnten derart schutzlos zum Gegenstand inszenatorischer Zerstörungswut geworden. Zu den wenigen Stimmen, die stets für eine andere Wahrnehmung des Werkes plädiert haben, gehört diejenige von Jan Assmann, der schon 2005 in einer umfangreichen Untersuchung eine besonnene Dechiffrierung anmahnte.
Assmanns neues, konzises, kristallin klar geschriebenes Zauberflöten-Bändchen geht jedoch noch einen Schritt weiter. Assmann greift einen Deutungsansatz auf, der gelegentlich in der Mozart-Literatur begegnet, aber nie systematisch durchgeführt wurde: dass die Disparatheit der Oper kein Betriebsunfall oder gar Geheimnis, sondern gewollt ist. Assmann will also kein Rätsel lösen, sondern dessen Struktur so erfassen, dass es gleichsam von selbst verschwindet.
Mit großer Sorgfalt und doch leichtfüßig eleganter Hand beschreibt er diese Struktur als Vermischung eines Initiationsrituals mit einem Liebesroman, das nur für jenen undurchdringlich erscheint, der sich nicht darauf einlassen möchte. Dafür relativiert er die vielfach überbetonten Ägyptenbezüge, hebt dagegen die auch strukturelle Nähe zum Landschaftsgarten hervor und beharrt schließlich auf der entscheidenden Rolle des Komponisten beim Libretto.
Assmanns Buch gibt die großen Züge vor und geht doch immer wieder ins Detail, auch der Partitur. Kurzum: Es ist ein methodisches und sprachliches Meisterstück - und mehr als nur eine Hoffnung für die Bühnen-Zukunft der "Zauberflöte". Man könnte sich am Ende lediglich fragen, ob die melancholische Kehrseite der oft festgestellten Disparatheit nicht doch darin liegt, dass die Verknüpfung von Initiationsritual und Liebesroman bei Tamino und Pamina zwar zum Ziel führt, dieses Ziel aber von Papageno auch ohne alles Drumherum erreicht wird. Dies wäre dann eine alles andere als optimistische Volte vom Ende des Aufklärungsjahrhunderts.
LAURENZ LÜTTEKEN.
Jan Assmann: "Die Zauberflöte". Eine Oper mit zwei Gesichtern.
Picus Verlag, Wien 2018. 112 S., geb., 15,- [Euro].
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